LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/338 (16/258) 16.04.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Dennis Lander (DIE LINKE.) betr.: Kosten der Drogenpolitik Vorbemerkung des Fragestellers: „Laut Schätzungen des Recherchebüros Correctiv wird in Deutschland im Bereich der Drogenpolitik für die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaften deutlich mehr Geld ausgegeben als für Sozialarbeiter und Beratungsstellen, also als für die Prävention . Demnach gab der Staat im Jahr 2012 mindestens 750 Millionen Euro für Drogenermittlungen aus, außerdem mindestens 100 Millionen Euro für die Drogenarbeit der Staatsanwaltschaften , während die staatlichen Ausgaben für ambulante Suchthilfestellen, Suchtprävention und -beratung insgesamt knapp 500 Millionen Euro betrugen . Eine Untersuchung der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) kam bereits vor über zehn Jahren zu dem Ergebnis, dass Deutschland im europäischen Vergleich den höchsten Anteil seiner Ausgaben im Drogenbereich für die Strafverfolgung ausgibt, nämlich 84 Prozent.“ Wie viel hat die Strafverfolgung von Cannabis- Konsumenten, -Produzenten und -Händlern im Saarland durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte , Gutachter in den vergangenen fünf Jahren gekostet (bitte einzeln auflisten)? Wenn keine Zahlen vorliegen: Auf welche Höhe schätzt die Landesregierung aufgrund der polizeilichen Kriminalstatistik diese Kosten? Ausgegeben: 16.04.2018 (21.02.2018) Drucksache 16/338 (16/258) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Zu Frage 1: Die Höhe der Kosten der Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten, -Produzenten und -Händlern lässt sich nicht konkret beziffern, da aus dem vorhandenen statistischen Material – u.a. aus der Polizeilichen Kriminalstatistik – nicht ersichtlich ist, wie lange, mit welchen Maßnahmen, mit welchem Personalansatz etc. einzelne Verfahren geführt worden sind. Eine Einschätzung bzw. Hochrechnung welche Kosten insgesamt in diesem Bereich angefallen sind, kann daher nicht erfolgen. Auch eine seriöse Schätzung der Gesamtkosten ist mangels belastbarer Schätzgrundlage nicht möglich. Wie viele Arbeitsstunden haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte in den vergangenen fünf Jahren mit der Strafverfolgung von Cannabis- Konsumenten, -Produzenten und -Händlern im Saarland erbracht (bitte einzeln auflisten)? Zu Frage 2: Arbeitsstunden, die bei der Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten, -Produzenten und -Händlern entstanden sind, werden statistisch nicht gesondert erfasst. Eine Schätzung ist mangels belastbarer Schätzgrundlage nicht möglich. Gegen wie viele Saarländerinnen und Saarländer wurde in den vergangenen fünf Jahren wegen des Konsums oder der Herstellung von Cannabis oder dem Handel mit Cannabis ermittelt, wie viele Verfahren wurden eingeleitet und wie viele Verurteilungen gab es (bitte einzeln auflisten)? Zu Frage 3: Bei der staatsanwaltschaftlichen Erfassung von Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wird nicht nach der Art der Droge differenziert, auf die sich die Tat bezieht. Wie viele Verfahren gegen wie viele Beschuldigte bzw. Saarländerinnen und Saarländer ausschließlich wegen unerlaubten Umgangs mit Cannabis geführt wurden und wie viele Verurteilungen insofern zu verzeichnen waren, kann daher mit vertretbarem Aufwand nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz allgemein ergibt sich folgendes Bild: Jahr Anzahl Verfahren Anzahl Beschuldigte Anzahl Verurteilungen 2012 1750 1797 460 2013 2246 2377 534 2014 2588 2737 581 2015 2682 2857 433 2016 3047 3217 454 2017 3607 3822 380 Gesamt: 15920 16807 2842 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die gerichtlichen Entscheidungen („Verurteilungen“) systembedingt nach dem Jahr der Verfahrenseinleitung, nicht nach dem Entscheidungsdatum dargestellt und nicht notwendigerweise rechtskräftig sind. Sind in einem Verfahren bezüglich eines Beschuldigten mehrere gerichtliche Entscheidungen ergangen (zum Beispiel Strafbefehl, Urteil nach Einspruch gegen diesen, nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 460 StPO), so sind sämtliche Entscheidungen erfasst. Drucksache 16/338 (16/258) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Wie viel Geld hat die Strafverfolgung von Konsumenten , Produzenten und Händlern anderer Rauschmittel im Saarland durch Polizei, Staatsanwaltschaft , Gerichte, Gutachter in den vergangenen Jahren fünf Jahren gekostet (bitte einzeln auflisten)? Wenn keine Zahlen vorliegen: Auf welche Höhe schätzt die Landesregierung aufgrund der polizeilichen Kriminalstatistik diese Kosten? Zu Frage 4: Die Höhe der Kosten der Strafverfolgung von Konsumenten, Produzenten und Händlern anderer Rauschmittel lässt sich nicht konkret beziffern, da aus dem vorhandenen statistischen Material – u.a. aus der Polizeilichen Kriminalstatistik – nicht ersichtlich ist, wie lange, mit welchen Maßnahmen, mit welchem Personalansatz etc. einzelne Verfahren geführt worden sind. Ergänzend wird auf die Beantwortung von Frage 1 verwiesen . Wie viele Arbeitsstunden haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte in den vergangenen fünf Jahren mit der Strafverfolgung von Konsumenten , Produzenten und Händlern anderer Rauschmittel im Saarland erbracht (bitte einzeln auflisten)? Zu Frage 5: Arbeitsstunden, die bei der Strafverfolgung von Konsumenten, Produzenten und Händlern anderer Rauschmittel entstanden sind, werden statistisch nicht gesondert erfasst. Eine Schätzung ist mangels belastbarer Schätzgrundlage nicht möglich. Wie viele Menschen im Saarland befinden sich wegen des Konsums, des Handels oder der Herstellung illegaler Rauschmittel derzeit in Haft? Zu Frage 6: Eine EDV-gestützte Auswertung der vorliegenden Daten lässt eine Eingrenzung auf Delikte des Handels oder der Herstellung illegaler Rauschmittel nicht zu, so dass Gefangenenzahlen - spezifisch aufgeschlüsselt nach „Handeltreiben“ oder „Herstellung“ von Betäubungsmitteln - nicht vorliegen. Der Konsum von Rauschmitteln ist ohnehin straflos. Das Gefangenenverwaltungssystem erfasst die jeweils im Urteil hinterlegten Paragrafen des Betäubungsmittelgesetzes. Daraus lässt sich aber in Ansehung der in der Regel mehrere Tatalternativen umfassenden Tatbestände des Betäubungsmittelgesetzes kein sicherer Schluss auf eine bestimmte Tatalternative ziehen. Die Angabe der im Folgenden mitgeteilten Gefangenenzahlen beruht daher allein auf dem Kriterium: „Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz“, wobei die jeweilige Inhaftierung teilweise nicht ausschließlich auf Betäubungsmittelverstöße zurückzuführen ist. Die Zahlen beziehen sich auf die gesamte Gefangenenpopulation (sowohl Untersuchungshaft als auch Strafhaft): JVA Ottweiler: 22 Gefangene (Stichtag 22. Februar 2018) JVA Saarbrücken: 111 Gefangene (Stichtag 23. Februar 2018) Drucksache 16/338 (16/258) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Wie viel Geld geben Land und Kommunen im Saarland pro Jahr insgesamt für Projekte der Drogen -Prävention und –Beratung und für die medizinisch -therapeutische Betreuung im Drogenbereich aus? (bitte einzeln auflisten) Zu Frage 7: Für Projekte der Drogen-Prävention und –Beratung besteht seitens des Landes ein Haushaltsansatz für das Jahr 2018 in Höhe von 1.561.800 Euro (Titelgruppe 71: Maßnahmen zur Suchthilfe). Hierzu gehören u.a. Mittel zur Förderung der Suchtfachstellen in den Landkreisen, von Projekten der Beratungsstellen, zur Förderung des Drogenhilfezentrums , zur psychosozialen Betreuung von Substitutionspatienten und für Maßnahmen zur Suchtprävention. Die Projekte werden in der Regel anteilig von Land und Kommunen finanziert. Eine detaillierte Auflistung der kommunalen Mittel liegt der Landesregierung nicht vor. Maßnahmen für die medizinisch-therapeutische Betreuung im Drogenbereich fallen in die Kostenzuständigkeit der Krankenkassen (SGB V); Landesmittel kommen hier nicht zum Einsatz. Soziale Kosten in welcher Höhe entstehen im Saarland pro Jahr durch die legal erhältlichen Drogen Alkohol und Tabak – durch Unfälle, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Frührente, Behandlungs - und Betreuungskosten etc.? Zu Frage 8: Saarland-spezifische Daten liegen der Landesregierung nicht vor. Im Folgenden werden die verfügbaren Daten für die Bundesrepublik Deutschland dargestellt. a) Alkohol Der Landesregierung liegen hierzu keine Saarland-spezifischen Daten vor. Jedoch führte die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. 2006 aus, dass die Kosten alkoholbezogener Krankheiten (ohne Kriminalität und intangible Kosten) in Deutschland pro Jahr auf 20,6 Mrd. Euro geschätzt werden. Den Unterlagen des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes aus dem Jahr 2008 sind folgende Angaben zu entnehmen: „Eine Studie für Deutschland, die systematisch die Kosten für alkoholbezogene Krankheiten schätzt, wurde 2002 vom Robert Koch- Institut vorgelegt. Die Kostenangaben schwanken zwischen 5 und 40 Mrd. Euro. Die DHS ging 1995 von jährlichen Folgekosten des Alkoholkonsums von mehr als 15 Mrd. Euro aus. […] Die Schätzung für das Jahr 1995 ergab 20 Mrd. Euro an Gesamtkosten für alkoholbezogene Krankheiten, davon 8 Mrd. Euro direkte und 12 Mrd. Euro indirekte Kosten. Über die verursachten Kosten für vorbeugende und betreuende Maßnahmen, Ausbildung und Forschung, Verwaltung und Investitionen, Krankentransporte sowie Arbeitsund Wegeunfälle waren keine krankheitsspezifischen Kostenangaben erhältlich, so dass diese pauschal geschätzt werden mussten. In die Berechnung der indirekten Kosten, verursacht durch Mortalität, gingen die verlorenen Lebensjahre, die Erwerbstätigkeitsquote und die sich daraus ergebende Anzahl der Erwerbstätigkeitsjahre während der Restlebensdauer, das Einkommen sowie eine Diskontierung der in Zukunft zu erwartenden Einkommen ein. Darüber hinaus sind auch Nichtmarkttätigkeiten wie Hauswirtschaft, Handwerk, Ehrenamt und soziale Hilfeleistungen enthalten. Die Berechnung des Ressourcenverlustes durch alkoholbezogene Frühberentung erfolgte analog zur Berechnung des Ressourcenverlustes durch Mortalität, wobei nicht auf einem Markt gehandelte Tätigkeiten unberücksichtigt bleiben. Drucksache 16/338 (16/258) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Die indirekten Kosten der Arbeitsunfähigkeit wurden aus der Anzahl der Arbeitsunfähigkeits -Tage und dem entsprechenden durchschnittlichen Jahreseinkommen berechnet .“ Zu den volkswirtschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland sind dem Drogen- und Suchtbericht 2017 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung folgende Angaben zu entnehmen: Die Summe aus direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland wird je nach Berechnungsansatz auf 26 bis 40 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Gemäß den Ergebnissen einer Studie zu den medizinischen Kosten schädlichen Alkoholund Tabakkonsums in Deutschland anhand von GKV-Routinedaten verursacht der schädliche Alkoholkonsum für die gesetzliche Krankenversicherung pro Quartal und Fall Kosten in Höhe zwischen 660 und 800 Euro. Die volkswirtschaftlichen Gesamtunfallkosten für Unfälle unter Alkoholeinfluss betrugen in den Jahren 2010-2014 insgesamt 7,77 Milliarden Euro. Dabei wurden als Berechnungsgrundlage die Anzahl der Unfälle und Verunglückten unter Alkoholeinfluss laut amtlicher Statistik des Statistischen Bundesamtes und die jährlichen Unfallkostensätze laut Berechnungsmodell der Bundesanstalt für Straßenwesen herangezogen. b) Tabak Der Landesregierung liegen hierzu keine Saarland-spezifischen Daten vor. Die direkten und indirekten Kosten des Tabakkonsums wurden 2007 vom Deutschen Krebsforschungszentrum jährlich auf insgesamt rund 33,5 Milliarden Euro geschätzt. Gemäß des Drogen- und Suchtberichts 2017 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung belaufen sich nach aktuellen Schätzungen die direkten Kosten für die Versorgung von Krankheiten und Gesundheitsproblemen im Zusammenhang mit dem Rauchen auf 25,4 Milliarden Euro jährlich. Die indirekten Kosten unter Einbeziehung von Erwerbsunfähigkeit, Frühberentung und Todesfällen wurden auf 53,7 Milliarden Euro geschätzt, sodass von einem gesamtwirtschaftlichen Schaden von insgesamt 79,1 Milliarden Euro auszugehen ist. Soziale Kosten in welcher Höhe entstehen im Saarland pro Jahr durch Cannabis-Konsum? Zu Frage 9: Auch hier liegen der Landesregierung keine Saarland-spezifischen Daten vor. Eine Einschätzung der Situation im Saarland ist daher lediglich auf der Grundlage der verfügbaren Daten für Gesamtdeutschland möglich. Zu den volkswirtschaftlichen Kosten des Cannabiskonsums in Deutschland sind dem Drogen- und Suchtbericht 2017 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung folgende Angaben zu entnehmen: Die durch schädlichen Cannabiskonsum verursachten ökonomischen Kosten werden auf 975 Millionen Euro pro Jahr bei 400.000 angenommenen Konsumenten mit schädlichem Konsum (entspricht 2.438 Euro pro Kopf und Jahr) geschätzt. Gegebenenfalls fallen weitere Zusatzkosten durch Tabakkonsum an, wenn beides kombiniert konsumiert wird.