LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/340 (16/272) 16.04.2018 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dagmar Ensch-Engel (DIE LINKE.) betr.: Ausbau der Mobilfunknetze in Grenznähe Vorbemerkung der Fragestellerin: „Zu einer guten Infrastruktur gehört auch ein gutes Mobilfunknetz. In grenznahen Gemeinden wie Gerlfangen (Kreis Rehlingen-Siersburg) oder diversen Stadtteilen von Merzig ist genau dieses jedoch nicht verfügbar. Betroffene berichten, dass es bei Ausfällen des Festnetzanschlusses (beispielsweise durch einen temporären Stromausfall) nicht einmal möglich sei, per Handy einen Notruf abzusetzen.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Der Ausbau der Mobilfunknetze in der Bundesrepublik ist alleinige Aufgabe der privatwirtschaftlich organisierten Mobilfunknetzbetreiber. Auf dem deutschen Netzbetreibermarkt sind derzeit die Firmen Deutsche Telekom, Telefonica und Vodafone vertreten, die ihre Netze primär nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausbauen. Die Versorgungssituation kann sich je nach Standort von Netzbetreiber zu Netzbetreiber deutlich unterscheiden. Da Endnutzer (mit Ausnahme der Notrufnummer 112) nur dasjenige Netz nutzen können, in dem sie selbst Kunde sind (im Folgenden „eigenes Netz“), sind in der Praxis erlebte Funklöcher oftmals lediglich auf den eigenen Anbieter zurückzuführen , während andere Netzbetreiber den gleichen Ort gut versorgen. Das Frequenzspektrum, das die Mobilfunkanbieter zum Betrieb ihrer Netze benötigen, wird von der Bundesrepublik verwaltet und den Mobilfunkanbietern unter bestimmten Bedingungen bereitgestellt. Um sicherzustellen, dass die Netze nicht ausschließlich dort ausgebaut werden, wo dies besonders lukrativ ist, wird die Zuteilung von Frequenzspektrum durch die Bundesnetzagentur regelmäßig mit spezifischen Versorgungsauflagen verbunden. So ist den Netzbetreibern bei der letzten Zuteilung von Frequenzspektrum im Jahre 2015 auferlegt worden, jeweils eine LTE-Abdeckung von 98 % der Haushalte bundesweit (min. 97 % je Bundesland) bis zum 1. Januar 2020 zu erreichen. Ausgegeben: 16.04.2018 (28.02.2018) Drucksache 16/340 (16/272) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Ferner sind bis zu diesem Datum alle ICE-Fernverkehrstrassen und die Bundesautobahnen von jedem Netzbetreiber lückenlos auszubauen. Im Rahmen der nächsten Frequenzvergabe (voraussichtlich Ende dieses Jahres) sollen die Versorgungsauflagen gemäß Bundeskoalitionsvertrag noch einmal nach oben angepasst werden. Versorgungsauflagen stellen derzeit die einzige wirkungsvolle Möglichkeit des Staates dar, aktiv Einfluss auf den weiteren Ausbau der Mobilfunknetze zu nehmen. Ein weiterer Aspekt der Beförderung des Mobilfunkausbaus können transparente und diskriminierungsfreie Rahmenbedingungen der Zurverfügungstellung von öffentlichen Grundstücken oder Infrastrukturen zum Zwecke des Mobilfunkausbaus sein. So hat das Saarland als erstes Bundesland bereits im Jahr 2002 entsprechende Rahmenvereinbarungen mit Mobilfunknetzbetreibern geschlossen. Eine Förderung des Mobilfunkausbaus (wie beim Breitbandausbau üblich) wird zwar diskutiert, ist aber aus EUbeihilferechtlichen Gründen derzeit ausgeschlossen. Da Funkfrequenzen zwar national vergeben werden, jedoch an der Grenze zum Nachbarstaat Rücksicht auf die dortige Versorgungssituation genommen werden muss, werden diese Rahmenbedingungen der Frequenznutzung im Grenzraum international koordiniert. Neben einer Koordinierung auf gesamteuropäischer Ebene durch die zuständigen Frequenzbehörden gibt es für die westeuropäischen Länder ein gesondertes Koordinierungsgremium, welches auch die Rahmenbedingungen für den Grenzraum Deutschland-Frankreich-Luxemburg festlegt. Diese Grenzkoordinierung bzw. Rahmensetzung für den Saar-Lor-Lux-Raum ist grundsätzlich erfolgt, um eine harmonisierte Nutzung der Frequenzen für eine bessere Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen . Ein Grundproblem ist dabei jedoch, dass in den meisten Mitgliedstaaten nationale Besonderheiten mit zu berücksichtigen sind und Frequenzharmonisierungen häufig auch Zeit erfordern, bis ein durchgehend optimiertes Szenario anwendbar ist. So werden bestimmte, neue Frequenzen für den Mobilfunkbereich in Ostfrankreich erst im Sommer 2018 verfügbar. Um auf Basis der Grenzkoordinierung durch die Frequenzbehörden die Mobilfunknetzentwicklung im Sinne der Versorgungssituation der Bevölkerung weiter zu optimieren, wird den jeweiligen Mobilfunknetzbetreibern die Möglichkeit eingeräumt, grenzüberschreitend individuelle Betreiberabsprachen vorzunehmen. Diese Betreiberabsprachen können z.B. vorsehen, dass auf deutschem Gebiet die Deutsche Telekom bestimmte Frequenzbereiche in Saarbrücken optimiert verwendet und im Gegenzug die Orange-France Telecom in Saargemünd bestimmte Frequenzbereiche zu ihren Gunsten optimieren kann. Entsprechende Vereinbarungen sind den Frequenzbehörden (in Deutschland die Bundesnetzagentur, in Frankreich die Agence Nationale des Fréquences) anzuzeigen und von diesen zu genehmigen. Aktuell ist dazu festzustellen, dass in den betroffenen Stakeholdergruppen derzeit nach wie vor Verhandlungen und Gespräche stattfinden, so dass sich an der gesamten deutschen Außengrenze eine deutliche Entwicklungsperspektive zeigt, die die Versorgung der Bevölkerung weiter verbessern sollte. Hinsichtlich der Versorgungssituation ist anzumerken, dass eine Feststellung, ob ein bestimmter Punkt durch einen Netzbetreiber versorgt wird oder nicht, in der Praxis nicht pauschal möglich ist. Die komplexen Ausbreitungseigenschaften von Mobilfunkwellen erlauben lediglich Versorgungsprognosen oder – im Falle von konkreten Messungen – Momentaufnahmen. Ob ein mobiles Endgerät ein Mobilfunknetz in einer konkreten Situation nutzen kann, hängt von vielen hochvariablen Parametern ab. Neben dem genauen Standort – hier können wenige Meter einen entscheidenden Unterschied machen („Fading“-Effekt) – und der Frage, ob das Gerät im Freien oder innerhalb eines Gebäudes verwandt wird, wird die Empfangsqualität beispielsweise vom genutzten Endgerät selbst, der Witterung, der Vegetation, umliegender Objekte (z.B. parkende LKWs) und auch der Ausrichtung des Endgerätes stark beeinflusst. Drucksache 16/340 (16/272) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Die Landesregierung erwartet, dass gleichwohl auf Bundesebene eine bestmögliche Transparenz hinsichtlich vorliegender Funklöcher geschaffen wird. Hierzu gehört ein funktionierendes Monitoring der LTE-Versorgungsauflagen durch die Bundesnetzagentur , das derzeit noch nicht vollständig etabliert ist, aber auch die systematische Erfassung von Sprachversorgungslücken. Ein erster konkreter Hinweis auf eine umfassende bundesweite Transparenzinitiative ist im neuen Koalitionsvertrag des Bundes bereits verankert. Welche Ortschaften sind nicht mit einem Funknetz in ausreichender Qualität versorgt? Zu Frage 1: Verlässliche Pauschalaussagen zur Versorgung einzelner Adresspunkte oder Ortsteile lassen sich vor dem in der Vorbemerkung geschilderten Hintergrund grundsätzlich nicht treffen. Um die Versorgungsqualität zumindest auf Basis einer möglichst belastbaren Prognose in den einzelnen Regionen des Landes bewerten zu können, hat die Landesregierung bei den drei Mobilfunknetzbetreibern Versorgungs-Geodaten angefordert . Die Landesregierung wird diese Daten nach Lieferung dahingehend prüfen, ob sie eine zuverlässige Identifikation von Bereichen mit schlechter Versorgung erlauben. Nach Eigenauskunft der Mobilfunknetzbetreiber ist der Aufbau einer Sprachverbindung mittels GSM-Technologie, die alle derzeit im Einsatz befindlichen Handys und Smartphones nutzen können, in allen drei Netzen im Freien für mindestens 99,5% der Haushalte gewährleistet. Da sich die Versorgungsbereiche der Netzbetreiber nicht vollständig überlappen, ist für einen noch höheren Anteil der Haushalte eine Versorgung durch mindestens einen Anbieter zu erwarten. Im Rahmen von Beschwerden aus der Bevölkerung und den Kommunen sind die Landesregierung bzw. das Breitbandbüro Saar in den letzten Jahren darauf aufmerksam gemacht worden, dass in den Bereichen Gerlfangen, im Löstertal, Sitzerath sowie Ihn und Leidingen Versorgungsprobleme in der Fläche aufgetreten sind. Eine Überprüfung der Angaben ist in der Praxis nicht immer möglich. So hatte die Landesregierung am 28. Februar 2018 auf Grundlage einer Beschwerde einer Bürgerin aus dem Ortsteil Gerlfangen den Versorgungszustand im Umfeld der Anwohnerin unter realistischen Bedingungen überprüft und dabei festgestellt, dass im Freien zu diesem Zeitpunkt in mindestens einem der drei Mobilfunknetze stabile und störungsfreie Sprachverbindungen möglich waren. Diese Momentaufnahme lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Versorgung grundsätzlich und jederzeit gewährleistet ist. Die Landesregierung hat vor diesem Hintergrund die Bundesnetzagentur am 2. Februar 2018 gebeten, die ambivalente Versorgungssituation vor Ort im Rahmen einer belastbaren Messung aufzuklären. An welchen Stellen stehen derzeit im Saarland Mobilfunkmasten und können diese ggf. aufgerüstet werden? Zu Frage 2: Ein bundesweites Mobilfunkmasten-Kataster wird zentral bei der Bundesnetzagentur geführt. Die Standorte der einzelnen Masten im Saarland stehen öffentlich zugänglich unter http://emf3.bundesnetzagentur.de/karte/Default.aspx zur Einsichtnahme bereit. Das Mobilfunknetz befindet sich in ständigem Wandel. Neben technischen Aufrüstungen bestehender Standorte, insbesondere im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit neuer Mobilfunktechnologien, können auch neue Standorte aufgebaut werden, oder bestehende Standorte gänzlich entfallen. Drucksache 16/340 (16/272) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Zur Erhöhung der Flächenabdeckung ist in erster Linie ein Aufbau zusätzlicher Funkstandorte zielführend. Sekundär kann auch die Ertüchtigung bestehender Standorte mit neuen Technologien bzw. Frequenzen die Flächenabdeckung verbessern. Hierzu stellen insbesondere die 2015 versteigerten (aber erst in den kommenden Monaten zur Nutzung verfügbaren) Frequenzen im 700-MHz-Bereich eine effektive Möglichkeit bereit , da diese physikalisch eine höhere Reichweite als die derzeit genutzten Frequenzen ermöglichen. Ist eine Aufrüstung vorgesehen? Zu Frage 3: Die einzelnen Sendeanlagen werden von den Mobilfunkbetreibern in eigenem Ermessen fortlaufend und in vielen Fällen sehr engmaschig optimiert. Neben einer steigenden Nachfrage sind gerade im ländlichen Raum vor allem die Versorgungsauflagen der Bundesnetzagentur Treiber der Entwicklung. Die Landesregierung steht hierzu mit den Netzbetreibern im Dialog, die im Laufe der kommenden Monate und Jahre eine deutliche Verbesserung der Mobilfunkversorgung auch in ländlichen Bereichen in Aussicht gestellt haben. Hierzu sollen sowohl neue Funkstandorte entstehen, als auch bestehende Standorte aufgerüstet werden. Ist es den Bürgern aller Ortsteile möglich zu jeder Zeit einen Notruf per Mobilfunk abzusetzen? Zu Frage 4: Im Falle eines Notrufes über die Rufnummer 112 ist gemäß § 4 Abs. 8 Nr. 2 NotrufV sichergestellt, dass die Verbindung bei Nichtverfügbarkeit des eigenen Netzes ersatzweise über ein verfügbares fremdes Netz aufgebaut wird. Daher ist ein Notruf möglich, falls mindestens eines der drei deutschen Mobilfunknetze verfügbar ist. Es ist zu beachten, dass die netzanbieterübergreifende Vermittlung eines Notrufes zwingend die Nutzung der Rufnummer 112 ohne Ortsvorwahl voraussetzt. Eine Erreichbarkeit beispielsweise des Hausarztes oder von Angehörigen setzt hingegen die Verfügbarkeit des eigenen Netzes voraus. Einschränkungen bezüglich der Erreichbarkeit des Notrufes sind vor diesem Hintergrund nur in anbieterübergreifenden Funklöchern zu erwarten. Die der Landesregierung vorliegenden Lücken sind in der Antwort zu Frage 1 beschrieben.