LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/364 (16/282) 30.04.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Dennis Lander (DIE LINKE.) betr.: Hartz-IV-Sanktionen gegen Familien mit Kindern Vorbemerkung des Fragestellers: „Von Oktober 2016 bis September 2017 wurden deutschlandweit rund 954.000 Sanktionen gegen Hartz-IV-Beziehende verhängt; rund ein Drittel davon , nämlich 310.000, betrafen Haushalte mit Kindern .“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Beantwortung der Anfrage stützt sich auf die statistische Berichterstattung zu Sanktionen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Bundesagentur für Arbeit. Grundlage sind die jeweils aktuellen Daten (Stand Februar 2018) mit einer Wartezeit von drei Monaten. Hinsichtlich der Abbildung der verhängten Sanktionen nach §§ 31 f. SGB II und deren Aufschlüsselung nach den jeweiligen Sanktionsgründen wird auf das Merkmal der „Neu festgesetzten Sanktionen“ (Sanktionsbewegungen) abgestellt. Durch die sachverhaltsspezifische Betrachtungsweise der Sanktionen ist es möglich, sanktionsbezogene Merkmale bzw. den Grund der einzelnen Sanktionen zu ermitteln. Dabei werden jeweils gleitende Jahressummen abgebildet. Diese umfassen, ausgehend vom aktuellen Berichtsmonat (im vorliegenden Fall November 2017), immer die letzten 12 Monate. Die Sanktionsquote für erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) setzt die Anzahl der ELB mit mindestens einer gültigen Sanktion zur Anzahl aller ELB in Beziehung. Wie viele Sanktionen wurden im vergangenen Jahr im Saarland gegen Hartz-IV-Beziehende insgesamt verhängt und aus welchen Gründen (bitte einzeln auflisten)? Zu Frage 1: Im Betrachtungszeitraum (Dezember 2016 bis November 2017) wurden im Saarland 10.470 Sanktionen verhängt. Ausgegeben: 30.04.2018 (08.03.2018) Drucksache 16/364 (16/282) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Darunter fallen im Einzelnen: Sanktionen aufgrund einer Weigerung zur Erfüllung der Pflichten der Eingliederungsvereinbarung : 578; Sanktionen aufgrund einer Weigerung zur Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme: 1.879; Sanktionen aufgrund von Meldeversäumnissen beim Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Jobcenter): 7.535; Sanktionen aufgrund von Meldeversäumnissen beim ärztlichen oder psychologischen Dienst: 99; Sanktionen aufgrund einer absichtlich herbeigeführten Verminderung von Einkommen oder Vermögen zur Herbeiführung der Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistungen nach dem SGB II: 16; Sanktionen aufgrund der Fortsetzung unwirtschaftlichen Verhaltens: 2; Sanktionen aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit oder Erlöschen des Anspruchs nach dem SGB III: 218; Sanktionen aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach dem SGB III: 143. Im Bundesvergleich (Sanktionen auf Bundesebene: 956.544) hat das Saarland einen Anteil an allen Sanktionen von 1,1 Prozent (zum Vergleich: Anteil Saarland an ELB liegt bei 1,5 Prozent). Die Anteile an den nach den einzelnen Gründen aufgegliederten Sanktionen sind nachfolgend Tabelle 1 zu entnehmen. Tabelle 1: Neu festgestellte Sanktionen nach Sanktionsgründen im Saarland sowie auf Bundesebene Merkmale abgebildet als gleitende Jahressummen / Anteile in Prozent Saarland Bund Anteil SL an allen Sanktionen Anzahl neu festgestellter Sanktionen 10.470 956.544 1,1 dar. Weigerung Erfüllung Pflicht der Eingliederungsvereinbarung 578 84.664 0,7 Weigerung Aufnahme/Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme 1.879 98.598 2,0 Meldeversäumnis beim Träger 7.535 736.398 1,0 Meldeversäumnis beim ärztlichen /psycholog. Dienst 99 6.567 1,5 Verminderung von Einkommen bzw. Vermögen 16 1.204 1,3 Fortsetzung unwirtschaftlichen Verhaltens 2 342 0,6 Eintritt einer Sperrzeit oder Erlöschen eines Anspruchs nach dem SGB III 218 16.686 1,3 Erfüllung der Voraussetzung für Eintritt einer Sperrzeit nach dem SGB III 143 12.084 1,2 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Stand März 2018 Gemessen an allen ELB im Saarland bedeuten die abgebildeten Werte eine Sanktionsquote von 2,5 Prozent. Bundesweit liegt diese Sanktionsquote bei 3,1 Prozent (siehe Tabelle 2). Drucksache 16/364 (16/282) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Tabelle 2: Sanktionsquote für ELB mit mindestens einer Sanktion im Saarland sowie auf Bundesebene Merkmale (Jahresdurchschnitt / Quote in Prozent) Saarland Bund Bestand aller ELB mit mindestens einer Sanktion 1.639 136.779 Sanktionsquote in Bezug auf alle ELB mit dem jeweiligen Merkmal 2,5 3,1 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Stand März 2018 Wie viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Beziehende trafen Familien mit Kindern? Wie viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Beziehende trafen Alleinerziehende? Zu den Fragen 2 und 3: Gegenüber Familien mit Kindern (Partner-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern) wurden im Betrachtungszeitraum 1.896 Sanktionen verhängt. Alleinerziehende Bedarfsgemeinschaften betrafen 1.409 Sanktionen. Insgesamt wurden demnach gegenüber Bedarfsgemeinschaften (BG) mit Kindern 3.305 Sanktionen verhängt. In Tabelle 3 sind für die o.a. BG-Typen die neu festgestellten Sanktionen nach den jeweiligen Sanktionsgründen abgebildet. Tabelle 3: Neu festgestellte Sanktionen nach Sanktionsgründen gegenüber ELB in ausgewählten BG-Typen Merkmale abgebildet als gleitende Jahressummen / Anteile in Prozent BG mit Kindern davon Partner-BG mit Kindern Alleinerziehenden- BG mit Kindern Anzahl neu festgestellter Sanktionen 3.305 1.896 1.409 dar. Weigerung Erfüllung Pflicht der Eingliederungsvereinbarung 184 141 43 Weigerung Aufnahme/Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme 536 377 159 Meldeversäumnis beim Träger 2.462 1.288 1.174 Meldeversäumnis beim ärztlichen /psycholog. Dienst 18 14 4 Verminderung von Einkommen bzw. Vermögen 7 5 * Fortsetzung unwirtschaftlichen Verhaltens * * - Eintritt einer Sperrzeit oder Erlöschen eines Anspruchs nach dem SGB III 50 37 13 Erfüllung der Voraussetzung für Eintritt einer Sperrzeit nach dem SGB III 46 32 14 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Stand März 2018 / * Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert geschlossen werden kann, anonymisiert. Drucksache 16/364 (16/282) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Wie steht die Landesregierung zur Sanktionierung von Familien mit Kindern? Zu Frage 4: Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) regelt sie Sicherung des Existenzminimums hilfebedürftiger Menschen. Dazu gehört die generelle Verpflichtung der Hilfeberechtigten zur Mitarbeit bei der Reduzierung ihrer Hilfebedürftigkeit. Das findet seinen Ausdruck im Prinzip des „Förderns und Forderns“. Danach sind alle ELB gehalten, aktiv an allen angemessenen Maßnahmen mitzuwirken, um ihre Hilfebedürftigkeit zu beenden oder zu verringern. Kommen die Leistungsberechtigten dieser Verpflichtung ohne wichtigen Grund nicht nach, treten Sanktionen ein, die eine stufenweise Kürzung bis hin zu einem – bei wiederholten Pflichtverletzungen – völligen Wegfall des Arbeitslosengeldes II zur Folge haben können (vgl. §§ 31 ff. SGB II). Die Betreuungspflicht von Eltern entbindet dabei grundsätzlich nicht von der Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Beendigung der Hilfebedürftigkeit. Allerdings gibt es in diesem Kontext Ausnahmeregelungen. Demnach sind Erziehende mit Kindern unter drei Jahren nicht verpflichtet, eine Arbeit aufzunehmen, wenn dies die Kindeserziehung gefährden würde (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II). Weiterhin sieht § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II vor, dass keine Pflichtverletzung vorliegt, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für sein Verhalten darlegt und nachweist. Ein wichtiger Grund kann in diesem Zusammenhang insbesondere die familiäre Situation sein. Aufgrund der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten, die individuellen Bedürfnisse von Familien mit Kindern im Regelungssystem des SGB II geltend zu machen, wird seitens der Landesregierung keine Notwendigkeit gesehen, weitere gesonderte Regelungen für Familien zu schaffen. Allerdings wird auch auf politischer Ebene eine Änderung hinsichtlich der Sanktionierung von jungen Menschen unter 25 Jahren diskutiert. Derzeit gelten für diesen Personenkreis verschärfte Sanktionsregelungen: Bei einer ersten Pflichtverletzung wird das Arbeitslosengeld II auf die Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei wiederholter Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig; auch die Kosten für Unterkunft und Heizung werden nicht mehr gezahlt. Zwar weisen einzelne Untersuchungen positive Effekte dieser Sanktionierungen nach und zeigen auf, dass sich Jugendliche offener für aktive Förderungen zeigen. Generell besteht aber doch die Gefahr , dass sich die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten und die Chancen hinsichtlich einer Arbeitsmarktintegration bei unter 25-Jährigen erheblich verringern, weil sie „verloren gehen“. Sanktionen können für diese Personengruppe auch einen über den Sanktionszeitraum hinausreichenden negativen Effekt haben. Vor diesem Hintergrund hat das Saarland auf Fachministerebene entsprechende Initiativen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz mit dem Ziel der Entschärfung der Sanktionsmaßnahmen für unter 25-Jährige und der Angleichung an die allgemein gültigen Sanktionsvorschriften unterstützt.