LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/39 (16/10) 21.06.2017 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Dennis Lander (DIE Linke.) betr.: Automatische Kennzeichenerfassung Vorbemerkung des Fragestellers: „2007 hat die Landesregierung das Polizeigesetz verschärft und der saarländischen Polizei unter anderem die Möglichkeit gegeben, eine automatische Erfassung von Kfz-Kennzeichen durchzuführen . 2008 hat das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zur automatischen Kennzeichenerfassung in Hessen und Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt, weil sie einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellten und gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstießen, da sie eine Datenerfassung auch ohne konkreten Anlass erlaubt hatten. 2012 wurde das Polizeigesetz geändert und die automatische Kennzeichenerfassung gestrichen. Der damalige CDU-Abgeordnete Günther Becker sagte am dazu am 29. August 2012: ‚Regelungen wie die automatisierte Kennzeichenerfassung können ohne Probleme aus dem Polizeigesetz gestrichen werden, da sie im Saarland nie zur Anwendung kamen. Zudem ist die bisherige Regelung verfassungsrechtlich bedenklich, da eine normenklare Definition nicht gegeben war.‘ Nun wollen CDU und SPD das Polizeigesetz erneut ändern, um ‚eine Stärkung der polizeilichen Befugnisse zum Einsatz von technischen Mitteln‘ zu erreichen. ‚Die Polizei sollte eine Befugnis zum Einsatz von automatischen Kennzeichnungslesesystemen (AKLS) erhalten‘, heißt es im Koalitionsvertrag. Die SPD-Abgeordnete Petra Berg hatte noch im Februar 2016 erklärt: ‚Die CDU hat 2012 beim Eintritt in die große Koalition einräumen müssen, dass die generelle Kennzeichenüberwachung im Saarland ein stumpfes Schwert der Kriminalitätsprävention darstellt, zumal die technischen Voraussetzungen wegen des Finanzmangels schon damals nie umgesetzt werden konnten.‘ “ Ausgegeben: 21.06.2017 (18.05.2017) Drucksache 16/39 (16/10) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung der Landesregierung: An dieser Stelle sei einführend der Hinweis erlaubt, dass der Gesetzgeber über die Verabschiedung eines Gesetzes und damit auch dessen Inhalt entscheidet, wenngleich der Landesregierung ein Initiativrecht zusteht. Es trifft zu, dass der Landtag des Saarlandes mit dem „Gesetz zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit im Saarland“ vom 12. September 2007 für die Vollzugspolizei unter anderem die Befugnis zum Einsatz automatisierter Kennzeichenlesesystem geschaffen hat. Das Bundesverfassungsgericht wiederum hat mit Urteil vom 11. März 2008, 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07, die hessische und die schleswig-holsteinische Regelung zur automatisierten Kennzeichenerfassung für nichtig erklärt. In der Zusammenfassung wurde dies mit den Eingriffen in das informationelle Selbstbestimmungsrecht , der fehlenden Bestimmtheit der Normen und dabei insbesondere der fehlenden Definition des Begriffs der „Fahndung“ begründet. An dieser Rechtsprechung mussten sich die seinerzeit existenten Landesregelungen messen lassen. Für das Saarland kam die Landesregierung zu dem Ergebnis, dass auch der seinerzeitige § 27 Absatz 3 des Saarländischen Polizeigesetzes dem Verdikt des Bundesverfassungsgerichts unterfiele. Da das Bundesverfassungsgericht in dem genannten Urteil auch die Kautelen für eine zulässige automatisierte Erfassung festgelegt hat, wird sich die Landesregierung in einer möglichen künftigen Gesetzesinitiative hieran und nicht an den verworfenen Regelungen orientieren. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass anders als 2007 dieses Mal die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung einer automatischen Kennzeichenerfassung trotz Finanzmangels getroffen werden können? Mit welchen Kosten rechnet die Landesregierung für Errichtung und Betrieb eines automatischen Kennzeichnungslesesystems? Zu den Fragen 1 und 2: Die Antworten zu den Fragen 1 und 2 werden aus Gründen des Sachzusammenhangs zusammengefasst. Eine detaillierte Planung kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgen, da es zum einen an der erforderlichen Regelung fehlt, welche den Umfang der zulässigen Technik bestimmt. Zum anderen bedürfte es in der Folge zur Vorbereitung der erforderlichen Ausschreibung einer Grobkalkulation der Kosten. Als Grundlage hierfür kämen etwa eine Länderumfrage oder eine Marktschau in Frage. Insoweit kann zu den das Saarland treffenden Kosten keine seriöse Einschätzung abgegeben werden. Einen ungefähren Hinweis kann jedoch die Begründung des „Gesetzes zur Verbesserung der Fahndung bei besonderen Gefahrenlagen und zum Schutz von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei durch den Einsatz von mobiler Videotechnik“, Bt-Drs. 18/10939, geben. Danach rechnet die Bundesregierung für die Anschaffung von 8 Systemen (inklusive Software) mit einmaligen Kosten in Höhe von ca. 800.000,-- €. Der jährliche Aufwand für die Wartung wird auf ca. 20.000 Euro (2,5 Prozent der Anschaffungskosten ) geschätzt. Dies umfasst auch die laufenden Kosten für den Transport der Systeme sowie die Ertüchtigung und den Unterhalt von Aufstellplätzen und Infrastruktur. Drucksache 16/39 (16/10) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Der jährliche rechnerische Vollzugsaufwand (Personalaufwand) beläuft sich laut Schätzung des Bundes auf ca. 55.000,-- Euro. Bei der Berechnung wurde ein anlassbezogener Einsatz der Systeme mit zwölf Einsatzanlässen pro Gerät angenommen. Aufgrund erster Erfahrungen aus den Bundesländern wurde eine durchschnittliche Einsatzdauer einschließlich Rüstzeiten von 5,5 Stunden mit zwei Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Besoldungsgruppe A9mZ zugrunde gelegt. Die das Saarland treffenden Kosten wären – die Verlässlichkeit der vorstehenden Schätzung angenommen - bei einer den hiesigen Bedarfen angepassten Ausstattung sowohl einmalig als auch laufend geringer. Sobald sich die gesetzgeberische Entscheidung über die Neueinführung automatisierter Kennzeichenlesesysteme abzeichnet, wird die Landesregierung im Entwurf des Haushaltsgesetzes haushalterisch entsprechende Vorsorge treffen, um sowohl die erforderlichen Geräte anschaffen zu können als auch die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Rechts auf informelle Selbstbestimmung und des Gebots der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden? Zu Frage 3: Die Landesregierung verweist zur Beantwortung dieser Frage auf die Vorbemerkung. Bei welchen „Gefahren für die öffentliche Sicherheit “ sollen Kfz-Kennzeichen konkret automatisch erfasst und abgeglichen werden? Zu Frage 4: Hierzu ist noch keine Festlegung erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem eingangs zitierten Urteil, RN 181ff, dem Landesgesetzgeber einen Entscheidungsspielraum zugestanden: Danach (stehen) „den Landesgesetzgebern (…) verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung , um eine im Rahmen ihrer Zuständigkeit verbleibende und sowohl hinreichend bestimmte als auch angemessene Eingriffsermächtigung zu schaffen. Für eine die Verhältnismäßigkeit wahrende Regelung der Voraussetzungen der automatisierten Kennzeichenerfassung scheidet ein weit gefasster Verwendungszweck beispielsweise dann nicht aus, wenn er mit engen Begrenzungen der Eingriffsvoraussetzungen kombiniert ist, wie es die derzeitige brandenburgische Regelung vorsieht. Möglich sind ferner Kombinationen von enger gefassten Zweckbestimmungen, die die Kennzeichenerfassung auf nicht eingriffsintensive Verwendungszwecke begrenzen, mit entsprechend geringeren Voraussetzungen für die Aufnahme in den Fahndungsbestand und die Voraussetzungen für den Erhebungsanlass.“ Eine grundrechtskonforme Lösung zu finden – so das Bundesverfassungsgericht – ist letztlich Aufgabe des Gesetzgebers.