LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/488 (16/7) 16.07.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des ehemaligen Abgeordneten Roland Theis (CDU) als ehemaliges Mitglied des Interregionalen Parlamentarierrates (IPR) (gemäß Art. 13 Abschnitt 4 der Internen Geschäftsordnung des IPR vom 13. Juni 1986), zuletzt geändert am 10. Juni 2011 und der Kommission für Innere Sicherheit, Katastrophenschutz und Rettungsdienste des IPR betr.: Schnelles Eingreifen bei vermissten Personen Vorbemerkung des Fragestellers: „Höhere Mobilität und offene Grenzen bieten sehr viele Vorteile, die insbesondere in den Grenzregionen und damit auch in unserer Großregion sehr geschätzt werden. Folge dessen sind aber auch grenzüberschreitende Phänomene, die sich in Fällen mit vermissten Personen besonders bemerkbar machen. Eine Sitzung der Kommission für Innere Sicherheit , Katastrophenschutz und Rettungsdienste des IPR zu diesem Thema hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen den Teilregionen der Großregion de facto sehr gut funktioniert über persönliche Kontakte, die Sicherheitsbehörden und das Gemeinsame Zentrum für Polizei- und Zollzusammenarbeit. Ausgegeben: 16.07.2018 (17.05.2017) Drucksache 16/488 (16/7) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Zur Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmen und Instrumente, die der Polizei im eigenen Land zur Verfügung stehen bei grenzüberschreitenden Fällen von vermissten Personen , um Informationen über die best practice in den jeweiligen Teilregionen sowie um Informationen über die bestehenden Probleme und mögliche Lösungen zu erhalten, die in einer Konferenz der Großregion zu der Thematik des schnellen Eingreifens bei vermissten Personen behandelt werden sollten, richten wir die folgende Interregionale Anfrage an den Gipfel und an die Exekutiven der Großregion: Vorbemerkung der Landesregierung: Die Bearbeitung von Vermisstensachen obliegt im Saarland der Vollzugspolizei aufgrund ihrer Zuständigkeit im Rahmen der Gefahrenabwehr sowie der Verfolgung von Straftaten. Neben der Beachtung der gesetzlichen Vorgaben existieren für Polizeibehörden Polizeidienstvorschriften (PDV), die bundeseinheitlich Vorgaben zur Bearbeitung unterschiedlicher polizeilicher Anlässe machen. Diese Regelwerke sind vielfach durch Landesteile ergänzt. Die Grundlage zur Vermisstensachbearbeitung im Saarland bildet die PDV 389 „Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“, für die auch ein Landesteil existiert. Diese Vorschrift enthält die Verpflichtung zur Aufnahme einer Vermisstenanzeige, zur Einleitung von Sofortmaßnahmen und zum Informationsaustausch. Darüber hinaus können bei der Bearbeitung von Vermisstensachen die PDV 384.1 „Fahndung“, die PDV 382 „Bearbeitung von Jugendsachen“ und die PDV 355 (SL) „Schengen-Handbuch für die saarländische Polizei“ zur Anwendung kommen. Nach der PDV 389 gelten Personen als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben, ihr Aufenthalt unbekannt ist und für sie eine Gefahr für Leib oder Leben angenommen werden kann, z. B. als Opfer einer Straftat, bei einem Unglücksfall, bei Hilflosigkeit oder Selbsttötungsabsicht . Minderjährige gelten in jedem Fall als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthalt unbekannt ist. Bei ihnen muss grundsätzlich eine Gefahr für Leib und Leben angenommen werden, solange Erkenntnisse oder Ermittlungen nichts anderes ergeben. Zur Entgegennahme einer Anzeige ist jede Polizeidienststelle verpflichtet. Nach der Anzeigenaufnahme trifft die Polizei alle Maßnahmen, die zur Feststellung des Verbleibs des Vermissten führen können, die Ursachen und Umstände des Vermisstseins klären und feststellen können, ob der/die Vermisste Opfer einer Straftat geworden ist. Die weitere Bearbeitung von Vermisstensachen erfolgt im Saarland grundsätzlich dezentral bei den regionalen Kriminaldiensten. In besonderen Fällen – wenn zum Beispiel der Verdacht eines Tötungsdelikts, Sexualdelikts oder einer Entführung – gegeben ist, wird der Sachverhalt zentral bei der Direktion 2 des Landespolizeipräsidiums (LPP) bearbeitet. Drucksache 16/488 (16/7) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Welche Instrumente stehen den Exekutiven zur Verfügung, wenn innerhalb des eigenen Hoheitsgebietes ein schnelles Eingreifen bei vermissten Personen von Nöten ist? Wie laufen die Verfahren im Einzelnen ab? Zu den Fragen 1 und 2: Die Frage 1 und die Frage 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Ein wesentliches Instrument bei der Suche nach vermissten Personen ist die Fahndung nach der Person. Die Polizeidienststelle, die die Vermisstenanzeige aufnimmt, veranlasst hierzu zunächst ohne zeitlichen Verzug die nationale Ausschreibung der vermissten Person im polizeilichen Informationssystem (INPOL). Die Daten der vermissten Person werden zusätzlich in die bundesweite Vermisstendatenbank VERMI/UTOT (Vermisste/unbekannte Tote/unbekannte hilflose Personen) übernommen . Daneben ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine europaweite Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) oder sogar für eine internationale Ausschreibung in der Interpol-Datenbank vorliegen. Für den Fall, dass die vermisste Person durch Sicherheitsbehörden oder im Rahmen anderer Anlässe kontrolliert wird, ist eine solche schnelle Ausschreibung von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus steht der Polizei für die Bearbeitung von Vermisstensachen eine Vielzahl von Maßnahmen/Instrumenten zur Verfügung. Als Rechtsgrundlage wird grundsätzlich das Saarländische Polizeigesetz (SPolG) herangezogen. Ist ein strafrechtlicher Anfangsverdacht gegeben, können unter der Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft zudem auch strafprozessuale Maßnahmen durchgeführt werden. Folgende Maßnahmen kommen in solchen Fällen insbesondere in Betracht: - Befragungen/Vernehmungen von Angehörigen, Freunden, Bekannten und sonstigen Bezugspersonen, ggf. auch von Tatverdächtigen, zwecks Erhebung von fahndungsrelevanten Informationen (z.B. Lichtbilder, Personenbeschreibung, letzte Sichtung, besondere Ereignisse, Reiseziele, mögliche Motivlage, Drogenabhängigkeit , kriminelle Verstrickung) - Durchsicht/Durchsuchung persönlicher Sachen wie beispielsweise Papiere, Aufzeichnungen , Computer - Aufsuchen/Absuche bekannter/bevorzugter Aufenthaltsorte - Ermittlungen bei Krankenhäusern, Jugendämtern, Flughäfen, Bahnhöfen, Taxiunternehmen und im öffentlichen Personenverkehr - Feststellung mitgeführter Mobiltelefone, vorhandener Accounts in sozialen Netzwerken oder E-Mail-Accounts - Internetrecherchen (Einsicht in Profile und Chatprotokolle, Standortmitteilung in sozialen Netzwerken) - Lokalisierung mitgeführter Mobiltelefone (Handyortung, Verkehrsdatenerhebung) - Durchführung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen - Initiierung von internen und öffentlichen Fahndungsmaßnahmen (Funkfahndung, Öffentlichkeitsfahndung in den Medien) - Hinzuziehung von Spezialkräften zur Absuche bestimmter Örtlichkeiten (Hubschrauber , Bereitschaftspolizei, Durchsuchungskräfte, Taucher, Feuerwehr, THW, Hundestaffel) - Hinzuziehung kriminalpolizeilicher Fachdienststellen (z.B. beim Verdacht auf das Vorliegen eines Tötungsdelikts, Sexualdelikts oder einer Entführung) - Maßnahmen zur späteren Identifizierung (u.a. Beschaffung von DNA- Vergleichsmaterial) Drucksache 16/488 (16/7) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Werden die Instrumente genutzt? Zu Frage 3: Gewisse Standardmaßnahmen wie Befragung und Ausschreibung werden grundsätzlich bei der Bearbeitung aller Vermisstenverfahren durchgeführt. Ob weitere bzw. weitergehende Maßnahmen angewandt werden, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab und steht im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei oder in der Verantwortung der Staatsanwaltschaft. Offenbaren sich Schwachstellen, an denen der Gesetzgeber nachjustieren sollte? Zu Frage 4: Grundsätzlich sind die Instrumente, welche der Gesetzgeber der saarländischen Polizei im Rahmen der Strafprozessordnung (StPO) und des SPolG an die Hand gibt, für die Bearbeitung von Vermisstensachen ausreichend. Zurzeit wird geprüft, ob sich gegebenenfalls Optimierungsmöglichkeiten im saarländischen Polizeigesetz ergeben. Gibt es Erfahrungen mit grenzüberschreitenden Fällen von vermissten Personen? Zu Frage 5: Ja. Die meisten Vermisstenverfahren haben zwar keinen grenzüberschreitenden Bezug . In den vergangenen Jahren haben sich jedoch insbesondere die Fälle gemehrt, bei denen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, nachdem sie im Saarland als Asylbewerber aufgenommen wurden, in andere europäische Staaten gereist sind. Besondere Problemstellungen bei der Bearbeitung solcher grenzüberschreitender Vermisstensachen sind hier jedoch nicht bekannt geworden. Wie ist bei grenzüberschreitenden Fällen das Verfahren geregelt? Zu Frage 6: Liegen Hinweise vor, dass sich die vermisste Person im Ausland aufhält, ist von der aufnehmenden oder sachbearbeitenden Dienststelle unverzüglich die Direktion LPP 2 zu informieren. Das dort eingerichtete Dezernat LPP 241 - Internationale Polizeiliche Zusammenarbeit - veranlasst die notwendigen Maßnahmen. Grundsätzlich werden Ersuchen ins Ausland über das Bundeskriminalamt (BKA) als nationale Koordinierungsstelle geleitet. In geeigneten Fällen wird das Ersuchen jedoch auch unmittelbar an die beteiligten Polizei- und Sicherheitsbehörden im Ausland gerichtet. Dies gilt beispielsweise für solche Fälle, in denen Hinweise auf einen konkreten Aufenthaltsort der vermissten Person in einem sog. „Schengenstaat“ vorliegen. Hier wird sich das Dezernat LPP 241 unmittelbar mit der zuständigen ausländischen Polizeidienststelle in Verbindung setzen, um auf diese Weise unaufschiebbare Maßnahmen zu initiieren. Rechtsgrundlagen hierfür sind das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), der Vertrag von Prüm sowie ggf. bestehende bilaterale Polizeiverträge . Die Einbindung des BKA wird durch das Dezernat LPP 241 gewährleistet. Drucksache 16/488 (16/7) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Zudem ist in solchen Fällen – wie bereits oben ausgeführt – von zentraler Bedeutung, ohne zeitlichen Verzug eine Ausschreibung im SIS oder gar in der INTERPOL- Datenbank zu veranlassen. Wie reagiert die Polizei auf grenzüberschreitende Anfragen? Zu Frage 7: Wird eine Person im Ausland vermisst, deren Aufenthalt in Deutschland vermutet wird, stellt die ausländische Polizeibehörde ein entsprechendes Ersuchen an das BKA. Dort werden alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet und koordiniert. Ergeben sich Hinweise auf den konkreten Aufenthaltsort, wird ein Ersuchen über das jeweilige Landeskriminalamt an die örtlich zuständige Polizeidienststelle gestellt. Die Ergebnisse der Ermittlungen werden wiederum auf dem gleichen Weg an das BKA übermittelt. Von dort wird die anfragende ausländische Dienststelle informiert. In geeigneten Fällen ist jedoch – wie bereits oben beschrieben - der direkte Kontakt mit der zuständigen Dienststelle vor Ort möglich, insbesondere bei zeitlicher Dringlichkeit . Zur Unterstützung in solchen Fällen können die Gemeinsamen Zentren für die Polizei- und Zollzusammenarbeit (GZPZ) in Anspruch genommen werden. Bei der saarländischen Vollzugspolizei wird in der Regel in solchen Fällen die Führungs- und Lagezentrale (FLZ) das Ersuchen entgegennehmen und die betroffenen Dienststellen umgehend informieren, welche wiederum die erforderlichen Maßnahmen in die Wege leiten und das Ergebnis ihrer Ermittlungen der anfragenden ausländischen Dienststelle zurückmelden. Auch in solchen Fällen ist jedoch sicherzustellen, dass das BKA über das Polizeiliche Rechtshilfeersuchen in Kenntnis gesetzt wird.