LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/491 (16/396) 14.08.2018 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dagmar Ensch-Engel (fraktionslos) und Ralf Georgi (DIE LINKE.) betr.: Windpark Sitzerath Vorbemerkung der Fragesteller: „Das Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz (LUA) hat am 27. Dezember 2016 dem Investor eine Genehmigung zur Errichtung von 3 Windrädern erteilt, bei der es umfangreiche Nebenbestimmungen (Auflagen) gab. Einen Monat später wurde des Investors Widerspruch dagegen erhoben , zwei Monate später, im März 2017 wurde der Widerspruch inhaltlich präzisiert, der Investor zeigte sich mit sehr vielen Auflagen nicht einverstanden . Im September 2017 hat das LUA das Verfahren ans Umweltministerium abgegeben. Am 16. Oktober 2017 bat der Investor das Ministerium darum, noch nicht zu entscheiden, da noch eine weitere Stellungnahme folgen würde. Am 22. Dezember beantragte der Investor Akteneinsicht und kündigte eine weitere Widerspruchsbegründung an. Am 9. Januar 2018 bestätigte das Ministerium dem Investor , dass mit einem Bescheid gewartet werde. Am 23. Januar 2018 beantragte der Investor plötzlich eine vorgezogene Entscheidung bzgl. zweier Auflagen. Am 28. Februar 2018 hob das Umweltministerium mit einem Teilwiderspruchsbescheid zwei Auflagen des ursprünglichen Genehmigungsbescheides des LUA vom 27. Dezember 2016 wieder auf.“ Ausgegeben: 14.08.2018 (09.05.2018) Drucksache 16/491 (16/396) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Warum hat das LUA das Verfahren erst ein halbes Jahr später ans Umweltministerium als übergeordnete Stelle abgegeben? Zu Frage 1: Zur Bearbeitung des Widerspruchs war die Einholung einer Reihe von umfänglichen fachtechnischen Stellungnahmen erforderlich. Diese wurden im vorgeschriebenen Abhilfeverfahren durch das LUA als Ausgangsbehörde eingeholt. Das Umweltministerium weist in seinem Teilwiderspruchsbescheid vom 28. Februar 2018 hinsichtlich des Schutzes der Wildkatze daraufhin, dass die störungsempfindlichste Phase von Wildkatzen zwischen März bis September sei. Im Idealfall sollte man zwischen Anfang März bis Ende Juni überhaupt nicht bauen. Es käme aber vor allem auf die Nachtzeit an. Von daher sieht das Ministerium einen „Kompromiss“ darin, den Investor tagsüber bauen zu lassen, dies sei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geschuldet. a) Gab es im Vorfeld der Entscheidung des Ministeriums vom Februar 2018 zum Antrag des Investors fachliche Stellungnahmen des LUA als dem Ministerium nachgeordnete Behörde? Falls ja: Warum hat das LUA ihre Auflage beispielsweise zum Schutz der streng geschützten Wildkatze abgeändert? Zu Frage 2 a): Im Rahmen der UV-Ausschusssitzung am 27.04.2018 wurde über die Gründe des Teilwiderspruchsbescheids bzgl. der Nebenbestimmungen zu einer Genehmigung zur Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen „Benkelberg“ in Sitzerath berichtet. Das LUA hat im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bezüglich der angegriffenen Nebenbestimmungen 15 und 16 im Bescheid vom 27.12.2016 in einer Stellungnahme an die Widerspruchsbehörde einen Vorschlag für eine Teil-Abhilfe unterbreitet. Dieser wurde wie folgt begründet: Die störungsempfindlichste Phase für die Wildkatze sind die ersten Wochen der Jungenaufzucht. Als insgesamt relevant im Sinne des Artenschutzes ist die Zeit zwischen März bis September (einschließlich Spätwürfen) zu betrachten. Im Idealfall sollte die Zeit zwischen Anfang März und Ende Juni vollständig von Bautätigkeiten freigehalten werden. Es kommt allerdings dabei vor allem auf die nächtlichen Aktivitätsphasen der Wildkatze an. Insofern ist die Beschränkung auf tageszeitliche Bautätigkeit während dieser besonders kritischen Periode ein tragfähiger Kompromiss zwischen dem öffentlich-rechtlichen Zulassungserfordernis, den Zugriffsverboten des § 44 BNatSchG und einer dennoch möglichen Durchführung der zur Errichtung der Windenergieanlagen erforderlichen Bautätigkeiten. Drucksache 16/491 (16/396) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Wie verträgt sich der vom Umweltministerium gefundene „Kompromiss“ - nämlich den Investor auch tagsüber zwischen Februar und Juni während der Aufzuchtzeit bauen zu lassen - mit dem Schutz der Wildkatze (Felis silvestris silvestris) einer der seltensten einheimischen Säugetierarten (in der Roten Liste Deutschland (2009) als stark gefährdet eingestuft) mit §1, §7 Abs. 2 Nr. 13 und 14, § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), der Berner Konvention (1979, Anhang II, streng geschützt) und der europäischen Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie (1992, FFH-Anhang IV) ? Zu Frage 2 b): Zur Einlassung bezüglich der „Seltenheit“ sind naturschutzfachliche und -rechtliche Sachverhalte mit Bezug auf die konkrete Frage vermischt worden. Der Grad der Seltenheit einer Art per se definiert noch nicht deren Schutzstatus mit Bezug auf die Zugriffsverbote des § 44 BNatSchG. Hier sind vielmehr die §§ 7 Abs. 2 Nr. 13 u./o. 14 BNatSchG zu berücksichtigen bzw. – wie korrekt angegeben – die Aufnahme einer Art in die Anhänge II u. IV der FFH-Richtlinie (deren europarechtliche Regelungen wiederum u.a. in den Zugriffsverboten des § 44 BNatSchG ihren Niederschlag im nationalen Recht gefunden haben). Jenseits des unbedingt erforderlichen Ausschlusses nächtlicher Bautätigkeiten während des besonders relevanten Zeitraums zwischen März und Juli, gewährleistet die Beschränkung zeitgleicher Bauarbeiten auf maximal zwei Anlagen (wie von der Widerspruchsführerin vorgeschlagen), dass das den Störungen ausgesetzte Areal in einem artenschutzrechtlich vertretbaren Umfang gehalten wird. Die Wildkatze ist in Deutschland nach der aktuellen Fassung der Roten Liste der Säugetiere gefährdet und nicht wie in der Anfrage dargestellt, stark gefährdet. Eine veröffentlichte aktuelle Rote Liste der Säugetiere des Saarlandes auf Grundlage der aktuell akzeptierten Bewertungskriterien liegt nicht vor. Die Datengrundlage reicht jedoch für eine Kriterieneinschätzung und eine Gefährdungsanalyse aus, die das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz an dieser Stelle selbst vornehmen kann. Die Gefährdungsanalyse besteht aus der Einschätzung der Kriterien „aktuelle Bestandssituation“, „langfristige und kurzfristige Bestandstrends“ und „Risikofaktoren“. Die Wildkatze ist im Saarland mäßig häufig. Gemessen am natürlichen Vorkommen ist der langfristige Bestandstrend sicher negativ, der kurzfristige Bestandstrend ist deutlich positiv. Erkennbare Risikofaktoren (Faktoren, die über das jetzt bekannte Maß hinaus wirken und ihre Wirkung erst in der Zukunft entfalten) gibt es nicht. Aufgrund der vorgenannten Kriterien resultiert für das Saarland der Gefährdungsgrad ungefährdet. Auch beim turnusmäßig alle sechs Jahre zu erstellenden Bericht zum Zustand der Arten und Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie kommt die Landeseinschätzung zu dem Ergebnis, dass die Wildkatze im Saarland einen günstigen Erhaltungszustand (FV=favourable) hat. Darüber hinaus wurde der Antragstellerin des o.g. Windenergie-Vorhabens aufgegeben , mehrere so genannte Wildkatzenburgen zu errichten. Wildkatzenburgen sind aus Gehölzteilen (Baumstümpfe, Teile von Baumstämmen) aufgebaute, mit Reisig überdeckte halbrunde Strukturen im Wald, die als Tages-Einstände für Wildkatzen- Individuen sowie ggf. als Fortpflanzungsstätte i.S.d. § 44 Abs.1 Nr. 3 BNatSchG fungieren und einer Aufwertung des natürlichen Lebensraums der Art mit Habitatrequisiten dienen. Drucksache 16/491 (16/396) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Die Methode ist einschlägig erprobt und zeigt erfahrungsgemäß eine hohe Erfolgsquote bezüglich der Annahme durch die Tiere. Wildkatzenburgen werden alternativ auch als „Geheckplätze“ bezeichnet. Durch diese (mittlerweile auch behördlich abgenommene ) Maßnahme wird zugleich den Anforderungen des § 44 Abs. 5 BNatSchG entsprochen . Welche Maßnahmen wurden zu welchem Zeitpunkt bzgl. des durch Anwohner beim LUA und beim Umweltministerium gemeldeten Verstoßes gegen die Auflagen des Genehmigungsbescheides der Windenergieanlagen in Sitzerath mit welchem Ergebnis eingeleitet? Zu Frage 2 c): Im LUA sind in 2018 drei Beschwerden bzw. SUIG-Anfragen von Anwohnern aus Sitzerath aktenkundig, in denen der Baubeginn bzw. Rodungen und die noch nicht umgesetzte Realisierung von Wildkatzenburgen bemängelt wurden. Die Beschwerdeführer hatten ggfls. zum Zeitpunkt der Anfragen noch keine Kenntnis über den Teilwiderspruchsbescheid vom 28.02.2018. Die Bautätigkeiten zur Tagzeit waren in Konsequenz dieses Bescheides nicht zu ahnden. Die Wildkatzenburgen sind rechtzeitig realisiert worden und zwischenzeitlich durch die ökologische Baubegleitung abgenommen. Der Abteilung technischer Umweltschutz im MUV sind keine Beschwerden von Anwohnern bekannt. Wie im Umweltausschuss des saarländischen Landtages kürzlich bekannt wurde, hat sich der Investor mit der Nicht-Genehmigung der vierten Windenergie-Anlage in einer Wasserschutzzone II (engeres Schutzgebiet) nicht abgefunden und Widerspruch eingelegt. Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen und wie werden die betroffenen Einwohner Sitzeraths über das Ergebnis dieser Entscheidung informiert? Sollte diesem Einspruch stattgegeben werden: welche Möglichkeiten haben die betroffenen Einwohner vor Ort, sich gegen diese Entscheidung zu wehren? Zu Frage 2 d): Die Entscheidung über den Widerspruch der Fa. Geres gegen die Genehmigung umfasst nicht nur die Ablehnung der Anlage im Wasserschutzgebiet. Da es sich um einen komplexen Sachverhalt handelt, ist noch nicht absehbar, wann mit einer endgültigen Entscheidung im Widerspruchsverfahren gerechnet werden kann. Grundsätzlich wird ein Widerspruchsbescheid Dritten gegenüber nur bekanntgegeben, wenn dieser eine erstmalige Beschwer enthält. Sollten Dritte erstmalig die Verletzung drittschützender Normen durch einen Widerspruchsbescheid geltend machen, können sie gegen den Widerspruchsbescheid Klage erheben. Drucksache 16/491 (16/396) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Sitzerath (Gemeinde Nonnweiler) ist aufgrund der Grenzlage von mehreren Windparkprojekten unmittelbar betroffen: Windpark Wadrill (3 WEA), Windpark Benkelberg (3 WEA), Windpark Grimburg (4 WEA), Windpark Gusenburg-Süd (4 WEA). aa) Können die Lärmgrenzwerte in Sitzerath dabei eingehalten werden? Zu Frage 2 e) aa): Der Tatsache, dass die Errichtung und der Betrieb des neuen Windparks Sitzerath mit Bescheid vom 27.12.2016 genehmigt wurde, ist zu entnehmen, dass die einschlägigen Richtwerte der TA Lärm für relevante Immissionsorte (auch in Sitzerath) nach einer vorgelegten Lärmprognose eingehalten werden. Dies ist durch Abnahmemessung innerhalb von 12 Monaten nach Inbetriebnahme der Anlagen nachzuweisen. Gab es eine vollumfängliche Umweltverträglichkeitsprüfung , die die summativen und kumulativen Wirkungen auf die Fauna und die windenergiesensiblen Arten untersucht hat? Wurden bei der Genehmigung des Windparks Sitzerath die aufgeführten angrenzenden Windparks mit berücksichtigt ? Zu Frage 2 e) bb): Für die beantragte Erweiterung des Windparks „Benkelberg“ in Sitzerath wurde keine vollumfängliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Gemäß der Anlage 1 zum UVPG war wegen der kumulativen Wirkung mit den bereits bestehenden Windenergieanlagen in Grimburg lediglich eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3c Satz 1 i.V.m. Nr. 1.6.2 Anlage 1 UVPG erforderlich. Die erforderliche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls hat das LUA unter Berücksichtigung aller Prüfkriterien durchgeführt und kam zu dem Ergebnis, dass durch die vom Vorhabenträger beschriebenen und bei der Antragstellung zu beachtenden Vermeidungs - und Verminderungsmaßnahmen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen offensichtlich ausgeschlossen werden. Für die geplante Erweiterung des Windparks „Benkelberg“ in Sitzerath war somit keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. Die angrenzenden Windenergieanlagen wurden bei der Genehmigung des Windparks Sitzerath berücksichtigt. Wie viele Windenergieanlagen im Umkreis einer Gemeinde sind aus Sicht der Landesregierung für die dort lebende Bevölkerung zumutbar? Zu Frage 2 e) cc): Diese Frage kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Maßstab für die Genehmigungsfähigkeit von WEA (auch im Umfeld bereits vorhandener Anlagen) ist immer der § 6 BImSchG, der die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung formuliert . Hier ist insbesondere der Hinweis auf § 5 BImSchG (dort v. a. Abs. 1 Nr. 1) von Belang. Von den Anlagen dürfen keine „schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile und erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft“ ausgehen. Drucksache 16/491 (16/396) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 6 - Bzgl. einer Konkretisierung der Erheblichkeit von Lärmemissionen sind die jeweils einschlägigen Regelungen bzw. Richtwerte der TA Lärm heranzuziehen.