LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/516 (16/485) 20.08.2018 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dagmar Ensch-Engel (fraktionslos) betr.: Windpark Pfaffenkopf Vorbemerkung der Fragestellerin: „Die Errichtung des Windparks Pfaffenkopf (Saarbrücken /Riegelsberg) befindet sich im laufenden Genehmigungsverfahren (Drucksache 16/432). In einer Antwort der Landesregierung (Drucksache 15/1981) heißt es, dass Mindestabstände von Windenergieanlagen zu Verkehrswegen und Gebäuden zur Gefahrenabwehr bei zu unterstellendem Eisabwurf festgelegt sind. Als Abstände sind lt. Liste der technischen Baubestimmungen bzw. ‚Richtlinie für Windenergieanlagen‘ größer als 1,5 x (Rotordurchmesser plus Nabenhöhe) im Allgemeinen als ausreichend gefordert. In Ausnahmefällen kann dieser Abstand auf ein Mindestmaß der einfachen Anlagenhöhe reduziert werden, in jedem Fall sind aber Abstände zu Verkehrswegen nach § 9 Abs.1 u. 2 FStrG und § 24 Abs.1 SaarlStrG einzuhalten. Am Beispiel des im Genehmigungsverfahren befindlichen Windparks Pfaffenkopf zeigt sich jedoch folgender Sachverhalt: Es gibt zwei geplante Anlagen , die den oben genannten ‚Ausnahme- Mindestabstand‘ der einfachen Höhe unterschreiten : WEA 07 an der Autobahn A 1 (0,7facher Abstand ) und WEA 01 an der viel befahrenen Landstraße L 272 (0,36facher Abstand), d.h. hier würde z.B. der Abstand vom Mastfuß bis zum Straßenrand 74 m, also von der Rotorspitze bis zum Straßenrand nur 16 Meter betragen. Mit der Zustimmung des LfS (Landesbetrieb für Straßenbau) zu diesen Abständen bleibt die oben genannte Liste der technischen Baubestimmungen mit den Richtlinien für Windenergieanlagen unberücksichtigt.“ Ausgegeben: 20.08.2018 (26.06.2018) Drucksache 16/516 (16/485) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Wurde Brandschutz vollumfänglich (Bauwerk + Umfeld, Anfahrt, Löschwasserversorgung und Sicherheitszonen usw.) derjenigen zwei WEAn des Windparks Pfaffenkopf im Genehmigungsverfahren geprüft, für die der Regionalverband Saarbrücken zuständig ist? Wenn ja, von wem und mit welchem Ergebnis? Zu Frage 1: Gegenstand der Antragsunterlagen ist ein schutzzielorientiertes Brandschutzkonzept (gem. § 11 BauVorlVO) des Herrn Dipl.-Ing. Hanns Helge Janssen, eines anerkannten Sachverständigen für die Prüfung des Brandschutzes. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wurde die UBA des Regionalverbandes Saarbrücken (UBA RVS) zu den beiden Windenergieanlagen WEA 05 und WEA 06 (Gemeinde Riegelsberg) gehört. Dass von dort das zitierte Brandschutzkonzept geprüft wurde, kann der Tatsache entnommen werden, dass in der Stellungnahme der UBA RVS vom 08.11.2016 die Auflage formuliert wurde, dass das Konzept Bestandteil des Bauscheines ist und daher vollumfänglich umgesetzt werden muss. Zudem seien die brandschutztechnischen Mindestanforderungen gemäß den §§ 27 bis 37 LBO einzuhalten. In § 9 Abs. 1 und 2 FStrG (Bundesfernstraßengesetz ) sind 40 Meter Abstand zu Autobahnen und 20 Meter Abstand zu Bundesstraßen notwendig. In § 24 Abs. 1 SaarlStrG (Saarländisches Straßengesetz ) werden bei Landstraßen 1. Ordnung 20 Meter Abstand, bei Landstraßen 2. Ordnung 15 Meter Abstand gefordert. In den o.a. Gesetzen handelt es sich allerdings um definierte Abstände zu Verkehrswegen von Hochbauten und nicht Sonderbauten, wie WEAn. Lediglich in der Liste der technischen Baubestimmungen / Richtlinie für Windenergieanlagen werden ausdrücklich Windenergieanlagen behandelt. Dort ist der Ausnahmemindestabstand zu Straßen mit der einfachen Höhe (hier 207 m) definiert. Weicht damit also die geläufige Genehmigungspraxis von der Antwort der Landesregierung (Drucksache 15/1981) auf meine Anfrage ab? Zu Frage 2: Die Landesregierung bestätigt hiermit die Aussagen aus der Drucksache 15/1981, dass im Allgemeinen Abstände (Abstand vom Fahrbahnrand bis zur waagrechten Rotorspitze ) größer als das 1,5-fache der Anlagenhöhe (Rotorradius plus Nabenhöhe) als ausreichend gefordert und zu klassifizierten Straßen im Bereich der saarländischen Straßenbauverwaltung angewendet werden. Drucksache 16/516 (16/485) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Bei Unterschreitung dieser Abstände in Ausnahmefällen wird eine Prüfung des Standortes mittels Gutachten gefordert, in dem als Grundvoraussetzung die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet sein müssen. Zudem wird in diesen Ausnahmefällen die Zulässigkeit der Unterschreitung dieser Abstände im Einzelfall im Genehmigungsverfahren an Nebenbestimmungen gekoppelt. Jedoch sind die Mindestabstände nach dem § 9 Abs.1 u. 2 FStrG (Bundesfernstraßengesetz ) und dem § 24 Abs.1 SaarlStrG (saarländisches Straßengesetz) in jedem Fall einzuhalten. Abweichend zu der Antwort in der Drucksache 15/1981 gibt es hierbei jedoch keinen Mindestwert wie die einfache Anlagenhöhe. Bei der Risikobeurteilung der WEA 7 bzgl. „Eisfall“ und „Rotorblattbruch“ des TÜV Nord EnSys GmbH & Co. KG wurde vermerkt, dass die an den Wald angrenzende Saarbahn-Trasse bei der genehmigungsrelevanten Untersuchung des Eisfallrisikos aufgrund einer „Unbedenklichkeitserklärung“ der Saarbahn nicht berücksichtigt wurde. Auf welcher Grundlage konnte diese „Erklärung“ an wen abgegeben werden? Genügt sie den gesetzlichen bzw. fachlichen Anforderungen? Hätte der TÜV Nord diese Untersuchung nicht selber durchführen müssen? Zu Frage 3: Im laufenden Genehmigungsverfahren hat das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) diese Erklärung alleine nicht akzeptiert. Daher wurde die entsprechende Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für die Saarbahn, das Ministerium für Wirtschaft , Arbeit, Energie und Verkehr (MWAEV) um Stellungnahme gebeten. In der Stellungnahme vom 09.02.2018 äußert sich das MWAEV dergestalt, dass das LUA im Genehmigungsverfahren den Empfehlungen des Eisenbahnbundesamtes (EBA) folgen sollte. Das EBA empfiehlt in Anlage Ei 2.7/3 zur Richtlinie „Windenergieanlagen; Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung" in der „Eisenbahnspezifischen Liste Technischer Bestimmungen (ELTB)" (siehe auch: www.eba.bund.de/DE/RechtRegelwerk/Verwaltungsvorschriften/ELTB/eltb_node.html) derzeit einen Abstand von Windkraftanlagen zu Gleisanlagen in Höhe des zweifachen Rotordurchmessers - mindestens aber die Gesamtanlagenhöhe - und zu Bahnstromfernleitungen , wegen möglicher Beeinflussung der Luftströmung, in Höhe des dreifachen Rotordurchmessers. Das EBA betont dabei ausdrücklich den nicht in jedem Falle verbindlichen Charakter dieser Empfehlung; Abweichungen und damit Unterschreitungen dieser Abstandsempfehlungen auf Basis von Gutachten (wie z. B. Risikobetrachtungen) sind möglich und werden in der Verantwortlichkeit der jeweiligen Genehmigungsbehörde gesehen. Das LUA legt die gutachterlichen Befunde und Risikoeinschätzungen zur WEA 01 wegen deren geringen Abstand zur L 272 in analoger Weise bei der WEA 07 zugrunde und wird auf dieser Basis über die Genehmigungsfähigkeit entscheiden. Drucksache 16/516 (16/485) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Für die Risikobeurteilung "Eisfall/ Rotorblattbruch" am Beispiel des Windparks Pfaffenkopf wurden Zahlen aus der Verkehrsmengenkarte von 2012 verwendet. Mittlerweile liegen jedoch Zahlen von der Verkehrszählung aus 2015 (Verkehrsmengenkarte 2017) vor, demnach ist das Verkehrsaufkommen gestiegen. Wird die Risikobeurteilung aufgrund der aktuellen Zahlen beim noch nicht genehmigten Windpark Pfaffenkopf korrigiert? Zu Frage 4: Das Ausmaß der Steigerung des gesamten Verkehrsaufkommens gegenüber der Zählung aus 2010 (publiziert 2012) an den relevanten Zählstellen auf der L 270 (2 Zählstellen : 1,3% bzw. 3,6%), der L 272 (1 Zählstelle: 15,1%) und der BAB A1 (3 Zählstellen : 9,4% bzw. 7,1% bzw. 9,9%) bewegt sich in einer Größenordnung, die keinen nennenswerten Einfluss auf die gutachterliche Abschätzung des Individual- und Kollektivrisikos hat. Eine Korrektur der Risikobetrachtung ist nach Einschätzung der Genehmigungsbehörde (LUA) nicht erforderlich. In der ersten Stellungnahme des LfS vom 27.06.2016, in dem auch Zusatzgutachten wegen der unterschrittenen Straßenabstände angefordert wurden, heißt es zudem, dass "topografische Gegebenheiten (Kuppen, Wannen, Kurven und Knotenpunkte ), die eine optische Wahrnehmung auf sich ziehen können und eine erhöhte Konzentration des Verkehrsteilnehmers erfordern, „in die Betrachtung einzubeziehen" sind. Das Zusatzgutachten enthält diese Betrachtung nicht. Warum nicht? Zu Frage 5: Der Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) hat in der Summe seiner Stellungnahmen gegen keine der Anlagen (z. T. unter Berücksichtigung der vom TÜV Nord empfohlenen risikomindernden Maßnahmen) Bedenken geäußert. Eine besondere „optische Wahrnehmung“ ist im vorliegenden Fall, wenn man den Vergleichsmaßstab „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ zur Bewertung an bereits genehmigte, im Betrieb befindliche Anlagen anlegt, nicht auszumachen und daher auch nicht Gegenstand im Gutachten. Drucksache 16/516 (16/485) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Wird in laufenden Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen im Saarland inzwischen einheitlich das Interimsverfahren für Schallprognosen angewandt? Da dieses der aktuellen Rechtsprechung sowie anerkannt dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht - wie wird im Saarland bei Anlagen verfahren, die bereits genehmigt , im Bau befindlich oder bereits in Betrieb sind? Zu Frage 6: Der Ministerrat hat sich am 22. Mai 2018 mit den Hinweisen zum Schallimmissionsschutz (Interimsverfahren) der Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom 30.06.2016 und seine Anwendung im Rahmen der Abnahme- und Überwachungsmessungen beschäftigt und folgenden Beschluss gefasst: 1. Der Ministerrat nimmt die möglichen Auswirkungen der Anwendung der Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (Interimsverfahren) der Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom 30.06.2016 zur Kenntnis. 2. Der Ministerrat nimmt die beabsichtigte Vorgehensweise des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz zur Kenntnis, a) bei laufenden und zukünftigen Genehmigungs- sowie Widerspruchsverfahren das Interimsverfahren anzuwenden, b) bei Bestandsanlagen bei Abnahme- und Überwachungsmessungen das Verfahren anzuwenden, das der Prüfung im Genehmigungsbescheid zugrunde lag (Alternatives Verfahren). Nach dem Beschluss des Ministerrats sind demzufolge bei den bereits im Genehmigungsbescheid festgelegten Abnahmemessungen zur Überprüfung des genehmigungskonformen Betriebs von Bestandsanlagen Ausbreitungsrechnungen analog dem der Genehmigung zugrunde liegenden Verfahren durchzuführen, sofern eine Messung nicht möglich ist. Auch im Falle von Überwachungsmessungen zur Überprüfung des genehmigungskonformen Betriebs von Bestandsanlagen, die anlassbezogen in Erwägung zu ziehen sind, sind Ausbreitungsrechnungen nach dem der Genehmigung zugrunde liegenden Verfahren durchzuführen, sofern eine Messung nicht möglich ist. Unter Bestandsanlagen werden dabei alle diejenigen Anlagen verstanden, die zum Zeitpunkt des Beschlusses des Ministerrates über eine bestandskräftige Genehmigung verfügen. Das Thema der Anwendbarkeit des Interimsverfahrens ist - entgegen der Annahme in der Anfrage - in der Rechtsprechung uneinheitlich bewertet (vergleiche hierzu bspw. VG Arnsberg, Urteil vom 17.10.2017 - 4 K 2130/16, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof , Beschluss vom 07. Mai 2018 – 22 ZB 17.2032, VG Düsseldorf, Urteil vom 01. März 2018 – 28 K 5087/17 mit unterschiedlichen Ansätzen). Eine obergerichtliche Klärung der Gesamtthematik steht noch aus. Drucksache 16/516 (16/485) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 6 - Die Einstufung der Schutzbedürftigkeit von Wohnbebauungen soll nach Aussage der Schallprognosen gemäß der Ausweisung im jeweiligen Bebauungsplan erfolgen. In Fällen, in denen kein rechtskräftiger Bebauungsplan vorhanden ist, soll die Einstufung entsprechend der tatsächlichen Nutzung und unter Berücksichtigung der Darstellung im Flächennutzungsplan erfolgen. Am Beispiel des im Genehmigungsverfahren befindlichen Windparks Pfaffenkopf wurden in der aktuellsten Schallprognose nach Interimsverfahren mehrfach Gebiete, für die kein Bebauungsplan existiert bzgl. ihrer Schutzbedürftigkeit anders eingestuft, als von den Gemeinden selbst, dabei nicht entsprechend der tatsächlichen Nutzung und nicht entsprechend der Darstellung im Flächennutzungsplan . Beispiele sind a) die denkmalgeschützte Bergbausiedlung Von der Heydt: im Flächennutzungsplan eingestuft als Wohngebiet, von der Stadt Saarbrücken eingestuft als reines Wohngebiet, in der Schallprognose eingestuft als "Außenbereich ". b) Am Forsthaus 5 in Riegelsberg: im Flächennutzungsplan eingestuft als Wohngebiet, von der Gemeinde Riegelsberg eingestuft als reines Wohngebiet, in der Schallprognose eingestuft als "Außenbereich". Diese Einstufungen erlauben zum Teil erheblich höhere Immissionswerte als sie der tatsächlichen Nutzung der Gebiete entsprechen würden. Wie geht die Landesregierung mit dieser gutachterlichen Praxis um? Werden im Saarland WEA unter solchen Voraussetzungen genehmigt? Zu Frage 7: Die angesprochene Problematik ist dem LUA bei der Prüfung des Belanges Lärmschutz ebenfalls bewusst geworden. Man wird dies im laufenden Verfahren in der Stellungnahme zu diesem Belang entsprechend würdigen.