LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/517 (16/486) 20.08.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Ralf Georgi (DIE LINKE.) betr.: Pavianhaltung im Neunkircher Zoo Vorbemerkung des Fragestellers: „Seit Wochen wird über die Haltungsbedingungen der Paviane im Neunkircher Zoo diskutiert. Der Landestierschutzbeauftragte Dr. Hans-Friedrich Willimzik, spricht davon, dass die Tiere ‚dramatisch zu wenig Platz‘ hätten, die Haltung unter den gegebenen Umständen sei ‚Tierquälerei‘. Die Zoo- Leitung weist diese Vorwürfe als ‚nicht gerechtfertigt ‘ zurück.“ Wie beurteilt die Landesregierung die Haltungsbedingungen der Paviane im Neunkircher Zoo? Zu Frage 1: Die Überprüfung der Tierhaltung nach Tierschutzgesetz erfolgt auf Grundlage von §16 Tierschutzgesetz. Dabei prüft die Vollzugsbehörde, ob die Anforderungen des §2 TierSchG nach art- und bedürfnisgerechter Ernährung, Pflege und verhaltensgerechter Unterbringung gegeben sind und die Möglichkeit zu artgemäßer Bewegung nicht so eingeschränkt wird, dass dem Tier Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden („Grundvorschrift über die Tierhaltung“). Da Haltungsanforderungen für Wild-/Zootiere nicht näher in einer Verordnung konkretisiert wurden, dient das Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren - Säugetiergutachten (2014) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zur Beurteilung und gegebenenfalls Konkretisierung der Haltungsanforderungen. Folgende Punkte entsprechen nicht den Mindestanforderungen des Säugetiergutachtens : Ausgegeben: 20.08.2018 (12.07.2018) Drucksache 16/517 (16/486) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - A. Platzbedarf im Innengehege Das Gutachten über Mindestanforderungen für die Haltung von Säugetieren sieht vor, dass für eine sozial intakte Gruppe von bis zu 5 erwachsenen Tieren eine Grundfläche von 40 m² bei 2,5m Höhe vorhanden sein muss. Für jedes weitere Tier sind weitere 3 m² bereitzustellen. Die Innengehege sollen temperiert sein (mindestens 10°C), die Temperatur in den Innengehegen soll nicht längere Zeit unter 16°C sinken. Den Angaben des der Behörde vorliegendes Grundrisses des Pavianinnengeheges zufolge, bemisst das Innengehege 47,48m². Das Innengehege ist damit zu klein dimensioniert. Die zeitgleiche Nutzung des temperierten Bereiches durch die gesamte Tiergruppe ist damit in Frage gestellt. B. Gehegeeinrichtung a) Erhöhte Ebenen Das Gutachten über Mindestanforderungen für die Haltung von Säugetieren sieht vor, dass Ruheplätze mehreren Individuen gleichzeitig Platz zum gemeinsamen Ruhen und zur Fellpflege bieten. Die im Innengehege vorhandenen erhöhten Ebenen sind nicht ausreichend dimensioniert, um den Tieren ein zeitgleiches gemeinsames Ruhen auf erhöhten Flächen zu bieten. b) Rückzugsareale mit Sichtschutz vor anderen Individuen oder Besuchern Das Gutachten über Mindestanforderungen für die Haltung von Säugetieren sieht vor, dass die Gehege mit nicht einsehbaren Rückzugsarealen wie Nischen oder Sichtblenden (Sichtschutz vor Artgenossen und Besuchern) zu versehen sind. Insbesondere im Innengehege fehlt es an solchen Rückzugsarealen. c) Bodenstruktur Das Gutachten über Mindestanforderungen für die Haltung von Säugetieren sieht vor, dass der Boden im Außenbereich aus naturgewachsenem Boden oder Sand bestehen kann, im Innenbereich ist der Boden mit Einstreu (Heu, Stroh) zu versehen. Der Boden besteht im Außen- und Innengehege aus Beton. Im Außenbereich haben die Tiere begrenzten Zugang zu einem mit Rindenmulch eingestreuten Bereich. Auf Hinwirken der Behörde wurde seitens des Zoos Neunkirchen als weitere Lebensraumbereicherung in das als Wasserbecken angelegte Becken Sand eingebracht. Durch Einmischen von Futter konnte die Attraktivität des Sandareals zusätzlich erhöht werden. Im Innengehege wurde in einem Kompartiment versuchsweise Stroh eingebracht. Während das Sandareal im Außenbereich von den Tieren gut angenommen wurde, wurde der mit Stroh eingestreute Innenbereich gemieden. Hier bedarf es weiterer Anstrengungen seitens des Zoos Neunkirchen. Drucksache 16/517 (16/486) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - C. Fortpflanzung der Tiere Das Gutachten über Mindestanforderungen für die Haltung von Säugetieren sieht aufgrund der hohen Fortpflanzungsrate bei Pavianen Geburtenkontrolle und Populationsplanung für notwendig an. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Jungtiere im sozialen Zusammenleben einen wichtigen Platz einnehmen, was bei der Planung zu berücksichtigen ist. Im Jahr 2010 und wiederholt im Jahr 2016 wurden Maßnahmen mit dem Ziel der Reduktion des Tierbestandes durchgeführt. Männliche, noch nicht geschlechtsreife Tiere wurden kastriert (Entfernung der Hoden), geschlechtsreife männliche Tiere wurden vasektomiert (Entfernung eines Stückes des Samenstranges). Weiblichen Tieren wurde ein Hormonpräparat zur Empfängnisverhütung implantiert. Für das Jahr 2018 ist eine weitere solche Maßnahme seitens des Zoos Neunkirchen geplant (Hormonimplantate, Vasektomien), um die Zahl der Tiere konstant zu halten beziehungsweise den Tierbestand langfristig zu verringern. Dieses Erfordernis wird auch von der Behörde geteilt und eingefordert. Der Landestierschutzbeauftragte verweist auf das Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, welches für die Beurteilung von Haltungsbedingungen maßgeblich sei. Dort ist zu den Gehegeanforderungen für Paviane Folgendes aufgeführt: „Es müssen Außen- und Innengehege vorhanden sein. Die Tiere sollen jederzeit frei zwischen beiden Gehegen wechseln können. Die Gehege müssen über mindestens 2 räumlich voneinander getrennte Türen miteinander in Verbindung stehen. Bei Mantel-, Backenfurchen- und Blutbrustpavianen sind bei der Haltung mehrerer Gruppen die Mindestflächenmaße je Gruppe zu erfüllen, nach Möglichkeit soll jede Gruppe ein eigenes Innengehege haben. - Raumbedarf: Außengehege: Mindestens 120 m³ bzw. 40 m² und 3 m Höhe für eine sozial intakte Gruppe von bis zu 5 erwachsenen Tieren; bei Pavianen für jedes weitere Tier 9 m³ bzw. 3 m², bei Backenfurchen- und Blutbrustpavianen 12 m³ bzw. 4 m² mehr. - Innengehege: Mindestens 100 m³ bzw. 40 m² und 2,5 m Höhe für eine sozial intakte Gruppe von bis zu 5 erwachsenen Tieren; bei Pavianen für jedes weitere Tier 7,5 m³ bzw. 3 m², bei Backenfurchen- und Blutbrustpavianen 10 m³ bzw. 4 m² mehr. Drucksache 16/517 (16/486) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Laut Angaben der Zoo-Leitung leben im Neunkircher Zoo derzeit rund 100 Paviane. Den Vorgaben des Gutachtens des Bundesministeriums zufolge müsste für diese 100 Paviane ein Innengehege von mindestens 325 m² zur Verfügung stehen (40 m² pro fünfköpfiger Gruppe + 3 m² für jedes weitere Tier). In Neunkirchen umfasst das Innengehege jedoch nur rund 50 m², das Außengehege ca. 600 m². Erkennt die Landesregierung das Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft als Grundlage zur Beurteilung artgerechter Tierhaltung an oder trifft sie ihre Entscheidungen als Aufsichtsbehörde anhand anderer Vorgaben? Zu Frage 2: Siehe Frage 1 Buchstabe A. Falls ja: Sieht die Landesregierung im Hinblick auf die Größe der Gehege in Neunkirchen (Innen- und Außengehege) die im Berliner Gutachten formulierten Vorgaben als erfüllt an? Falls nein: Auf welche Gesetze, Verordnungen oder Gutachten bzgl. Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren beruft sich die Landesregierung im Rahmen ihrer Überprüfungen? Entfällt. Die Zoo-Leitung sowie die Berichterstatterin der Landesregierung, die am 27. April dieses Jahres im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz zum Thema referierte, addieren die Grundflächen der Außen- und der Innenanlage zusammen. Somit sei aus ihrer Sicht eine Gehegegröße von rund 650 m² in Neunkirchen vorhanden und die Mindestvorgaben des Gutachtens erfüllt. Hält die Landesregierung dieses Addieren von Innen - und Außengehege für zulässig, obwohl das Gutachten des Bundesministeriums die Mindestanforderungen für beide Gehege differenziert vorgibt ? Drucksache 16/517 (16/486) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Zu Frage 3: Die Berichterstatterin der Landesregierung hat am 27.04.2018 im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz klar zum Ausdruck gebracht, dass die zur Verfügung stehende Fläche im Innenbereich größenmäßig der Fläche im Außenbereich entsprechen muss. Auf Nachfrage führte die Berichterstatterin der Landesregierung aus, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, einen Teil des Außengeheges zum Innengehege umzuwandeln, da die insgesamt zur Verfügung stehende Fläche der Paviananlage, den Anforderungen des Säugetiergutachtens genügt. Laut Saarbrücker Zeitung vom 26. Juni 2018 beabsichtigt das Umweltministerium, einen „Gutachter einzuschalten, um den Streit um die Pavianhaltung zu klären“. Ist dies zutreffend? Falls ja, genügt aus Sicht der Landesregierung hierfür nicht eine juristische Überprüfung hinsichtlich der Frage, ob die Vorgaben des Gutachtens des Bundesministeriums in Neunkirchen eingehalten werden? Und welchen Betrag wird das Umweltministerium für das Anfertigen dieses Gutachtens bereitstellen? Zu Frage 4: An die Haltung von Tieren wildlebender Arten sind hohe Anforderungen zu stellen. Diese Auffassung vertritt auch die Landesregierung. Die Landesregierung hat sich daher im vorliegenden Fall für die Beauftragung eines externen Gutachters entschieden . Im Rahmen der Gutachtenerstellung soll nicht nur eine Aussage darüber getroffen werden, ob die Anforderungen des §2 Tierschutzgesetz in Verbindung mit dem Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren - Säugetiergutachten (2014) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten eingehalten werden. Der Gutachter soll darüber hinaus eine Einschätzung hinsichtlich des Wohlbefindens der Tiergruppe geben und eine Aussage darüber treffen, ob die Haltung artgerecht ist. Hierzu sind überdurchschnittliche Fachkenntnisse in Bezug auf die Tierart erforderlich. Die Vollzugsbehörde kann das Gutachten zur Begründung gegebenenfalls erforderlicher Anordnungen zur Erfüllung der Anforderungen des §2 Tierschutzgesetz heranziehen. Das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz stellt einen Betrag von 5000,00 Euro zur Verfügung. Falls nein, beabsichtigt das Umweltministerium, die Pavianhaltung im Neunkircher Zoo auf Grundlage des Gutachtens über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren des Bundesministeriums erneut zu überprüfen? Entfällt.