LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/567 (16/509) 18.09.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Dennis Lander (DIE LINKE.) betr.: Unterkunfts- und Heizkosten für Hartz-IV-Bezieher Vorbemerkung des Fragestellers: „Bundesweit haben die Jobcenter den Hartz-IV- Beziehern im vergangenen Jahr rund 560 Millionen Euro an Unterkunfts- und Heizkosten gekürzt, weil kommunale Träger die tatsächlichen Kosten als unangemessen bewerten oder nicht die gesamte Fläche als Wohnfläche zugrunde legen, wie eine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag (Drucksache 19/3073) ergeben hat. Fast jeder fünften Bedarfsgemeinschaft (18 Prozent) wurden die Mittel gestrichen, im Saarland fielen die Kürzungen mit 22,5 Prozent höher aus als im Bundesschnitt.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die vom Fragesteller zitierte Bundestagsdrucksache (19/3073) enthält bereits einen deutlichen Hinweis zur Aussagekraft der vom Fragesteller für seine Fragen herangezogenen Bundesstatistik. In der v. g. BT-Drucksache wird dargelegt, dass die Grundsicherungsstatistik , auf die sich der Fragesteller stützt, die tatsächlichen laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung sowie die anerkannten laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung enthält. Dabei werden die beiden vorgenannten Datenbereiche im Rahmen der Bewilligung der Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes erhoben und im Rahmen der statistischen Aufbereitung kopfteilig auf die leistungsberechtigten Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft – also die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Gemeinschaft der Leistungsberechtigten in einer Haushaltsgemeinschaft) – verteilt. Die Gründe, warum die tatsächlichen von den anerkannten Unterkunftskosten im Einzelfall abweichen, können vielfältig sein und mit den Mitteln der Statistik nicht identifiziert werden. Neben einer Bewertung der tatsächlichen Kosten als unangemessen durch den kommunalen Träger kann sich beispielsweise herausstellen, dass nicht die gesamte Fläche als Wohnfläche bewertet werden kann (Geschäftsräume, Untervermietung usw.). Darüber hinaus werden beispielsweise auch Mietminderungen des Leistungsberechtigten oder Rückerstattungen bzw. Gutschriften aus Nebenkostenabrechnungen häufig von den anerkannten Kosten abgezogen. Ausgegeben: 18.09.2018 (16.08.2018) Drucksache 16/567 (16/509) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Aus Sicht der Bundesregierung können deshalb Differenzen zwischen tatsächlichen und angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung in der Statistik nicht dahingehend interpretiert werden, dass die kommunalen Träger in solchen Fällen das soziokulturelle Existenzminimum nicht gewährleisten. Dieser Auffassung schließt sich die Landesregierung an. Hält die Landesregierung angesichts der Tatsache , dass fast jeder fünften Bedarfsgemeinschaft Unterkunfts- und Heizkosten gestrichen wurden, eine gesetzliche Neuregelung für nötig? Wenn ja: ist dazu eine Initiative des Landes geplant? Zu Frage 1: Eine gesetzliche Neuregelung wird für notwendig erachtet. Auf Bundesebene sucht derzeit eine Arbeitsgruppe nach Lösungen, um die durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes formulierte komplizierte Vorgehensweise zur Ermittlung der durch § 22 Abs. 1 SGB II garantieren Übernahme der Kosten für im Einzelfall angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung rechtskonform zu vereinfachen . Vor diesem Hintergrund wird eine Gesetzesinitiative des Landes nicht als sinnvoll angesehen. Vielmehr wird die Landesregierung die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abwarten und sich dann zu den geplanten Gesetzesänderungen bereits vor Beginn des parlamentarischen Verfahrens in die Diskussion einbringen. An der Übernahme der Kosten eines angemessenen Bedarfes im Gegensatz zu der Übernahme der tatsächlichen Kosten in jeglicher Fallgestaltung hält die Landesregierung fest. Auch Haushalte im unteren Einkommenssegment müssen ihre Ansprüche im Hinblick auf Wohnraum generell ihrem Budget anpassen. Aus diesem Grunde erscheint es recht und billig, auch für die Leistungsberechtigten nach dem SGB II eine Angemessenheitsgrenze für die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung vorzusehen. Welche Unterkunftskosten sind für die einzelnen Träger nach Kenntnis der Landesregierung in den einzelnen Landkreisen und dem Regionalverband angemessen? Zu Frage 2: Vorbemerkung Die Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung erfolgt in mehreren Schritten. Dabei wird zunächst anhand der Größe der Bedarfsgemeinschaft (BG) ermittelt, welche Wohnungsgröße für die betreffende Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II angemessen ist. Grundlage hierfür sind die Flächenangaben für Wohnungen in den Richtlinien der Wohnraumförderung. Für die verschiedenen Flächenhöchstwerte aus den v. g. Richtlinien ermitteln die Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken die Mietpreise für Wohnungen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen (BSG-Urteile vom 7.11.2006 sowie vom 11.12.2012). Die so ermittelten Mieten werden als abstrakte Richtwerte bei der Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten berücksichtigt. Im zweiten Teil der Prüfung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung werden die einzelfallbezogenen Bedürfnisse einer Bedarfsgemeinschaft geprüft. Hierzu werden die Leistungsberechtigten befragt. Sollten im Einzelfall höhere Kosten entstehen , z. B. durch den Bedarf einer barrierefreien Wohnung, werden die höheren Unterkunftskosten bei der Festsetzung der Leistungen berücksichtigt. Drucksache 16/567 (16/509) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - In den folgenden Tabellen werden die derzeitigen abstrakten Richtwerte in den einzelnen Landkreisen und dem Regionalverband Saarbrücken dargestellt. Die tatsächlich anfallenden Heizkosten werden als angemessen angesehen, soweit nicht ein Grenzwert überschritten wird, der unangemessenes Heizen indiziert. Heizkosten unterliegen gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes einer individuellen Angemessenheitsprüfung. Das bedeutet, dass zunächst im Rahmen einer pauschalierenden Betrachtung die Heizkosten auf Grund pauschaler Werte an Energiemengen oder Mengenangaben für Heizmittel (die in der Regel aus dem bundesweiten Heizkostenspiegel oder auch aus der Mengenberechnungen in der Handlungsanleitung zur Anerkennung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach §§ 22 ff. SGB II und § 35 SGB XII im Saarland – veröffentlicht auf der Homepage des Landkreistages Saarland - abgeleitet werden) unter Berücksichtigung aktueller Preise beurteilt werden. Wegen der Dynamik des Marktes werden die Preise jedes Jahr durch die ASS (Arbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeträger im Saarland) angepasst, soweit bevorratungsfähige Heizmittel (Öl, Flüssiggas, Kohle, Koks, Holz) betroffen sind. Die Richtwerte für die nichtbevorratungsfähigen Heizmittel (Strom, Erdgas, Fernwärme) werden jährlich durch die jeweiligen Landkreise und den Regionalverband Saarbrücken durch Abfragen bei den Anbietern selbst ermittelt. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Energieträger und der Unterscheidung, ob eine Bevorratung beim Brennstoff möglich ist oder nicht sowie der Unterscheidung, ob die Leistungsberechtigten sich selbst bevorraten oder ob dies durch einen Vermieter geschieht und dementsprechend monatliche Abschlagszahlungen geleistet werden müssen, wird die Betrachtung auf der Ebene der abstrakt angemessenen Heizkosten bereits stark am Einzelfall orientiert. Deshalb kann die Landesregierung für die Heizkosten keine abstrakt angemessenen Richtwerte nennen. Kommt das Jobcenter nach dem Vergleich der tatsächlichen Kosten mit dem für die jeweilige Beheizungsart ermittelten Grenzwert zu dem Ergebnis, dass die tatsächlichen Kosten höher sind, wird in dem entsprechenden Einzelfall geprüft, ob ein höherer Wärmebedarf besteht, z. B. wegen Babys oder kranken Menschen, die ebenfalls in der Wohnung leben. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Heizkosten individuell angemessen bewilligt werden. Regionalverband Saarbrücken Im Regionalverband Saarbrücken wird zwischen den Regionen A bis D unterschieden: Region A: Friedrichsthal, Sulzbach Region B: Großrosseln, Heusweiler, Kleinblittersdorf, Püttlingen, Quierschied, Riegelsberg Region C: Saarbrücken Region D: Völklingen Abstrakte Richtwerte für die Bruttokaltmiete: Größe der BG 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen Jede weitere Person Richtwerte Größe in qm bis 45 qm bis 60 qm bis 75 qm bis 90 qm zusätzlich 15 qm Region A 316,74 € 375,35 € 461,77 € 520,59 € 79,74 € Region B 331,34 € 392,34 € 458,53 € 516,15 € 81,28 € Region C 370,07 € 430,65 € 515,71 € 601,26 € 93,97 € Region D 357,11 € 403,28 € 470,07 € 532,01 € 83,65 € Drucksache 16/567 (16/509) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Landkreis Merzig-Wadern Im Landkreis Merzig-Wadern wird zwischen den Regionen A bis C unterschieden: Region A: Perl Region B: Beckingen, Losheim, Merzig, Mettlach Region C: Wadern, Weiskirchen Abstrakte Richtwerte für die Bruttokaltmiete: Größe der BG 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen Jede weitere Person Richtwerte Größe in qm bis 45 qm bis 60 qm bis 75 qm bis 90 qm zusätzlich 15 qm Region A 434,00 € 515,50 € 619,75 € 880,30 € 137,50 € Region B 375,60 € 396,30 € 486,50 € 559,70 € 91,50 € Region C 359,30 € 392,00 € 461,50 € 524,70 € 83,65 € Landkreis Neunkirchen Im Landkreis Neunkirchen wird zwischen den Regionen A bis C unterschieden: Region A: Neunkirchen Region B: Eppelborn, Illingen, Merchweiler, Ottweiler, Schiffweiler Region C: Spiesen-Elversberg Abstrakte Richtwerte für Bruttokaltmiete: Größe der BG 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen Jede weitere Person Richtwerte Größe in qm bis 45 qm bis 60 qm bis 75 qm bis 90 qm zusätzlich 15 qm Region A 372,00 € 388,00 € 467,00 € 536,50 € 85,00 € Region B 353,00 € 390,50 € 461,00 € 540,00 € 87,00 € Region C 383,50 € 396,50 € 463,50 € 556,50 € 88,00 € Landkreis Saarlouis Im Landkreis Saarlouis wird zwischen den Regionen A bis E unterschieden: Region A: Saarlouis Region B: Dillingen Region C: Nalbach, Saarwellingen, Schwalbach, Überherrn, Wadgassen, Wallerfangen Region D: Lebach, Rehlingen-Siersburg, Schmelz Region E: Bous, Ensdorf Drucksache 16/567 (16/509) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Abstrakte Richtwerte für Bruttokaltmiete: Größe der BG 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen Richtwerte Größe in qm bis 45 qm bis 60 qm bis 75 qm bis 90 qm Bis 105 qm Region A 407,77 € 463,49 € 548,19 € 612,71 € 710,30 € Region B 406,86 € 446,42 € 498,91 € 582,05 € 674,11 € Region C 383,52 € 427,73 € 505,25 € 589,48 € 681,31 € Region D 381,39 € 432,09 € 498,30 € 576,65 € 666,87 € Region E 408,17 € 434,77 € 524,65 € 582,22 € 676,70 € Größe der BG 6 Personen 7 Personen 8 Personen Jede weitere Person Richtwerte Größe in qm bis 120 qm bis 135 qm bis 150 qm zusätzlich 15 qm Region A 807,89 € 905,48 € 1003,07 € 97,59 € Region B 766,17 € 858,23 € 950,29 € 92,06 € Region C 773,14 € 864,97 € 956,80 € 91,83 € Region D 757,09 € 847,31 € 937,53 € 90,22 € Region E 771,18 € 865,66 € 960,14 € 94,48 € Saarpfalz-Kreis Im Saarpfalz-Kreis wird zwischen den Regionen A bis C unterschieden: Region A: Homburg, St. Ingbert Region B: Kirkel Region C: übrige Gemeinden/Städte Abstrakte Richtwerte für Bruttokaltmiete: Größe der BG 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen Richtwerte Größe in qm bis 45 qm bis 60 qm bis 75 qm bis 90 qm Bis 105 qm Region A 327,00 € 411,00 € 497,00 € 583,00 € 666,00 € Region B 324,00 € 408,00 € 493,00 € 578,00 € 661,00 € Region C 321,00 € 404,00 € 489,00 € 574,00 € 656,00 € Größe der BG 6 Personen Jede weitere Person Richtwerte Größe in qm bis 120 qm zusätzlich 15 qm Region A 747,00 € 93,30 € Region B 740,00 € 92,40 € Region C 732,00 € 91,50 € Drucksache 16/567 (16/509) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 6 - Landkreis St. Wendel Abstrakte Richtwerte für Bruttokaltmiete: Größe der BG 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen Richtwert 343,20 € 415,80 € 495,00 € 577,50 € 660,00 € Größe der BG Jede weitere Person Richtwert 78,10 € Welche Unterkunftskosten hält die Landesregierung für angemessen? Zu Frage 3: Die Landesregierung führt keine Erhebungen hinsichtlich abstrakt angemessener Richtwerte durch. Die Aufgabe der Festlegung von abstrakt angemessenen Richtwerten wurde durch das SGB II den Landkreisen und dem Regionalverband Saarbrücken zugewiesen. Die Landesregierung kann auch aufgrund der großen Unterschiede zwischen den örtlichen Verhältnisse (wie Mietpreise und kalte Nebenkosten) hierzu keine Festsetzung vornehmen. Wie haben sich die durchschnittlichen Mietkosten in den einzelnen Landkreisen und dem Regionalverband Saarbrücken in den letzten Jahren entwickelt (bitte einzeln auflisten)? Zu Frage 4: Hinsichtlich der durchschnittlichen Mietkosten in den einzelnen Landkreisen in den letzten Jahren liegen der Landesregierung nur die untenstehenden Angaben aus der Mikrozensus-Zusatzerhebung vor. Der Mikrozensus ist eine Haushaltserhebung, die bei einem Prozent der Bürger jährlich durchgeführt wird. Die unten aufgeführten Zahlen stammen aus der Mikrozensus-Zusatzerhebung “Wohnsituation“, die alle vier Jahre durchgeführt wird. Die 2018er-Zahlen liegen voraussichtlich im Spätsommer 2019 vor. Durchschnittliche Bruttokaltmiete in € je m² Wohnfläche aus der Mikrozensus- Zusatzerhebung 2006 2010 2014 Saarland 5,05 5,63 5,57 LK Merzig-Wadern 4,88 5,18 5,40 LK Saarlouis 4,69 5,37 4,96 RV Saarbrücken 5,33 5,97 6,02 LK St. Wendel 4,58 4,91 4,62 LK Neunkirchen 4,88 5,36 5,04 Saar-Pfalz-Kreis 4,96 5,39 5,65 Quelle: Statistisches Amt des Saarlandes