LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/570 (16/529) 20.09.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Ralf Georgi (DIE LINKE.) betr.: Multiresistente Keime in saarländischen Gewässern Vorbemerkung des Fragestellers: „Wissenschaftler haben im Auftrag des Saarländischen Rundfunks sechs verschiedene Flüsse, Seen und Bäche im Saarland untersucht und in allen getesteten Gewässern antibiotikaresistente Erreger nachweisen können. Demnach ist der Erbach bei Homburg nahe des Auslaufs der dortigen kommunalen Kläranlage am stärksten mit antibiotikaresistenten Keimen belastet , aber auch der Köllerbach, die Saar, der Würzbacher Weiher, der Bostalsee und der Losheimer Stausee.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Es gibt derzeit keine Hinweise auf eine zusätzliche Gesundheitsgefährdung durch resistente Keime in Gewässern, die über die bekannte Belastung durch Krankheitserreger hinausgeht. Die saarländischen Gesundheitsämter verweisen bei entsprechenden Anfragen auf die möglichen gesundheitlichen Risiken beim Baden und Schwimmen außerhalb der ausgewiesenen Badegewässer. Aus präventiver Sicht wird dabei insbesondere vor potentiellen Gesundheitsgefahren und vor akuten Gefahren (ungenügende Sichttiefe, Strömung, Schifffahrtsstraße, Infektionsgefahren etc.) gewarnt und vom Baden und Schwimmen dauerhaft abgeraten, verbunden mit dem Appell zu eigenverantwortlichem Handeln. Die Tatsache, dass resistente Keime in der Umwelt vorkommen, ist seit Jahren bekannt , aber in fachlicher Hinsicht noch nicht soweit aufbereitet, dass Schlüsse zur potentiellen Gesundheitsgefährdung gezogen werden könnten. Daher stellen die Ergebnisse der vom Saarländischen Rundfunks beauftragten Untersuchungen kein neues oder saarlandspezifisches Phänomen dar. Die bisher veröffentlichten Ergebnisse zum Vorkommen von antibiotikaresistenten Keimen in Gewässern stammen aus Forschungsprojekten oder einzelnen Stichproben. Zurzeit gibt es noch keine standardisierte Untersuchungsmethode, geschweige denn eine Untersuchungspflicht oder Grenzwerte. Ausgegeben: 20.09.2018 (28.08.2018) Drucksache 16/570 (16/529) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Allgemein ist die Vorgehensweise bei detektierten, aber noch nicht bewerteten Stoffen derart, dass durch geplante Stichprobenkontrollen zuerst das Vorkommen (Prävalenz) dieser Keime in Deutschland überprüft wird. Um zu eruieren, ob es in Deutschland mit diesen Keimen eine verbreitete Belastung gibt, ob ein Festlegen von Grenzwerten sinnvoll ist und welche Höhe angebracht wäre, gibt es seit längerem eine bundesweite Arbeitsgruppe, und es laufen dazu aktuell einige große Forschungsprojekte; beispielhaft sei hier das BMBF-Verbundprojekt HyReKA (Biologische bzw. hygienischmedizinische Relevanz und Kontrolle antibiotikaresistenter Krankheitserreger in klinischen , landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in Rohwässern) genannt. Aus den Ergebnissen dieser Projekte können dann Vorschläge für ein Monitoring und gegebenenfalls Grenzwerte und Minderungsmaßnahmen abgeleitet werden, je nach Problemlage bundesweit oder nur fallbezogen. Grundsätzlich gilt in der Umweltpolitik das Verursacherprinzip. Daher sind vorrangig Maßnahmen zur Vermeidung von Einträgen an der Quelle und bei der Anwendung zu ergreifen und erst im 2. Schritt nachgeschaltete Maßnahmen, beispielsweise in der Abwasserreinigung. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die Belastung der saarländischen Gewässer mit multiresistenten Keimen vor? Zu Frage 1: Die Badegewässer Bostalsee und Losheimer Stausee wurden am 28. April und 2. Mai 2018 vom Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit, Universitätsklinikum Bonn untersucht. Es waren keinerlei Nachweise von antibiotikaresistenten klinischrelevanten fakultativ-pathogenen Bakterien und somit auch kein Hinweis auf einen Emittenten mit bestimmungsgemäßem Antibiotikaeinsatz vorhanden. Darüber hinaus wurden auch keine Bakterienstämme mit einer Resistenz gegen Colistin nachgewiesen . Findet bei der Überprüfung saarländischer Gewässer – insbesondere von Badeseen – regelmäßig auch eine Untersuchung hinsichtlich antibiotikaresistenter Keime statt? Wenn nein: Beabsichtigt die Landesregierung, die Überprüfung auf resistente Keime in die Regeluntersuchungen der Gewässer mit einzubeziehen? Zu Frage 2: In den beiden saarländischen EU-Badegewässern Bostalsee und Losheimer Stausee werden auf der Grundlage der EU-Badegewässerrichtlinie und der Verordnung über die Qualität und die Bewirtschaftung der Badegewässer (Badegewässerverordnung) vom 06. Dezember 2007 im Zeitraum 15. Mai bis 31. August in monatlichem Abstand durch die zuständigen Gesundheitsämter der Landkreise Sankt Wendel bzw. Merzig- Wadern Wasserproben entnommen und gemäß Anlage 1 auf intestinale Enterokokken (KBE/100ml) und Escherichia coli (KBE/100 ml) mikrobiologisch im Landesamt für Verbraucherschutz untersucht. Beide EU-Badegewässer werden aufgrund der mikrobiologischen Untersuchungsergebnisse als „AUSGEZEICHNET“ eingestuft. Alle Untersuchungsergebnisse der Badesaison werden auf der Internetseite des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie veröffentlicht. Die Untersuchung auf multiresistente Bakterien ist nicht Bestandteil dieser Überwachung . Drucksache 16/570 (16/529) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Die Landesregierung hat darüber hinaus bereits am 28. April 2018 bzw. 02. Mai 2018 die beiden EU-Badegewässer zum Beginn der Badesaison am 15. Mai durch das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums in Bonn, Herrn Prof. Dr. med. Martin Exner (Leiter des BMBF-Forschungsprojektes HyReKa) nach der HyReKa-Methode auf multiresistente Bakterien untersuchen lassen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass keinerlei Nachweise von antibiotikaresistenten klinisch-relevanten fakultativ-pathogenen Bakterien und somit auch kein Hinweis auf einen Emittenten mit bestimmungsgemäßem Antibiotikaeinsatz vorhanden waren. Darüber hinaus wurden auch keine Bakterienstämme mit einer Resistenz gegen Colistin nachgewiesen. Ergänzend hierzu wird die Landesregierung eine erneute Badegewässeruntersuchung nach der HyReKa-Methode durch die Universität Bonn Anfang September 2018 durchführen lassen. Damit ist auf der Basis eines einheitlichen Untersuchungsverfahrens ein Vergleich „Saisonanfang versus Saisonende“ möglich. Die Landesregierung beabsichtigt aktuell nicht, eine Überprüfung auf resistente Keime in EU-Badegewässern in die Regeluntersuchung mit einzubeziehen. Aufgrund der Tatsache, dass aktuell keine standardisierten Nachweisverfahren zur Verfügung stehen und es keine Beurteilungskriterien für die Messergebnisse gibt, ist eine wissenschaftlich fundierte Bewertung von Ergebnissen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Dies gilt auch für die im Saarland erfolgten Proben im Auftrag des Saarländischen Rundfunks. Der Bund-Länder-Arbeitskreis Badegewässer hält darüber hinaus ein Monitoring von antibiotikaresistenten Bakterien in Badegewässern derzeit nur zum Zweck der Forschung und nicht als Überwachungsinstrument für sinnvoll. Um die Datenbasis zu vergrößern, sind in den Jahren 2019 und 2020 auf Basis der Ergebnisse von HyReKA zusätzliche länderspezifische und -abgestimmte freiwillige Sonder-Messprogramme in Badegewässern in Kooperation mit dem UBA denkbar. Bei den Untersuchungen sollten möglichst Nachweisverfahren angewendet werden, die auch im HyReKA Projekt eingesetzt werden, um die Ergebnisse vergleichen zu können. Fließgewässer, Weiher und sonstige Seen im Saarland werden nicht nach den Kriterien der Badegewässerverordnung untersucht. Antibiotika-resistente Keime gelangen vor allem durch Krankenhäuser, nicht entsprechend ausgerüstete Kläranlagen und durch Antibiotika- Gebrauch in der Nutztierhaltung etwa durch Gülle in die Umwelt. Was will die Landesregierung dagegen unternehmen? Zu Frage 3: Kläranlagen nach dem Stand der Technik reduzieren die Keimbelastung um 99 % bis 99,9% (Faktor 100 bis 1000). Darunter befinden sich auch multiresistente Keime. Die Reduzierung der Keime ist aber keine Bemessungsgröße für Kläranlagen. Durch eine zusätzliche Desinfektion könnten Keime abgetötet werden, allerdings nur mit erheblichen Kosten. Das ist nur in Einzelfällen, z.B. bei Badegewässern sinnvoll. Gülle zählt neben Festmist, Gärprodukten aus Biogasanlagen und Abwasser zu den wichtigsten Quellen für den Eintrag antimikrobieller Substanzen in die Umwelt. Über die Gülle gelangen ebenso in der Tierhaltung entstandene multiresistente Mikroorganismen in die Umwelt. Antibiotikaresistenzmechanismen werden so weiterverbreitet. 30 bis 60 Prozent der antimikrobiellen Substanzen verlassen unverändert das Tier. Die Verfütterung von Schwermetallen (Zink, Kupfer) zur Verbesserung der Tiergesundheit sowie die Anwendung von Desinfektionsmitteln fördern darüber hinaus die Entstehung und Selektion von Kreuzresistenzen. Drucksache 16/570 (16/529) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Das Hauptaugenmerk zur Verhinderung der Entstehung und Verbreitung von multiresistenten Mikroorganismen liegt daher in der Minimierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung. Der Gesetzgeber hat hier auf mehreren Ebenen gesetzliche Grundlagen geschaffen, die dazu beitragen, den Einsatz von antimikrobiellen Substanzen beim Tier auf das therapeutisch notwendige Maß zu begrenzen. Pharmazeutische Unternehmer /Großhändler sind dazu verpflichtet, die jährlich an Tierärzte abgegebenen Antibiotikamengen zu melden. Das Register wird geführt beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) und wird vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BVL) ausgewertet. Tierärzten wird über die Vorgaben des Arzneimittelgesetzes und über die Regelungen in der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung eine große Sorgfaltspflicht abverlangt (Vorgaben im Rahmen der Verschreibung von Fütterungsarzneimittel, die antimikrobiell wirksame Stoffe enthalten; Kopplung von Anwendung und Abgabe apotheken- und verschreibungspflichtiger Arzneimittel an das Behandlungsgebot; 7-Tage-Regelung: grundsätzliche Begrenzung der Abgabemenge und Anwendungsdauer von antimikrobiell wirksamen Stoffen auf 7 Behandlungstage und weitere Anwendung nur nach Kontrolle des Behandlungserfolges; Umwidmungsverbot von sog. Reserveantibiotika zur Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren; Einführung der Antibiogrammpflicht für definierte Behandlungsfälle). Abgesehen von den bestehenden Nachweispflichten des Tierhalters hinsichtlich des Erwerbes, Besitzes und der Anwendung von apothekenpflichtigen Tierarzneimitteln, sind Tierhalter nach Arzneimittelrecht mitteilungspflichtig in Bezug auf das berufs- oder gewerbsmäßige Bestehen einer Tierhaltung (Rinder, Schweine, Hühner, Puten) und in Bezug auf die Arzneimittelverwendung, sofern Arzneimittel antibakteriell wirksame Stoffe enthalten und diese in seinem Tierhaltungsbetrieb angewendet wurden (Therapiehäufigkeit). Der Tierhalter ist weiterhin verpflichtet, bei Überschreitung von Kennzahlen und unter Hinzuziehung eines Tierarztes, Gründe zu ermitteln, die zur Überschreitung geführt haben und einen Plan zu erstellen, der Maßnahmen zur Verringerung des Einsatzes von Arzneimitteln, die antimikrobiell wirksame Stoffe enthalten, vorsieht. Die für den Vollzug des Tierarzneimittelrechtes zuständige Behörde, das Landesamt für Verbraucherschutz , überwacht und kontrolliert die Einhaltung dieser rechtlichen Vorgaben bei Tierärzten und Tierhaltern im Saarland. Laut Umweltbundesamt ist eine technische Nachrüstung von Kläranlagen zum Schutz der Bevölkerung notwendig. Teilt die Landesregierung diese Einschätzung und wenn ja, wie sehen die konkreten Planungen dafür aus? Zu Frage 4: Das Umweltbundesamt empfiehlt die „sukzessive Nachrüstung großer Kläranlagen zur Reduzierung von Arzneimitteleinträgen (sowie solcher an besonders belasteten, empfindlichen und für Trinkwassergewinnung und als Badegewässer genutzten Gewässern )“. Es geht also nicht darum, resistente Keime im Abwasser abzutöten, sondern den Antibiotikaeintrag in die Umwelt zu reduzieren. Eine weitergehende Entfernung der Spurenstoffe im Abwasser ist auch aus ökologischen Gründen sinnvoll. Dementsprechend hat auch das Projekt des Entsorgungsverbandes Saar (EVS) „Stoffflussmodellierung der Gesamtemissionen an Spurenstoffen im Einzugsgebiet der Blies und Übertragung auf das Saarland“ zum Ziel, die Notwendigkeit einer weitergehenden Reduktion der Spurenstoffe zu eruieren und die Sinnhaftigkeit einer 4. Reinigungsstufe auf kommunalen Kläranlagen im Saarland wissenschaftlich zu untersuchen. Ein Messprogramm im Einzugsgebiet der Blies und eine Stoffflussmodellierung sollen als Pilotprojekt die Grundlage für die saarlandweite Bewertung der kommunalen Kläranlagen bezüglich einer 4. Reinigungsstufe bilden. Drucksache 16/570 (16/529) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Das Projekt ist zwischen EVS und Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (MUV) abgestimmt und wird vom MUV bezuschusst (Laufzeit: 2016 – Mai 2019). Parallel läuft auf Bundesebene der Stakeholderdialog zur Spurenstoffstrategie, der Maßnahmen an der Quelle, bei der Anwendung und nachgeschaltet (Orientierungsrahmen für 4. Reinigungsstufen) umfasst. Erst danach ist eine Diskussion über Kosten und Nutzen einer Spurenstoffelimination sinnvoll. Der Einsatz von sogenannten Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung ist in Deutschland erstmals seit Jahren wieder gestiegen, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (BVL) im Juli erklärt hat. Da es im Saarland keine industrielle Massentierhaltung gibt, dürften die Werte hier geringer ausfallen als in anderen Bundesländern . Hat die Landesregierung Informationen über die abgegebene Menge an sogenannten Reserve- Antibiotika in der Tierhaltung im Saarland in den vergangenen drei Jahren? Zu Frage 5: Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) erfasst , das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wertet jährlich die in der Tiermedizin abgegebenen Antibiotika aus. Die Erfassung erfolgt auf Grundlage der DIMDI-Arzneimittelverordnung. Das Saarland liegt für den Erfassungsraum 2017 mit einer Abgabemenge von unter 5 Tonnen abgegebener Antibiotika in der untersten Kategorie.