LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/612 (16/548) 23.10.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Jochen Flackus (DIE LINKE.) betr.: Re-Aktivierung und Elektrifizierung von Bahnstrecken Vorbemerkung des Fragestellers: „Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: „Für den Schienenverkehr wollen wir ein umfassendes Förderprogramm auflegen, das sowohl die Elektrifizierung von Strecken als auch die Anschaffung von Fahrzeugen nebst Nachlade- /Tankinfrastruktur umfasst. Den Schienenpersonennahverkehr wollen wir mit Investitionszuschüssen für Brennstoffzellen-Hybrid-Triebwagen inkl. Ausstattung/Umrüstung der Depots und Bau und Betrieb von Wasserstofftankstellen unterstützen... Mit einem Schienenpakt von Politik und Wirtschaft wollen wir bis 2030 doppelt so viele Bahnkundinnen und Bahn-kunden gewinnen und dabei u. a. mehr Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene verlagern… Bis 2025 wollen wir 70 Prozent des Schienennetzes in Deutschland elektrifizieren . Mit einer neuen Förderinitiative wollen wir regionale Schienenstrecken elektrifizieren.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Derzeit sind im Saarland rd. 280 km elektrifiziert, was einem Elektrifizierungsgrad von rd. 80 % entspricht. Im Vergleich zum restlichen Bundesgebiet (60 %) hat das Saarland einen relativ hohen Elektrifizierungsgrad. Ausgegeben: 23.10.2018 (06.09.2018) Drucksache 16/612 (16/548) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Welche Strecken im Saarland bieten sich aus Sicht der Landesregierung für das geplante Förderprogramm zur Elektrifizierung an? Zu Frage 1: Aus saarländischer Sicht ist die Elektrifizierung der Strecke Wemmetsweiler – Lebach- Jabach verkehrlich sinnvoll und politisch wünschenswert. Die DB Strecke 3274, auf der die Regionalbahn-Linie 72, Saarbrücken bis Lebach- Jabach, verkehrt, hat eine Gesamtlänge von rd. 40 km und ist bis zur sog. „Wemmetsweiler Kurve“ (rd. 22 km) elektrifiziert. Das Reststück Wemmetsweiler (Kurve) bis Lebach-Jabach (Länge 19 km) ist in Richtung Lebach nur bis Bahnhof Illingen einseitig elektrifiziert. Die restliche Strecke bis Lebach-Jabach muss bis auf weiteres mit Dieseltriebwagen betrieben werden. Hierdurch bedingt muss auch der elektrifizierte Abschnitt bis Saarbrücken im Dieselbetrieb gefahren werden. Die für das Jahr 2023 geplante durchgehende Elektrifizierung der Strecke zwischen Wemmetsweiler und Lebach-Jabach war bisher politischer Wille und ist Teil des noch gültigen Verkehrsentwicklungsplanes. Die DB Netz AG hat im Laufe des Jahres 2017 eine seit Jahren geplante Mitfinanzierung der Elektrifizierung der Strecke zwischen Wemmetsweiler und Lebach-Jabach aus ihren LuFV II-Bundesmitteln abgelehnt und forderte eine alleinige Finanzierung durch das Land; auch eine an das BMVI gerichtete Bitte um Unterstützung der Maßnahme war erfolglos. Damit ist keine Mitfinanzierung der Maßnahme aus DB- oder LuFV II-Bundesmitteln gegeben, so dass das Saarland die Kosten für die Elektrifizierung alleine tragen müsste. Aus diesem Grund hat der Ministerrat in Dezember 2017 der Verschiebung des Elektrifizierungsvorhabens zwischen Wemmetsweiler und Lebach-Jabach bis zu einer möglichen Mitfinanzierung des Vorhabens durch den Bund bzw. die DB Netz zugestimmt. Das Saarland würde dieses Projekt im Rahmen des hier angesprochenen Förderprogramms melden. Der Ministerrat hat gleichzeitig in Dezember 2017 die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr gebeten, die Gespräche über den Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen auf der Strecke Saarbrücken-Lebach weiterzuführen. Das Land ist mit Hochdruck dabei, das alternative Leuchtturmprojekt (Batterie-Elektrischer Triebzug kurz BEMU) als Übergangslösung bis zur Elektrifizierung in die Tat umzusetzen. Welche Strecken und welche konkreten Maßnahmen im Saarland bieten sich aus Sicht der Landesregierung besonders an, um dem Ziel, mehr Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern, gerecht werden zu können? Wie steht die Landesregierung vor diesem Hintergrund zu einer Aktivierung und Elektrifizierung der Bisttalbahn (Völklingen-Überherrn), wodurch auch das neue Saarlouiser Industriegebiet Lisdorfer Berg angebunden werden könnte und was auch im Hinblick auf eine mögliche Ansiedlung des Unternehmens Tesla von Interesse sein könnte? Zu den Fragen 2 und 4: Die Fragen 2 und 4 werden wegen ihres Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Drucksache 16/612 (16/548) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Der hohe Elektrifizierungsgrad im Saarland rührt unter anderem daher, dass die Hauptstrecken aufgrund der Doppelnutzung für Regional- und Fernverkehr bzw. Güterverkehr zwingend elektrifiziert werden mussten. Auch Regionalstrecken von Saarbrücken über Neunkirchen nach Homburg sind Strecken, die auch zu Zeiten des Bergbaus für Güterzüge geeignet und elektrifiziert sein mussten. Die wenigen Strecken, die noch nicht elektrifiziert sind, haben mit Ausnahme der in der Antwort zu Frage 2 genannten Strecke Wemmetsweiler – Lebach-Jabach zu wenig Einnahmepotential als dass sich eine Elektrifizierung wirtschaftlich darstellen ließe. So sind Schienenverkehrsinfrastrukturen grundsätzlich hinsichtlich der Investitions- und Betriebskosten im Verhältnis zu ihrem gesamtwirtschaftlichen Nutzen zu beurteilen, um Prioritäten festzulegen und sicherzustellen, dass sie verkehrlich und wirtschaftlich sinnvoll sind. Zudem zeigt die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse die finanzpolitischen Rahmenbedingungen des Saarlandes bis 2020 auf. Dies bedeutet, dass das Saarland mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen die Erfüllung des Konsolidierungspfads erreichen muss. Für das Saarland bedeutet dies unter anderem, nur die Güterverkehrsstrecken zu sichern und auszubauen, die verkehrlich und wirtschaftlich sinnvoll sind. Die Strecke der Bisttalbahn im Abschnitt Fürstenhausen – Überherrn war bis Dezember 2017 verpachtet und durfte ab 2016 nur unter Auflagen befahren werden. Der Pächter stellte 2016 dar, dass der Betrieb der Strecke nicht wirtschaftlich möglich sei. In einer Studie zum möglichen grenzüberschreitenden Kombinierten Verkehrs- Terminal Überherrn wurden im Jahre 2015 die Sanierungskosten zur Erlangung der Befahrbarkeit der Strecke mit 1,7 Mio. € angegeben. Für einen intensiven und regelmäßigen Gebrauch muss etwa der 3-fache Betrag angesetzt werden (ohne Elektrifizierung ). Bei der Prüfung der Strecke im April 2016 hat das Eisenbahnbundesamt erhebliche Mängel festgestellt und Auflagen für den weiteren Betrieb gemacht. Geforderte Maßnahmen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit wurden vom Pächter nicht veranlasst . Die Strecke wurde am 01.08.2016 aus Sicherheitsgründen vom Betriebsleiter des zuständigen Eisenbahnunternehmens gesperrt. Die Strecke wurde am 08.11.2016 antragsgemäß stillgelegt. Die saarländische Landesregierung würde eine Ansiedlung des Unternehmens Tesla im Industriegebiet Lisdorfer Berg sehr begrüßen. In Abstimmungsgesprächen wäre die Erforderlichkeit eines Bahnanschlusses im Konkretisierungsfall zu klären. Derzeit verläuft die Bisttalbahnstrecke von Wadgassen über Differten nach Überherrn. Für einen direkten Anschluss des Gewerbegebiets Lisdorfer Berg wäre eine größere Neubaustrecke erforderlich. Die notwendigen Investitionen müssten entsprechend einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bewertet werden. Hierbei wäre nicht nur der Neubauabschnitt sondern auch der erforderliche technische Ausbau der bestehenden Strecke zu betrachten. Die Landeseisenbahnaufsicht hat ein großes Interesse an der Realisierung von neuen Umschlaganlagen (Straße/Schiene) in den nahegelegenen Industrieunternehmen in der Region. Dies muss aber unter Berücksichtigung der gegebenen Haushaltsrahmendaten geschehen. Drucksache 16/612 (16/548) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Die saarländische Wirtschaft als verladende Industrie braucht eine deutlich höhere Zahl von effizient arbeitenden Umschlagplätzen von der Straße auf die Schiene. Zudem ist eine Förderung der direkten Anbindung der Logistikzentren an das Schienennetz notwendig. Mit effizienten Umschlaganlagen gelingt es, die Vernetzung der Verkehrsträger zu optimieren und den Verkehrsträger Schiene verstärkt in die Logistikkette einzubeziehen. Der Kombinierte Verkehr trägt damit dazu bei, die Straße zu entlasten und Emissionen im Güterverkehr zu reduzieren. Die Kosten hierfür kann das Land aber nicht alleine tragen. Wie steht die Landesregierung vor diesem Hintergrund zu einem Ausbau und einer Elektrifizierung der Strecke Dillingen-Bouzonville, durch die der teure Wechsel von Lokomotiven und das Fahren mit Dieseltriebwagen unnötig und der Aufwand für die Betriebsführung auf deutscher wie auf französischer Seite erheblich verringert werden könnte und bei der es mit dem Bau einer zusätzlichen Mosel-Brücke östlich von Thionville die Chance gäbe, die Fahrzeit nach Luxemburg um bis zu 25 Minuten zu reduzieren? Zu Frage 3: Die saarländische Landesregierung hat sich in den letzten Jahren wiederholt für eine Wiederaufnahme des Personenverkehrs auf der Strecke von Dillingen nach Bouzonville und weiter nach Thionville engagiert. Das Thema stand im Mittelpunkt des sog. „Kleinen Bahngipfels“ in Siersburg 2015 unter Beteiligung der französischen Seite und wurde in den vergangenen Jahren in zahlreichen Gesprächen mit dem französischen Aufgabenträger im Schienenpersonennahverkehr auf Initiative des Saarlandes erörtert. Dabei wurde deutlich, dass auf französischer Seite derzeit kein ausreichendes Fahrgastpotenzial für eine Reaktivierung der Verbindung gesehen wird. Vor diesem Hintergrund scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Investition von grob geschätzt 14 Mio. € allein für die Elektrifizierung auf deutschem Gebiet nicht vermittelbar. Um die Option auf eine zukünftige Reaktivierung der Strecke im SPNV aufrechtzuerhalten, haben sich das Saarland und die Region „Grand Est“ dahingehend verständigt, die Trasse nach einer möglichen Stilllegung durch Vereinbarungen mit den Infrastrukturunternehmen zu sichern. Im Hinblick auf den Güterverkehr ist anzumerken, dass das zentrale Problem bei den seit Bekanntwerden der Stilllegungsabsichten der DB Netz AG erfolgten Anstrengungen , die grenzüberschreitende Strecke erneut im Güterverkehr zu betreiben, die nicht erfolgte Genehmigung von Trassen in Frankreich ist und nicht die fehlende Elektrifizierung der Strecke. Bezüglich der Trassengenehmigung konnte auch durch Gespräche der Landesregierung mit SNCF Réseau kein Durchbruch erzielt werden. Drucksache 16/612 (16/548) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Bahnstrecken? Zu Frage 5: Die saarländische Landeregierung hat sich zusammen mit Rheinland-Pfalz, Baden- Württemberg, der Schweiz und der Region „Grand Est“ in einem Interreg-Projekt zur Ermittlung des zukünftigen Verkehrsbedarfs und des Zugmaterials im grenzüberschreitenden SPNV engagiert. Gegenstand der Untersuchung waren für das Saarland die Strecken Saarbrücken – Metz, Saarbrücken – Straßburg sowie Trier – Perl – Metz. Bei allen Strecken stand die Einrichtung von taktgebundenen Direktverbindungen mit neuem Fahrzeugmaterial im Fokus der Untersuchung. In Fortführung des Projekts planen das Saarland und die Region „Grand Est“ eine gemeinsame Konzeption und Ausschreibung der genannten Strecken zur Inbetriebnahme 2024. Gibt es Gespräche zwischen der Landesregierung und der Bundesregierung über die Förderung der Elektrifizierung von Strecken, der Anschaffung von Fahrzeugen nebst Nachlade-/Tankinfrastruktur, Investitionszuschüsse für Brennstoffzellen-Hybrid- Triebwagen und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die umweltfreundliche Schiene? Zu Frage 6: Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Elektrifizierung von dieselbetriebenen Schienenstrecken angehen zu wollen. Dazu soll der bundesweite Elektrifizierungsgrad von aktuell ca. 60 Prozent auf 70 Prozent bis 2025 erhöht werden. Finanziell unterstützt werden soll dies durch ein „umfassendes Förderprogramm “. Allerdings sind weder die Rahmenbedingungen noch die Finanzierung des Sonderprogramms final bekannt. Das Saarland hat mit den anderen Ländern deswegen im Rahmen der Gemeinsamen Konferenz der Verkehrs- und Straßenbauabteilungsleiter (GKVS) 1 am 12. und 13. September den Bund aufgefordert, in regelmäßigen Abständen über den Fortschritt und die Ausgestaltung des Sonderprogramms zu informieren. Das Angebot vom Bund, dass die Länder bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen unterstützend mitwirken , hat das Saarland ausdrücklich im Rahmen des GKVS begrüßt. Dies eröffnet die Chance, die bereits gemachten Erfahrungen von Landesseite einzubringen. Dies bietet ebenfalls Vorteile bei der Auswahl geeigneter Schienenstrecken. Es ist davon auszugehen , dass die saarländische „Wunschstrecke“ zur Elektrifizierung Wemmetsweiler – Lebach/Jabach im Ranking der bundesweiten Elektrifizierungsvorhaben einen wenig bedeutsamen Rang erreicht. Im Rahmen des vom Bund vorgeschlagenen Bund/Länder Arbeitskreises sollte versucht werden, einen Länderproporz zu erreichen, damit das Saarland bessere Chancen bekommt. Der Bund hat in Aussicht gestellt, für Nahverkehrsstrecken eine Finanzierungsmöglichkeit im Rahmen des Bundesprogramms nach den Gemeindefinanzierungsgesetz (Bundes-GVFG) nachzudenken. 1 Zur Vorbereitung der Sitzungen stützt sich die Verkehrsministerkonferenz auf die Gemeinsame Konferenz der Verkehrs- und Straßenbauabteilungsleiter (GKVS). Drucksache 16/612 (16/548) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 6 - Das Saarland sieht den Bund als Eigentümer der Schienenwege als verantwortlich für die Finanzierung des Erhalts sowie des Ausbaus. Eine Finanzierung durch das Bundes -GVFG belastet die Kommunen und Länder. Das Bundesverkehrsministerium hat zusammen mit Branchenvertretern den Masterplan Schienengüterverkehr im Sommer 2017 vorgestellt. Das Ziel ist, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, den Marktanteil des Sektors zu steigern und die Branche dauerhaft zu stärken. Der Bund wird im Rahmen des o.g. Masterplanes im Jahr 2018 die Trassenpreise für den Schienengüterverkehr deutlich senken. Dafür stellte er mit dem Haushalt 2018 350 Millionen Euro bereit. Diese Entscheidung wird von der saarländischen Landesregierung besonders begrüßt. Das Saarland wird die Erreichung der Ziele durch konkrete Maßnahmen des Bundes-Masterplanes Schienengüterverkehr begleiten. Im Vordergrund stehen hierbei die Gewährleistung einer leistungsfähigen Infrastruktur, die umfassende Nutzung von Innovationspotenzialen und die Verbesserung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen. Das Saarland befindet sich in Gesprächen mit dem Bund, um eine mögliche Anteilfinanzierung des Leuchtturmprojekts „Batterie-Elektrischer Triebzug (kurz BEMU)“ als in Frage 1 genannte Übergangslösung auf der Strecke Saarbrücken- Lebach/Jabach zu prüfen. Das Saarland erwägt zurzeit einen Förderantrag zu stellen, und zwar bei der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH, die zusammen mit dem Forschungszentrum Jülich, Projektträger Jülich, vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit der Umsetzung der „Förderrichtlinie Elektromobilität“ beauftragt ist. Gegenstand der Förderung sind „Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur“; im konkreten Fall ist es die Beschaffung der erforderlichen Ladeinfrastruktur (Bereitstellung von Bahnstrom im Abschnitt Bf Lebach bis Jabach) und die Hochrüstung der Elektrozüge zu BEMU-Zügen. Eine neue Förderrichtlinie soll in kürzerer Zeit vom Bund ins Leben gerufen werden. Ob das saarländische Leuchtturmprojekt gefördert werden kann, ist noch offen.