LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/613 (16/550) 23.10.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Ralf Georgi (DIE LINKE.) betr.: Barrierefreiheit im Saarland Vorbemerkung des Fragestellers: Die Umgestaltung der Bliesterrassen, ein städtebauliches Schlüsselprojekt zur Entwicklung der Neunkircher Innenstadt, wird mit Städtebauförderungsmitteln aus dem Bund- Länder-Programm „Stadtumbau West“ gefördert. Der Landesrechnungshof hat in seinem Jahresbericht 2017 bemängelt, „dass der Aspekt der Barrierefreiheit bei dieser zentralen innerstädtischen und vom Land/Bund bezuschussten Maßnahme nur sehr unzureichend berücksichtigt wurde. So ist die obere Ebene der Bliesterrassen barrierefrei überhaupt nicht zu erreichen. Ein Zugang zur unteren Ebene ist zwar theoretisch möglich, jedoch müssten Rollstuhlfahrer , Menschen mit Rollator oder Familien mit Kinderwagen dafür von der Brückenstraße aus einen Umweg von rund 700 m bis 800 m in Kauf nehmen (inklusive Rückweg rund 1,5 km). Faktisch ist dieser Personenkreis somit vom Zugang und der Nutzung dieses öffentlichen Raumes ausgeschlossen. Der Rechnungshof hat dies als inakzeptabel erachtet.“ Dabei heißt es in § 50 der Landesbauordnung: „(2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein. Dies gilt insbesondere für (…) Sport- und Freizeitstätten... (4) Sollen rechtmäßig bestehende bauliche Anlagen, andere Anlagen oder Einrichtungen nach den Absätzen 2 und 3 wesentlich geändert werden, so soll die Bauaufsichtsbehörde verlangen, dass auch die von der Änderung nicht unmittelbar berührten Teile mit den Anforderungen der Absätze 2 und 3 in Einklang gebracht werden, wenn dies für die Bauherrin oder den Bauherrn keine unzumutbaren Mehrkosten verursacht.“ Ausgegeben: 23.10.2018 (11.09.2018) Drucksache 16/613 (16/550) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Einer der Förderschwerpunkte der Städtebauforderung 2017 ist der „barrierefreie und demografiegerechte Umbau der Städte und Gemeinden“ mit dem Ziel, „die besonderen Möglichkeiten der Städtebauförderung, öffentliche Räume und Gebäude sowie das Wohnumfeld barrierefrei beziehungsweise barrierearm zu gestalten, Infrastrukturen bedarfsgerecht anzupassen und damit die Städte und Gemeinden für alle Bevölkerungsgruppen lebenswert und nutzbar zu erhalten“, heißt es in den Anwenderhinweise zu den Förderprogrammen Städtebauförderung 2017. Wie wurde im Falle der Bliesterrassen seitens des Landes und der Stadt Neunkirchen die Barrierefreiheit und insbesondere die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben aus dem Städtebauprogramm und der Landesbauordnung im Planungsverfahren berücksichtigt und anschließend geprüft und überwacht? Zu Frage 1: In § 50 der Landesbauordnung des Saarlandes heißt es, dass bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein müssen. Der vom Rechnungshof geprüfte 1. Bauabschnitt der Umgestaltung der Bliesterrassen hat 3 Ebenen: die obere Ebene, an der die Treppenanlagen ansetzen (Bliespromenade), die mittlere Ebene (Zwischenzone, die vom Rechnungshof als obere Ebene bezeichnet wird) und die untere Ebene (Bliesuferweg). Die obere Ebene ist uneingeschränkt barrierefrei, die untere Ebene mit einem Umweg von 300 – 700 m – je nachdem ob man vom Lübbener Platz oder der Brückenstraße kommt -barrierefrei erreichbar . Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass auch die mittlere Ebene zu den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen gehört, kann auf § 50 (5) verwiesen werden. „Von den Absätzen 1 bis 3 können Abweichungen zugelassen werden, soweit die Anforderungen wegen schwieriger Geländeverhältnisse nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.“ Zur Zeit erfolgt der Ausbau des 2. Bauabschnittes auf der gegenüberliegenden Uferseite, der auch mit Städtebaufördermitteln gefördert wird. In diesem Abschnitt, in dem mehr Platz für Rampen zur Verfügung steht, wird eine Barrierefreiheit auf allen Ebenen erreicht. Auch ohne die in Zukunft geplanten weiteren Bauabschnitte in die Betrachtung mit einzubeziehen, ist somit ein großer Teil der neuen öffentlichen Freiflächen der Bliesterrassen barrierefrei erreichbar. Das Thema Barrierefreiheit wurde im Vorfeld der Planung diskutiert. Hierzu wird auf die Ausführungen zur Beantwortung der Frage 2 verwiesen. Damit sind auch die Vorgaben der Städtebauförderung erfüllt. Eine Prüfung, ob die vorgegebenen Ziele erreicht werden, erfolgt bei der Prüfung des Verwendungsnachweises nach Abschluss der Maßnahme. Drucksache 16/613 (16/550) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Wie konnte es trotz der Vorgaben aus dem Städtebauprogramm und der Landesbauordnung dazu kommen, dass „der Aspekt der Barrierefreiheit bei dieser zentralen innerstädtischen und vom Land/Bund bezuschussten Maßnahme nur sehr unzureichend berücksichtigt wurde“ und „die obere Ebene der Bliesterrassen barrierefrei überhaupt nicht zu erreichen“ ist (Rechnungshof)? Zu Frage 2 Die Prüfung des Rechnungshofes bezog sich lediglich auf den 1. Bauabschnitt der Bliesterrassen , insofern betrachtet sie nur eine Teilmaßnahme, die von Anfang an als eine Art Zwischenbaustand gedacht war. Der 2. Bauabschnitt, für den die Landesregierung ebenfalls Städtebaufördermittel bereitgestellt hat, wird gerade gebaut. Dieser ist auf allen Ebenen barrierefrei erreichbar und bietet aufgrund der größeren zur Verfügung stehenden Grundfläche mehr Nutzungsmöglichkeiten, auch für Personengruppen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Aus Sicht der Landesregierung sowie der Stadt Neunkirchen müssen die Bauabschnitte zusammen betrachtet werden. Im Übrigen wurden in der Planungsphase auch Überlegungen zur Anlegung von Rampen im 1. Bauabschnitt angestellt. Allerdings hätten diese aufgrund des großen Höhenunterschiedes und der geringen zur Verfügung stehenden Fläche sehr viel Raum in Anspruch genommen , so dass die gestalt- und nutzbare Freifläche reduziert und die Verkehrsfläche deutlich vergrößert worden wäre. Zudem wären zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen des Hochwasserschutzes erforderlich gewesen. Die Stadt Neunkirchen hat in Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in Kauf genommen, dass die mittlere Ebene des 1. Bauabschnittes (die bei der Anlegung von Rampen gar nicht entstanden wäre) nicht barrierefrei erreichbar ist. Wird die Vergabe von Mitteln aus dem Bund- Länder-Programm „Stadtumbau West“ und anderer Fördermittel des Landes an Auflagen zur Erreichung des gesellschaftlichen Ziels eines barrierefreien Zugangs für alle Bevölkerungsgruppen gekoppelt? Wenn nicht: Warum nicht? Zu Frage 3: Gemäß Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung (VV 2018) stimmen Bund und Länder überein, dass gemäß II.1.b) den Belangen von Menschen mit Behinderungen durch die barrierefreie bzw. barrierearme Gestaltung öffentlicher Räume und Gebäude sowie des Wohnumfeldes Rechnung getragen werden soll. Sofern es technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, werden die saarländischen Kommunen in allen Förderprojekten der Städtebauförderung, - insbesondere bei Baumaßnahmen - zur Berücksichtigung der Barrierefreiheit bzw. Barrierearmut aufgefordert. Auch separate Konzepte für die Erreichung der Barrierefreiheit/-armut in den Fördergebieten der Städtebauförderung werden bezuschusst. In den regelmäßig als Fördervoraussetzung zu erstellenden Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepten spielt das Thema „Barrierefreiheit /-armut“ eine wichtige Rolle.