LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/75 (16/33) 29.08.2017 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Dennis Lander (DIE LINKE.) betr.: Erhebung und Speicherung personengebundener Hinweise durch die saarländische Polizei Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Polizei von Bund und Ländern nutzt verschiedene Datenbanken, um sogenannte personengebundene Hinweise (PHW) über Verdächtige und Beschuldigte zu speichern. Auf Anfrage der Linksfraktion hat die Landesregierung im Februar 2015 bestätigt (Drucksache 15/1252), dass die Polizei im Saarland 12 verschiedene PHW zu einzelnen Personen im polizeilichen Informationssystem (POLIS/INPOL - Land bzw. saarländischer Bestand in INPOL - Zentral) erfasst: bewaffnet (BEWA), gewalttätig (GEWA), Ausbrecher (AUSB), Ansteckungsgefahr (ANST), geisteskrank (GEKR), Betäubungsmittelkonsument (BTMK), Freitodgefahr (FREI), Straftäter rechtsmotiviert (REMO), Straftäter linksmotiviert (LIMO), Straftäter politisch motivierte Ausländerkriminalität (AUMO), Sexualstraftäter (SEXT), Explosionsgefahr (EXPL).“ Ist der völlig unwissenschaftliche Begriff „geisteskrank “ inzwischen durch den Begriff „psychische oder Verhaltens-Störung“ ersetzt worden – und wenn ja: Welche Störungen sind damit genau gemeint ? Zu Frage 1: Der Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz stimmte in seiner 247. Sitzung am 14./15.10.2015 der Einführung von Ermittlungsunterstützenden Hinweisen (EHW) sowie der Umwandlung von Personengebundenen Hinweisen (PHW) zu EHW zu. Ausgegeben: 29.08.2017 (16.06.2017) Drucksache 16/75 (16/33) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Der Begriff „geisteskrank“ wurde in Anlehnung an die ICD-10 Klassifikation durch die Bezeichnung „Psychische und Verhaltensstörungen“ ersetzt. Gemäß des Leitfadens zur Vergabe von personengebundenen Hinweisen vom 09.02.2016 darf der PHW „Psychische und Verhaltensstörung“ nur vergeben werden, wenn ärztlich festgestellt ist, dass der Betroffene an einer psychischen Erkrankung leidet und daraus Gefahren für ihn selbst oder andere resultieren können. Wie viele Personen sind derzeit jeweils mit den genannten Kategorien in den Datenbanken der saarländischen Polizei erfasst? (Bitte einzeln auflisten .) Zu Frage 2: Es ist zu beachten, dass zu einzelnen Straftätern ggfs. mehrere PHW in INPOL- Land/POLIS gespeichert sind bzw. durch die Polizei Saarland erfasste Personen einen PHW auch von einem anderen Bundesland in INPOL-Zentral/Bund erhalten haben können. Nachstehende Auflistung bezieht sich auf PHW zu Personen, die durch die saarländische Polizei im Informationssystem INPOL erfasst wurden. Zeitraum: Gesamt PHW Anzahl BEWAFFNET 281 GEWALTTÄTIG 1418 AUSBRECHER 16 ANSTECKUNGSGEFAHR 33 PSYCHISCHE UND VERHALTENSSTÖRUNGEN 31 BTM-KONSUMENT 3963 FREITODGEFAHR 93 POLITISCH MOTIVIERTER STRAFTÄTER (PMK-Rechts) 138 POLITISCH MOTIVIERTER STRAFTÄTER (PMK-Links) 12 POLITISCH MOTIVIERTER STRAFTÄTER (PMK- Ausländerkriminalität) 6 SEXUALTÄTER 2744 EXPLOSIVSTOFFGEFAHR 2 Summe 8737 Drucksache 16/75 (16/33) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Wie viele Personen sind in den vergangenen beiden Jahren neu mit den genannten Kategorien in die Datenbanken der saarländischen Polizei aufgenommen worden? (Bitte einzeln auflisten.) Zu Frage 3: Zeitraum: 2015-2017 Stichtag 21. Juni PHW Anzahl BEWAFFNET 45 GEWALTTÄTIG 146 AUSBRECHER 2 ANSTECKUNGSGEFAHR 17 PSYCHISCHE UND VERHALTENSSTÖRUNGEN 7 BTM-KONSUMENT 884 FREITODGEFAHR 91 POLITISCH MOTIVIERTER STRAFTÄTER (PMK-Rechts) 14 POLITISCH MOTIVIERTER STRAFTÄTER (PMK-Links) 3 POLITISCH MOTIVIERTER STRAFTÄTER (PMK- Ausländerkriminalität) 1 SEXUALTÄTER 342 EXPLOSIVSTOFFGEFAHR 2 Summe 1554 Wie viele Personen, zu denen Personengebundene Hinweise in den genannten Kategorien in den Datenbanken der saarländischen Polizei erfasst sind, sind als Straftäter überführt, wie viele waren Tatverdächtige, wie viele lediglich Zeugen? Zu Frage 4: Die im Landesbestand von POLIS (INPOL-Land) und im bundesweit abrufbaren Datenbestand von INPOL-Z (INPOL-Bund) gespeicherten Daten dienen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten und somit der Verhütung der zukünftigen Straftatenbegehung und/oder der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (Vorsorgedateien ). Wesentliche Rechtsgrundlage zur Speicherung der Daten in POLIS (INPOL- Land) ist § 30 Abs. 2 SPolG. Demzufolge bedarf es eines Tatverdachtes und der Prognose der Wiederholungsgefahr einer zukünftigen Straftatenbegehung (Negativprognose ). Zudem müssen die Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich sein. Die Errichtungsanordnung POLIS erlaubt die Speicherung personenbezogener Daten ausschließlich, soweit die zugrundeliegende Gefahr oder Straftat im Saarland verursacht oder verübt bzw. gemeldet oder zur Anzeige gebracht wurde. Drucksache 16/75 (16/33) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Gespeichert werden: Personen, gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist und bei denen wegen der Art, Ausführung oder Schwere der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen die Besorgnis der Begehung weiterer rechtswidriger Taten besteht. Hierunter fallen auch Kinder, die eine rechtswidrige Tat begangen haben, soweit sie im Laufe der Speicherungsfrist das 14. Lebensjahr vollenden und die weiteren Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 SPolG vorliegen. Eine Unterscheidung zwischen Tatverdächtigen und überführten Straftätern wird nicht vorgenommen. Vermisste Personen, wenn wegen der Umstände des Einzelfalles sowie der Persönlichkeit des Betroffenen auch zukünftig die Besorgnis des Vermisstseins besteht und mit Gefahren für die Person zu rechnen ist. Suizidgefährdete Personen nach § 30 Abs. 1 SPolG. Eigentümer von in der Sachfahndung ausgeschriebenen Gegenständen. Zeugen werden in POLIS nicht erfasst. Die Anzahl der auf Grundlage der Bedingungen erfassten Personen ergibt sich aus der Antwort zu Frage 2. Wie wollen Polizei und Landesregierung den Schutz von Polizeikräften vor einer HIV-Infektion im Einsatz angesichts der Tatsache sicherstellen, dass einige HIV-Positive selber gar nichts von ihrer Infektion wissen und daher auch nicht in ärztlicher Behandlung sind – während HIV-Positive, die von ihrer Infektion wissen und deshalb medikamentös behandelt werden, nicht mehr ansteckend sind? Für wie wirksam zum Schutz von Polizeibeamten hält die Landesregierung vor diesem Hintergrund den Personengebundenen Hinweis „Ansteckungsgefahr “? Zu Frage 5: Personengebundene Hinweise dienen dem Schutz des Betroffenen und der Eigensicherung von Polizeibediensteten. Dieser Schutzfunktion werden die personengebundenen Hinweise nur dann gerecht, wenn alle Teilnehmer sicherstellen, dass entsprechend der INPOL-Konventionen, die Vergabe von personengebundenen Hinweisen zumindest im Zusammenhang mit INPOL-relevanten Daten auf der Basis des bundeseinheitlich abgestimmten Leitfadens durchgeführt wird. Dazu gehört auch die Einsicht, dass personengebundene Hinweise nicht auf Grund landesspezifischer Vorgaben mit veränderten Vergabekriterien gespeichert oder bezüglich der Vergabe gänzlich ausgeklammert werden dürfen. Die im Leitfaden vorliegenden Kriterien sollen eine möglichst bundeseinheitliche Verfahrensweise bei Vergabe von personengebundenen Hinweisen ermöglichen, um so ein gemeinsames Verständnis und eine einheitliche Einschätzung von Gefahrensituationen für die Betroffenen und die einschreitenden Polizeibediensteten zu gewährleisten. Der polizeiliche Hinweis ANST wird nur vergeben, wenn bei der betreffenden Person von einer ärztlichen oder von einer sonstigen öffentlichen Stelle festgestellt wird, dass eine HIV-Erkrankung, Hepatitis B oder C gegeben ist. Hierzu bedarf es eines medizinischen Attests bzw. einer entsprechenden ärztlichen Unterlage (z.B. vom Gesundheitsamt ). Auch Selbstauskünfte des jeweils Betroffenen reichen aus. Grund für die Speicherung des PHW ist in erster Linie der Schutzbedarf der einschreitenden Polizeibeamten ; gleichzeitig wird mit diesem Hinweis aber auch sichergestellt, dass einer erkrankten Person im Notfall die richtige ärztliche Hilfe zuteilwerden kann. Drucksache 16/75 (16/33) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Unter Berücksichtigung der bereits angeführten Ziele der personengebundenen Hinweise und der dargelegten Kriterien für die Vergabe wird der personengebundene Hinweis ANST als wirksames Mittel zum Schutz der Bediensteten als auch des Betroffenen gesehen. Sind die Personengebundenen Hinweise weiterhin für jeden Polizisten, beispielsweise auch bei reinen Verkehrskontrollen, bei der Abfrage von Daten sichtbar? Zu Frage 6: § 98c StPO ermächtigt zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person, nach der für Zwecke eines Strafverfahrens gefahndet wird, personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren mit anderen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten abzugleichen. Für § 98c StPO ist kennzeichnend: Die abzugleichenden Daten (z. B. der Name des Beschuldigten) stammen aus einem Strafverfahren und wurden infolgedessen repressivpolizeilich erhoben. Der Abgleich erfolgt zu repressivpolizeilichen Zwecken (Erkenntnisgewinnung zur Strafverfolgung). Der Abgleich erfolgt mit Datenbeständen, die zur Strafverfolgung, Strafvollstreckung oder zur Gefahrenabwehr gespeichert wurden. Somit gilt: Stammen z. B. Name, Geburtsdatum etc. aus einen Strafverfahren, dürfen diese Daten zum Zwecke der Straftatenaufklärung oder der Aufenthaltsermittlung mit den in POLIS gespeicherten Daten unter Beachtung der Tatbestandsvoraussetzungen der Norm abgeglichen werden. Der Datenabgleich muss stets zur vollzugspolizeilichen Aufgabenerledigung erforderlich sein. Nach § 36 SPolG kann die Vollzugspolizei personenbezogene Daten der in den §§ 4, 5 sowie 26 Abs. 2 Nr. 1 SPolG genannten Personen mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgleichen. Personenbezogene Daten anderer Personen kann die Vollzugspolizei abgleichen , wenn das auf Grund tatsächlicher Anhaltpunkte zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich erscheint. Die Vollzugspolizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen . Ein Abgleich der gemäß § 26 Abs. 3 SPolG erlangten personenbezogenen Daten ist nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig. Rechtsvorschriften über den Abgleich personenbezogener Daten in anderen Fällen bleiben unberührt. Eine derartige gesetzliche Vorschrift ist z. B. § 98c StPO im Zusammenhang mit Strafverfolgungsmaßnahmen oder spezielle Ermächtigungen zum Datenabruf im zentralen Verkehrsinformationssystem (ZEVIS) nach dem StVG. Für § 36 SPolG ist kennzeichnend: Die abzugleichenden Daten (z. B. Name, Geburtsdatum) wurden auf präventivpolizeilicher Grundlage erhoben. Sie stammen von einem „Störer“ (§§ 4, 5 SPolG) oder einem „potentiellen Täter zukünftiger Straftaten“ (§ 26 Abs. 1 SPolG). Drucksache 16/75 (16/33) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 6 - Sofern die abzugleichenden Daten von „anderen Personen“ als v. g. Personengruppe stammen, bedarf es „tatsächlicher Anhaltspunkte“ dafür, dass die Abfrage „zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich erscheint“. Im Rahmen der Aufgabenerfüllung erlangte Daten, können mit dem Fahndungsbestand abgeglichen werden. Somit gilt: Wurden die Daten zum Zwecke der Abwehr konkreter Gefahren von einem Verhaltens- oder Zustandsverantwortlichen oder von einem Normadressaten i. S. d. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SPolG erhoben, so fungiert § 36 SPolG als Ermächtigungsgrundlage für die Datenabfrage in POLIS. Datenabgleiche sind unter Beachtung der Tatbestandsvoraussetzungen der Norm und der stets zu beachtenden Erforderlichkeit zur vollzugspolizeilichen Aufgabenerledigung erlaubt. Die Daten „anderer Personen“ dürfen abgeglichen werden, wenn das auf Grund „tatsächlicher Anhaltspunkte“ zur „Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich erscheint“. Tatsächliche Anhaltspunkte sind konkrete Umstände des Einzelfalles, die objektiv nachvollziehbar sind. Durch die Anknüpfung an die „Erfüllung polizeilicher Aufgaben“ soll verhindert werden, dass die Vorschrift auf eine tatbestandslose Befugnisnorm hinausläuft. Polizeiliche Aufgaben im Sinne der Norm sind die in § 1 SPolG aufgeführten Aufgaben. Es bedarf, wie auch bereits bei § 98c StPO aufgeführt, in sämtlichen Fällen eines dienstlichen Erfordernisses zum Datenabruf. Bei auf Grundlage der dargestellten rechtlichen Bestimmungen getätigten Abfragen sind die PHW sichtbar. Sind die Personengebundenen Hinweise auch für Mitarbeiter des Polizeilichen Ordnungsdienstes abrufbar? Zu Frage 7: POD-Mitarbeiter haben keinen Zugriff auf INPOL/POLIS. Wie lange werden die Personengebundenen Hinweise in den Datenbanken der saarländischen Polizei gespeichert? Zu Frage 8: Die Aufbewahrungsdauer der einzelnen PHW richtet sich, bis auf den PHW „Freitodgefahr “ (2 Jahre), gemäß dem PHW-Leitfaden nach der Richtlinie für die Führung Kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen (KpS-RL). Für Speicherungen gelten demnach für erwachsene Personen Aufbewahrungsfristen von 10 Jahren, für Jugendliche 5 Jahre und für Kinder 2 Jahre.