LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/79 (16/42) 29.08.2017 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Jochen Flackus (DIE LINKE.) betr.: Investitionen in Mikroelektronik und Ansiedlung entsprechender Unternehmen Vorbemerkung des Fragestellers: „Bosch hat angekündigt, in Dresden eine Halbleiterfabrik für eine Milliarde Euro zu bauen – die größte Investition der Firmengeschichte. In den saarländischen Bosch-Standorten sind dagegen Arbeitsplätze in Gefahr. Der Bund fördert die Investition von Unternehmen in die Zukunftsbranche Mikroelektronik bis 2020 mit insgesamt einer Milliarde Euro.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Landesregierung beschäftigt sich bereits seit mehreren Jahren mit der Frage der Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Saarland. Das Saarland hat im Laufe seiner Geschichte gezeigt, wie es gelingt, dem Strukturwandel zu begegnen und neue Wege zu beschreiten. So haben zahlreiche Unternehmen im Saarland ihre Marktpositionen durch die hohe Qualität ihrer Produkte und Verfahren ausbauen können und in ihren Segmenten auch international eine starke Positionierung erreicht. Entwicklungen wie die fortschreitende Digitalisierung, der Wandel der Mobilität und die zunehmenden internationalen Verflechtungen stellen für die saarländische Wirtschaft jedoch eine Herausforderung dar. Sie bieten viele Chancen, aber auch Risiken für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Darüber hinaus müssen sich Wirtschaft und Politik auch mit Fragen in Bezug auf den demografischen Wandel, den Fachkräfteengpass oder die Auswirkungen der Energiepreisentwicklung auf den Produktionsstandort beschäftigen. Im Rahmen der Fortschreibung der „Strategie für Innovation und Technologie des Saarlandes“ und der Studie „Saarlands Wirtschaft 2030“ im Rahmen der industriepolitischen Leitlinien hat sich die Landesregierung intensiv mit der Frage beschäftigt, welche Maßnahmen seitens der Politik ergriffen werden müssen, um geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die unternehmerisches Handeln flankieren und so die Wettbewerbsfähigkeit und Eigenständigkeit des Landes langfristig sichern. Ausgegeben: 29.08.2017 (21.06.2017) Drucksache 16/79 (16/42) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Es wurden in diesem Kontext Standortvorteile herausgearbeitet, mit denen sich das Saarland im nationalen und auch internationalen Vergleich hervorragend positionieren kann. Darüber hinaus wurden sogenannte Leitmärkte identifiziert, die nachweisbare Wertschöpfungsketten am Standort bilden, die bestimmend für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sind, die aktuell bedeutend für das Saarland sind und zugleich hohe Zukunftspotenziale für das Land aufweisen und durch diese Eigenschaften für eine zukunftsorientierte Ansiedlungs- und Standortpolitik von herausragender Bedeutung sind. Unabhängig von der für diese Anfrage ausschlaggebenden Entscheidung des Unternehmens Bosch, in Dresden eine Halbleiterfabrik zu bauen, besteht seitens der Landesregierung schon längere Zeit ein intensiver Austausch mit den Entscheidungsträgern des Bosch-Konzerns zur Sicherung der saarländischen Standorte. Hierzu verweist die Landesregierung auch auf ihre entsprechende Berichterstattung im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Landtages des Saarlandes. Hat sich das Saarland als Standort für die neue Halbleiterfabrik von Bosch beworben und haben entsprechende Gespräche der Landesregierung mit der Geschäftsführung stattgefunden? Wenn nein: Warum nicht? Zu Frage 1: Eine Ausschreibung, die eine Bewerbung auf das Projekt zugelassen hätte, fand nicht statt. Bosch hat weltweit Standorte auf ihre Eignung geprüft. In der engeren Wahl standen, neben Dresden, auch Singapur und New York. Drei Standorte, an denen bereits seit Langem eine Agglomeration der Chip Produktion etabliert ist. Dresden hat sich als Zentrum für Halbleitertechnik seit vielen Jahren etabliert. Hier produzieren bereits große Unternehmen wie beispielsweise Infineon und Globalfoundries Mikrochips. Durch die wirtschaftlichen Schwankungen der Branche in Sachsen kann auf ein großes Arbeitskräftepotenzial zugegriffen werden. Bosch selbst ist bereits seit 2013 mit einer Entwicklungsabteilung für Chips in Dresden ansässig. Führt die Landesregierung darüber Gespräche mit der Geschäftsführung von Bosch, wie die Arbeitsplätze an den saarländischen Standorten dauerhaft gesichert werden können, wie das Land bei der notwendigen strategischen Umstellung auf eine Digitalisierung der Produktion helfen kann und wie die Produktion neuer, zukunftsfähiger Produkte im Saarland ermöglicht werden kann? Wenn ja: Wie ist der aktuelle Stand? Zu Frage 2: Seit dem Bekanntwerden der Pläne von Bosch, die Geschäftstätigkeiten der Bosch Emission Systems GmbH (BESG) zu schließen, hat die saarländische Landesregierung ihre Gespräche sowohl mit den Beschäftigtenvertretern, den Betriebsräten und den Gewerkschaften, als auch mit der Konzernleitung intensiviert und steht in ständigem Austausch. Ziel der Gespräche ist dabei immer der dauerhafte Erhalt der bestehenden Arbeitsplätze in den saarländischen Standorten des Bosch-Konzerns. Die Vertreter von Bosch haben der Landesregierung versichert, dass die saarländischen Werke im Bosch-Konzern eine wichtige Rolle spielen. Die Rolle des Bosch- Werks in Homburg als Leitwerk für Neuentwicklungen unterstreicht dies. Dort wurden seitens Bosch in den vergangenen fünf Jahren rund 140 Millionen Euro investiert. Drucksache 16/79 (16/42) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Allen Beteiligten ist jedoch klar, dass die weitere Entwicklung in den Werken entscheidend von der Entwicklung der Dieseltechnologie abhängig ist. Die Landesregierung setzt sich daher für einen fairen Umgang mit der Dieseltechnologie ein. Parallel dazu laufen aber auch Gespräche, welche alternativen Produkte gefertigt werden können, um das Werk Homburg unabhängiger vom Diesel-Geschäft zu machen. Hierzu arbeiten Landesregierung und Konzernleitung derzeit gemeinsam an strategischen Lösungen, welche zukunftsfähigen Produkte Bosch im Saarland künftig entwickeln und produzieren könnte und wie die Landesregierung die notwendige Umstellung der Produktion unterstützen kann. Dabei ist auch die Einbindung der saarländischen Technologie- und Informatikeinrichtungen von besonderer Bedeutung. Ziel der gemeinsamen Aktivitäten, beispielsweise des im Oktober 2016 durchgeführten Innovationstages oder auch der von der IG Metall Homburg-Saarpfalz unter der Beteiligung der Landesregierung durchgeführten Vortrags- und Diskussionsveranstaltung „Zukunft des Diesel“ im April diesen Jahres, ist die Erarbeitung eines umfassenden Zukunftskonzeptes für alle saarländischen Bosch-Standorte. Da nach Ausführungen der Bosch-Geschäftsführung der Standort Dresden, europaweit bekannt für sein Mikroelektronik-Cluster, „Silicon Saxony“ genannt, ausgewählt wurde, um die Halbleiterkompetenz von Bosch auszubauen, beeinflusst die Entscheidung des Bosch-Konzerns, sein neues Halbleiterwerk in Dresden zu errichten, die Konzepte für die saarländischen Standorte nicht. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus der Entscheidung von Bosch, die größte Investition der Firmengeschichte in Dresden vorzunehmen ? Zu Frage 3: Vor allem bei kapitalintensiven Investitionen in Produktionsstandorte spielt auch die mögliche Förderung bei der Standortwahl eine wichtige Rolle. Hier ist durch die EU-regulierte Förderung in den neuen Bundesländern eine erheblich höhere Zuwendung für den Investor möglich als in den alten Bundesländern. Auch vorhandene Kompetenzen an alternativen Standorten haben einen wesentlichen Einfluss auf Standortentscheidungen bei Unternehmensansiedlungen, wie das Beispiel Bosch gezeigt hat. Branchensegmente, die von anderen Standorten seit vielen Jahren erfolgreich besetzt werden und in denen das Saarland keine Alleinstellungsmerkmale aufweisen kann, können jedoch nicht im Fokus einer strategisch ausgerichteten Akquise stehen. Vielmehr muss eine strategische Ansiedlungspolitik Schwerpunkte setzen. So bewirbt die gwSaar als Partner der Landesregierung in Sachen Unternehmensansiedlungen den Standort Saarland national und international speziell in sogenannten Leitmärkten, die besondere Zukunftspotenziale aufweisen, die bestimmend für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Standortes sind und in denen das Saarland wirtschaftliche und wissenschaftliche Stärken vorweisen kann. Wie will die Landesregierung bei künftigen ähnlichen privaten Investitionen vorgehen, um die Neuansiedlung zukunftsfähiger Branchen im Saarland zu erreichen? Zu Frage 4: Die Landesregierung betreibt gemeinsam mit den entsprechenden Landesgesellschaften ein intensives Standortmarketing im In- und Ausland. Die Akquiseaktivitäten umfassen die Direktansprache von Unternehmen ebenso wie den Kontakt zu beratenden Unternehmen, die in die Standortwahl eingebunden sind. Drucksache 16/79 (16/42) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Die Qualität des Standortes, die sich beispielsweise auch durch die saarländische Forschungslandschaft ergibt, wird in der Akquise und der Bewerbung des Saarlandes intensiv eingesetzt. Wo immer möglich wird die Kooperation mit diesen Stellen angeregt und vermittelt. Ein Alleinstellungsmerkmal für den Standort Saarland ist das Leistungsangebot aus einer Hand: Die Wirtschaftsförderung des Landes ist eng verzahnt mit den immobilienwirtschaftlichen Angeboten der Strukturholding Saar. Hierdurch können Unternehmen sowohl gewerbliche Flächen, als auch Produktions- und Verwaltungsgebäude in unterschiedlicher technischer Ausstattung angeboten werden. Im Rahmen des „Masterplans Industrieflächen“ arbeitet die Landesregierung gemeinsam mit der Strukturholding Saar daran, auf die sich wandelnde Nachfrage an zusammenhängenden Industrieflächen zu reagieren und kurz- und mittelfristig geeignete Standorte anbieten zu können. Aber auch die Verfügbarkeit effizienter Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen ist ein entscheidendes Kriterium bei der Standortwahl. Die Landesregierung stellt im Rahmen ihrer EU-beihilferechtlichen Möglichkeiten ein breit gefächertes Angebot an Förder- und Finanzierungsinstrumenten bereit. Dieses reicht von klassischen Zuschüssen über Bürgschaften, Beteiligungen, Mezzanine-Kapital bis zu zinsgünstigen Darlehen. In enger Zusammenarbeit mit der Saarländischen Investitionskreditbank AG zielen die Aktivitäten der Wirtschaftsförderung der Landesregierung auf die optimierte Kombination der verfügbaren Instrumente ab. Im sogenannten C- Fördergebiet, wozu auch das Industriegebiet „Lisdorfer Berg“ zählt, können beispielsweise Ansiedlungsvorhaben im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ mittels nicht rückzahlbarer Zuschüsse gefördert werden. Die Höhe der Förderung beträgt dabei in Abhängigkeit der Größe des Unternehmens zwischen 10 % und 30% der förderfähigen Investitionen. Die Kombination der Instrumente der Wirtschaftsförderung mit dem Produktportfolio der Strukturholding Saar bietet potenziellen Ansiedlern so ein hervorragendes Gesamtpaket , das international konkurrenzfähig ist. Im europaweiten Standortwettbewerb kann sich das Saarland gegenüber der Konkurrenz behaupten und hat dies zuletzt bei Ansiedlungsvorhaben am Lisdorfer Berg eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Darüber hinaus strebt die Landesregierung den zukunfts- und bedarfsgerechten Ausbau der Beratungsinfrastruktur für saarländische Unternehmen im Kontext der fortschreitenden Digitalisierung an. Mit einer geplanten Netzwerkstelle „Digitalisierung“ in der Wirtschaft und Arbeitswelt im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr wird die Landesregierung die Grundlage dafür schaffen, die saarländischen Unternehmen aktiv bei der Digitalisierung ihrer Prozesse und Geschäftsmodelle zu unterstützen und so das Saarland zu einem Wirtschaftsstandort entwickeln, an dem sich eine Bandbreite von Unternehmen konkurrenzfähig entwickeln kann. Die Landesregierung arbeitet stetig an der Verbesserung von für zukunftsfähige Branchen strategisch relevanten Standortfaktoren, um private Investitionen am Wirtschaftsstandort Saarland grundsätzlich möglichst attraktiv zu gestalten. So wurden beispielsweise die Ausarbeitung der Standortvorteile des Saarlandes, insbesondere für Unternehmen mit Industrie- und Produktionsbezug, durch den industriepolitischen Leitbildprozess „Saarland Industrieland“ geschärft und bei der Akquise eingesetzt. Auch in Zukunft wird die Landesregierung sowohl traditionelle Kernbereiche der Saarwirtschaft stärken aber auch neue, zukunftsfähige Schwerpunkte setzen und so den Standort krisensicher diversifizieren. Die bestehenden Kontakte zu wichtigen Unternehmensentscheidern werden ausgebaut, der Austausch mit den heimischen Unternehmen vertieft und vorausschauend auf mögliche Veränderungsbedarfe eingegangen . Drucksache 16/79 (16/42) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Wie will die Landesregierung von der Förderung des Bundes von Investitionen in die Mikroelektronik profitieren? Welche Initiativen gibt es bereits, beziehungsweise beabsichtigt die Landesregierung , solche Initiativen zu initiieren? Zu Frage 5: Im Juli 2016 gab das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bekannt, dass die Bundesregierung für die Jahre 2017 bis 2020 für ein Investitionsprogramm zur Mikroelektronik insgesamt eine Milliarde Euro an Investitionszuschüssen zur Verfügung stellen wird. Das Programm sollte gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedsstaaten als sogenanntes wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse (IPCEI) starten und in den folgenden Jahren Investitionen in Deutschland in Höhe von mindestens 3,3 Milliarden Euro auslösen. Die Förderbekanntmachung erfolgte im August 2016, die Frist für eine Interessenbekundung endete bereits Mitte September 2016. Nach diesseitiger Kenntnis sollen die Fördermittel in Höhe von einer Milliarde Euro konkret an elf Großunternehmen wie Infineon, Globalfoundries und Robert Bosch sowie an sieben Mittelständler wie z. B. das Erfurter Unternehmen X-Fab fließen. Wenngleich die in Aussicht gestellten Fördermittel voraussichtlich bereits vergeben sind und Mikroelektronik aktuell keinen Schwerpunkt der saarländischen Wirtschaft darstellt, wird die Landesregierung entsprechende Förderinitiativen des Bundes und ggf. auch der EU weiterhin im Blick halten. Das in Rede stehende Rahmenprogramm „Mikroelektronik aus Deutschland – Innovationstreiber der Digitalisierung“ ist Teil der Digitalen Agenda und der Hightech- Strategie der Bundesregierung. Ziele des Rahmenprogramms sind es u. a., die Innovations - und Investitionsdynamik der Wirtschaft weiter zu steigern und engere Verbindungen zwischen Forschung und Wirtschaft zu erreichen, um wiederum eine schnelle Anwendung der Forschungsergebnisse zu ermöglichen. Die Innovations- und Wirtschaftspolitik der Landesregierung zielt ebenfalls auf die Erhöhung privater Investitionen und eine Verstärkung des Technologie- und Wissenstransfers von der Wissenschaft in die Wirtschaft ab. Die finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand als Anreiz zur Steigerung privater Investitionen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die Landesregierung selbst, aber auch Akteure wie der saarland.innovation&standort e. V. (saaris) oder das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik gGmbH (ZeMA) arbeiten daher offensiv daran, überregionale Fördermittel zu akquirieren, sei es im Wege der Information und Unterstützung bei der Antragstellung oder direkt als Empfänger einer EU- oder Bundesförderung .