LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/81 (16/45) 29.08.2017 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Barbara Spaniol (DIE LINKE.) Dagmar Ensch-Engel (DIE LINKE.) betr.: Berücksichtigung der „Tabuzone“ durch die WEA am Höcherberg Vorbemerkung der Fragestellerinnen: „Es gibt von der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten . Sie berücksichtigen das grundsätzlich gebotene Minimum zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Darin wird im Hinblick auf den Rotmilan ausgeführt, dass in Anbetracht der hohen Verantwortung , die Deutschland für diese Art hat, ein Mindestabstand von 1.500 m empfohlen wird, der rund 60 % aller Flugaktivitäten umfasst. Auch im Saarland sind diese Abstandsempfehlungen gemäß dem Leitfaden zur Beachtung artenschutzrechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung zu Grunde zu legen. Nun gibt es in dem Waldgebiet am Höcherberg zwischen Lautenbach und Höchen offenkundig einen von Rotmilanen besetzten Horst, der genau in der gewichteten Mitte zwischen den fünf Windrädern liegt, die am Höcherberg mit Bescheid vom 30.12.2016 genehmigt wurden und mit deren Errichtung begonnen wurde. Drei der Windräder sollen dabei im 500m-Radius, alle fünf Windräder im 900m-Radius zu dem mit Rotmilanen besetzten Horst sein. Der Horst findet sich mitten im Wald und ist in jeder Richtung von den Rodungen für die Windräder umgeben. Jagdflüge werden somit notwendigerweise zuerst in diese Lichtungen führen und die streng geschützten Raubvögel in ihr Verderben ziehen. Das gilt übrigens nicht nur für den Rotmilan mit seinem besonders niedrigen Meideverhalten gegenüber Windrädern.“ Ausgegeben: 29.08.2017 (28.06.2017) Drucksache 16/81 (16/45) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Wurde das in Frage stehende Gebiet auf den Bestand besonders schutzwürdiger Vogelarten wie den Rotmilan geprüft? Wenn ja, wann - zu welchen Daten, in welchen Vegetationsperioden und zur Brutzeit? Wie - durch welche Personen, in welchem Umfang und mit welchem Ergebnis? Gibt es hierüber Protokolle, und wenn nein, wieso nicht? Zu Frage 1: Das Untersuchungsgebiet für den Windpark Ottweiler – Bexbach wurde durch die Fa. Gutschker-Dongus im Auftrag der Betreiberfirma juwi Energieprojekte GmbH in den Jahren 2012 und 2013 avifaunistisch untersucht. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich für die Brutvogelkartierung von Mitte März bis Ende Juli 2012 sowie von Mitte März bis Mitte Juni 2013. Die Zugvogelkartierung erstreckte sich von Mitte September bis Mitte November 2012. Zusätzlich wurde im Jahr 2013 eine Horst-Suche nach Greif- und Großvogelhorsten durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind Gegenstand des vorgelegten avifaunistischen Gutachtens als Bestandteil des Genehmigungsantrages. Im engeren Untersuchungsgebiet (1.500 m) um die Anlagenstandorte konnten keine Bruthinweise des Rotmilans festgestellt werden. Das gelegentliche Auftreten von Rotmilanen im engeren Untersuchungsgebiet konnte bestätigt werden. Seitens der zuständigen Behörde im Saarland für die Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) - dem Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) - wurden im Frühjahr 2016 stichprobenhafte Überprüfungen durch einen Ornithologen des LUA vorgenommen. Protokolle wurden über die Ortseinsicht nicht gefertigt, da keine genehmigungsrelevanten Abweichungen von den vorgelegten Gutachten festgestellt wurden. Im Jahr 2016 wurde der Bestand an Horsten im Auftrag der juwi Energieprojekte GmbH nochmals gutachterlich überprüft. Das Ergebnis dieser Überprüfung wurde im Erörterungstermin des Genehmigungsverfahrens am 28.06.2016 durch die Fa. Juwi bzw. die Fa. Gutschker-Dongus vorgestellt. Im Radius von 1.500 m um die geplanten Windenergieanlagen wurde kein Brutvorkommen von Rotmilanen festgestellt . Die von Dritten angegebenen vermeintlichen Rotmilanhorste stellten sich als Mäusebussard-, Rabenkrähen-, Ringeltaubenhorste dar oder waren im Jahr 2016 nicht besetzt. Eine Plausibilitätsprüfung durch die Fachabteilung des LUA führte zu keinem abweichenden Ergebnis. Am 10. Juni 2017 erhielt das LUA durch ein per E-Mail übermitteltes Schreiben der Bürgerinitiative gegen Windkraft in Lautenbach die Information, dass man einen besetzten Rotmilan-Horst im Gebiet des Windparks „Höcherberg“ gefunden habe. Um eine Klärung des Sachverhaltes herbeizuführen, wurde seitens des LUA ein Vororttermin mit Vertretern der Bürgerinitiative vereinbart. Dieser fand am 19. Juni 2017 statt. Zwecks Überprüfung des Horstes wurde vom LUA zusätzlich ein Ornithologe des Büros Ecorat hinzu gezogen. Der in Rede stehende Horst war zum Zeitpunkt des Ortstermins bereits nicht mehr besetzt. Während des Termins wurden Fotos des besetzten Horstes auf dem Bildschirm eines Smartphones gezeigt. Im Nachgang zum Ortstermin wurden dem Büro Ecorat zwecks Fertigung ihrer Expertise Fotoaufnahmen zur Verfügung gestellt. Die Überprüfung durch den Sachverständigen des Büros Ecorat führte zu dem Ergebnis, dass der inspizierte Greifvogelhorst im Brutjahr 2017 vom Mäusebussard besetzt war. Die ihm vorgelegten Fotos zeigen junge, fast flügge Mäusebussarde. Andere im Naturraum heimische oder potenziell vorkommende Greifvogelarten (z.B. Rotmilan, Wespenbussard, Habicht) konnten durch den Ornithologen des Büros Ecorat mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Drucksache 16/81 (16/45) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Wurde in dem in Frage stehenden Gebiet ein solcher - wie oben dargestellter - Horst festgestellt? Zu Frage 2: Im Umkreis von 1.500 m um die in Rede stehenden Anlagen konnte bei allen vorgenannten Untersuchungen und stichprobenhaften Überprüfungen kein Rotmilan- Horst festgestellt werden. Für weitere im Helgoländer Papier bzw. im Leitfaden zur Beachtung artenschutzrechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergie im Saarland von 2013, der unter Beteiligung der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland erarbeitet wurde, als windkraftsensibel eingestufte Vogelarten konnten ebenfalls keine besetzten Horste nachgewiesen werden. Ergebnisse zu weiteren, den Vorschriften des § 44 BNatSchG unterliegenden besonders geschützten und bestimmten anderen Vogelarten sind im avifaunistischen Gutachten enthalten. Gab es bereits im Genehmigungsverfahren Hinweise auf einen solchen Horst bzw. andere Großhorste im Vorhabengebiet? Wenn ja, welche Hinweise gab es und wie wurde diesen nachgegangen ? Zu Frage 3: Bereits während des Genehmigungsverfahrens gab es Hinweise von Dritten auf weitere Horststandorte, die im Auftrag der juwi Energieprojekte GmbH im Jahr 2016 überprüft wurden (vgl. Antwort auf Frage 1). Wie weit sind die Bauarbeiten am Höcherberg fortgeschritten und hat man bereits Konsequenzen im Sinne einer Herstellung der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Widersprüche gezogen ? Zu Frage 4: Für die Genehmigung vom 30.12.2016 hat das LUA die sofortige Vollziehung angeordnet . Die bisher beim LUA eingegangenen Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wurden abgelehnt, da keine Gründe dafür vorlagen, die ursprünglich getroffene Entscheidung rückgängig zu machen. Der gerichtliche Rechtsschutz wurde nicht in Anspruch genommen. Gemäß Kenntnis der Naturschutzbehörde, haben die Bauarbeiten den Stand erreicht, dass in der 28. KW das Fundament der letzten Windenergieanlage gegossen wurde. Drucksache 16/81 (16/45) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Wie beabsichtigt man, die naturschutzrechtlichen Belange im Hinblick auf den Bestand von Rotmilanen und anderen streng geschützten Arten in der sog. „Tabuzone“ nunmehr zu berücksichtigen? Zu Frage 5: Weitere Maßnahmen in Bezug auf Rotmilane sind aus artenschutzrechtlichen Gründen nicht erforderlich. Ob und in welchem Umfang Schutzmaßnahmen für die Mäusebussarde nach Inbetriebnahme der genehmigten Windenergieanlagen erforderlich werden, ist von Seiten des LUA noch nicht abschließend geprüft. Eine Inbetriebnahme der Windenergieanlagen ist nach Auskunft der Fa. Juwi frühestens jedoch ab dem 15. September 2017 vorgesehen. Welche Ergebnisse hatte die am 19.6.2017 stattgefundene Begehung mit dem Leiter des Sachgebietes Natur- und Umweltschutz des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz? Zu Frage 6: Siehe Antwort zu Frage 1. Wurde die Genehmigung der WEA am Höcherberg - wie vor den Landtagswahlen im März 2017 angekündigt - nochmals überprüft? Wenn nein, weshalb nicht und wird dies noch geschehen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Zu Frage 7: Die beim LUA zum WP Ottweiler Bexbach eingegangenen Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wurden abgelehnt, da keine Gründe dafür vorlagen , die ursprünglich getroffene Entscheidung rückgängig zu machen. Der gerichtliche Rechtsschutz wurde nicht in Anspruch genommen. Eine Überprüfung durch das Gericht fand aus diesem Grund nicht statt.