Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1046 24.04.2012 (Ausgegeben am 24.04.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Frau Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gleichstellung von Lebenspartnerschaften im Einkommensteuerrecht Kleine Anfrage - KA 6/7419 Vorbemerkung der Fragestellenden: Gleichgeschlechtliche Lebenspartner/innen entsprechend des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) werden bei der Einkommensteuer noch immer wie Ledige behandelt (Steuerklasse I). Ehegatten können dagegen Zusammenveranlagung beantragen (Steuerklasse III/V). Dieses „Ehegattensplitting“ bringt umso mehr Vorteile, je unterschiedlicher die Einkommen der Ehegatten sind. Verdienen beide gleich gut, bringt das Ehegattensplitting nichts. Lebenspartner/innen mit unterschiedlichem Einkommen versuchen seit Langem, mit Hilfe von Anträgen auf Änderung ihrer Steuerklassen und auf Zusammenveranlagung sowie anschließenden Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung der Ablehnung ihrer Anträge in den Genuss des Splittingverfahrens zu gelangen. Die Referenten/innen der Steuerverwaltungen der Länder haben sich nach Angaben des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) (http://www.lsvd.de/index.php?id=1743) bei ihrer routinemäßigen Zusammenkunft in der vergangenen Woche mit dem Bundesfinanzministerium darauf geeinigt, allen Aussetzungsanträgen von Lebenspartner/innen stattzugeben. Seite 2/3 Damit wäre über die Änderung der Steuerklasse und die Aussetzung der Nachforderung bei Einkommensteuerbescheiden in vielen Fällen eine faktische Gleichberechtigung von Lebenspartnerschaften beim Einkommensteuerrecht erreicht. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium der Finanzen 1. Wie hat sich Sachsen-Anhalt bei der genannten Zusammenkunft verhalten? Wie bewertet die Landesregierung diese Einigung der Steuerverwaltungen der Länder mit dem Bundesfinanzministerium? Die Sitzungen der Referats- und Abteilungsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder sind nicht öffentlich. Die Ergebnisse dieser Sitzungen (einschließlich Stimmverhalten) unterliegen der Verschwiegenheit und sind nur für den Dienstgebrauch bestimmt. Sie fließen jedoch in die aktuelle Rechtsanwendung der Finanzverwaltung der Länder ein. Die Finanzverwaltung gewährt für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 der Abgabenordnung (AO) entgegen dem Wortlaut des Einkommensteuergesetzes die für Ehegatten vorbehaltene Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer (mit dem damit verbundenen Splittingverfahren). Auch die Vergabe der Lohnsteuerklassenkombination für Ehegatten (III/V und IV/IV - gegebenenfalls mit Faktor) ist auf Antrag im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes möglich. Das Finanzministerium erachtet diese bis zur abschließenden Klärung durch das Bundesverfassungsgericht verfahrensrechtlich ordnungsgemäße Vorgehensweise der Finanzverwaltung für die betroffenen Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft als nicht zufriedenstellende Lösung des eigentlichen Anliegens und stünde deshalb einer Bundesratsinitiative, die darauf abzielt, eingetragene Lebenspartnerschaften im Einkommensteuerecht gleichzustellen, aufgeschlossen gegenüber. 2. Auf welche Weise und wann wird dieser Beschluss in Sachsen-Anhalt um- gesetzt? Die zu 1. dargestellte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung wurde den Finanzämtern des Landes Sachsen-Anhalt durch eine nur für den Dienstgebrauch bestimmte Verfügung der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 21. März 2012 bekanntgegeben. 3. Bestätigt die Landesregierung, dass die Finanzämter in Sachsen-Anhalt An- trägen von Lebenspartner/innen auf Änderung ihrer Steuerklassen von I/I in III/V nicht mehr ablehnen, sondern im Wege der Aussetzung der Vollziehung stattgeben werden? Wenn ja, ab wann? Die Finanzämter in Sachsen-Anhalt sind seit dem 22. März 2012 durch die oben genannte Verfügung der Oberfinanzdirektion Magdeburg angewiesen, Anträge von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auf Änderung ihrer Steuerklassen von I/I in III/V zwar zunächst wie bisher abzulehnen, jedoch in einem folgenden Einspruchsverfahren im Wege der Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO die beantragte Steuerklasse einzutragen. 3 4. Bestätigt die Landesregierung, dass dasselbe auch für Anträge auf Aussetzung der Vollziehung von Nachforderungen aus Einkommensteuerbescheiden gilt, durch die Lebenspartner/innen entgegen ihrem Antrag nicht zusammen wie Ehegatten, sondern getrennt als Ledige zur Einkommensteuer veranlagt worden sind? Wenn ja, ab wann? Die Finanzämter in Sachsen-Anhalt sind durch die oben genannte Verfügung der Oberfinanzdirektion Magdeburg seit dem 22. März 2012 darüber informiert, dass die von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft beantragte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage abgelehnt werden muss. In einem gegebenenfalls folgenden Einspruchsverfahren ist jedoch auf Antrag im Wege der Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO die für Ehegatten vorbehaltene Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer (mit dem damit verbundenen Splittingverfahren) zu gewähren. 5. Lebenspartner/innen werden auf diese Weise im Einkommensteuerrecht im Verwaltungsweg mit Ehegatten gleichberechtigt. Für die Verwaltung stellt dies einen sehr hohen und kostenintensiven bürokratischen Mehraufwand dar. Nimmt die Landesregierung dies zum Anlass, einen Gesetzentwurf zur Gleichberechtigung von Lebenspartnerschaften und Ehe im Steuerrecht über den Bundesrat auf den Weg zu bringen bzw. zu unterstützen, um diesen bürokratischen Mehraufwand und die damit verbundene Ungleichbehandlung von Lebenspartner/innen zu beenden? Wenn ja, wann und auf welche konkrete Weise? Bitte Antwort begründen. Wenn nein, warum sieht die Landesregierung keinen Handlungsbedarf? Auf die Antwort zur Frage 1 wird verwiesen.