Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1049 24.04.2012 (Ausgegeben am 25.04.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Herr Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Uranbelastung im Trinkwasser in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7421 Vorbemerkung des Fragestellenden: Uran ist ein weit verbreitetes Schwermetall. Uranverbindungen können natürlicher Bestandteil von Gesteinen und Mineralien sowie von Wasser, Boden und Luft sein. Somit ist Uran in Spuren auch in vielen Lebensmitteln als natürlich vorkommendes Element vorhanden. Wegen seiner toxischen Eigenschaften (Radioaktivität, Giftigkeit ) sollten Lebensmittel jedoch so wenig Uran wie möglich enthalten. Die am 11. Mai 2011 durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) verkündete Erste Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung, die im November 2011 in Kraft getreten ist, sieht erstmals einen Grenzwert für den chemischen Parameter „Uran“ in Höhe von 0,010 mg/L in Trinkwasser vor. Berichten zufolge wird dieser Wert in Sachsen-Anhalt an einigen Stellen überschritten . In ihrer Stellungnahme vom 3. November 2008 hat die Trinkwasserkommission des Bundesgesundheitsministeriums beim Umweltbundesamt unverzügliche Maßnahmen zur Senkung der Urankonzentration der aufsichtführenden Behörde gefordert , sobald der Grenzwert von 0,010 mg/L überschritten werde. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales Frage Nr. 1: Welche Maßnahmen sind geeignet, die Urankonzentration im Trinkwasser zu senken? Welche Maßnahmen sind in Sachsen-Anhalt ergriffen worden? Antwort zu Frage Nr. 1: Als prinzipielle Möglichkeiten zur Minderung der Urankonzentration im Trinkwasser kommen laut Stellungnahme der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit beim Umweltbundesamt vom 5. November 2008 alternativ oder in Kombination folgende in Betracht: • die (bevorzugte) Nutzung anderer, geringer belasteter Rohwässer, • das „Verschneiden“ eines zu hoch belasteten mit einem weniger bis unbelasteten Roh- oder Trinkwasser. Als dauerhafte, alleinige Maßnahme kommt das „Verschneiden “ aber nur unter sorgfältiger Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in Betracht. Die Ziel-Konzentration im Mischwasser sollte so gewählt werden , dass auch bei Veränderung der Mischungsanteile 0,010 mg/l Uran zuverlässig unterschritten wird. Nur wenn keine dieser Optionen greift, ist auch die Entfernung des Urans aus dem Rohwasser mithilfe uranspezifischer Ionenaustauscher in Erwägung zu ziehen. Dies gilt namentlich für solche, meist kleinere Wasserversorgungsanlagen, deren Rohwasser nicht ohne Weiteres durch ein weniger bis unbelastetes Rohwasser ersetzbar ist. Die gewählte Lösung muss die dauerhafte und sichere Einhaltung/Unterschreitung des Uran-Grenzwertes im Trinkwasser an der Entnahmestelle (Zapfhahn) garantieren . In Sachsen-Anhalt sind unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Gegebenheiten Maßnahmen ergriffen worden, die sich auf diese aufgezeigten Möglichkeiten stützen. Frage Nr. 2: Nach welchem Schema werden Messwerte zu Urankonzentrationen im Trinkwasser erhoben? Bitte auch Methode der Probenahme und Analyse beschreiben und entsprechenden Verweis zur Vorschrift angeben. Antwort zu Frage Nr. 2: Die Mindesthäufigkeit der Trinkwasseruntersuchungen auf Uran ist abhängig von der Menge des in einem Wasserversorgungsgebiet abgegebenen oder produzierten Trinkwassers und in Anlage 4 Teil II Buchstabe a) der Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 2011 (BGBl. I S. 2370) (Trinkwasserverordnung - TrinkwV 2001), 3 zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 19 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geregelt. Die Untersuchungen sind nach Methoden durchzuführen, die hinreichend zuverlässige Messwerte für den Parameter Uran liefern. Dabei sind die in Anlage 5 Teil II TrinkwV 2001 genannten spezifizierten Verfahrenskennwerte einzuhalten. Die Untersuchungen müssen in einer Untersuchungsstelle durchgeführt werden, die in einer aktuell bekannt gemachten Landesliste nach § 15 Abs. 4 Satz 2 TrinkwV 2001 genannt ist. Die Entnahme und die analytische Untersuchung der Proben auf Uran erfolgt nach den Vorgaben der DIN EN ISO 17294-2, die Analytik unter Anwendung der induktiv gekoppelten Plasma-Massenspektrometrie (ICP-MS). Entsprechende Verfahrensanweisungen werden durch die jeweiligen Untersuchungsstellen festgelegt. Frage Nr. 3: Wie hoch ist die Hintergrundbelastung an Uran im Grundwasser in SachsenAnhalt ? Antwort zu Frage Nr. 3: Uran im Grundwasser wird durch den Gewässerkundlichen Landesdienst (GLD) im Rahmen des Gewässerüberwachungsprogramms Sachsen-Anhalt (GÜSA) untersucht . Die Ergebnisse für das Bezugsjahr 2011 für Gesamturan von 446 landesweit untersuchten Grundwassermessstellen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Anzahl Grundwassermessstellen Konzentration [mg/l] Anteil [%] 240 < 0,001 54 155 0,001 bis < 0,010 35 28 > 0,010 bis < 0,020 6 23 > 0,020 5 11% der untersuchten Grundwassermessstellen weisen damit eine Gesamturankonzentration oberhalb von 0,010 mg/l auf. Frage Nr. 4: Wie hoch ist die durchschnittliche Urankonzentration im Trinkwasser in Sachsen -Anhalt? Wie begründet die Landesregierung diese Werte? Antwort zu Frage Nr. 4: In der zentralen Trinkwasserdatenbank am Landesamt für Verbraucherschutz (LAV) sind Daten seit 2004 vorhanden, die im Wesentlichen vor Inkrafttreten des Uran- 4 Grenzwertes im Rahmen spezieller Messprogramme und Betreiberuntersuchungen erhoben wurden. Mit Stichtag 20. März 2012 sind dies 489 Analysenwerte, deren Durchschnittswert (Mittelwert) 0,0032 mg/l (Medianwert: 0,001 mg/l) beträgt. Die Landesregierung geht von regional unterschiedlicher, primär geogen bedingter Uran-Belastung aus (siehe Antwort zu Frage Nr. 6). Frage Nr. 5: Wann gab es im Trinkwasser Sachsen-Anhalts Überschreitungen des Grenzwerts von 0,010 mg/L? Bitte jeweils alle vorhandenen Daten zu den Messwerten angeben. Antwort zu Frage Nr. 5: Mit Inkrafttreten der Änderung der TrinkwV 2001 zum 1. November 2011 wurde erstmalig die Verpflichtung zur Überwachung des Parameters Uran gesetzlich geregelt . Seitdem liegen in der zentralen Trinkwasserdatenbank (ZTWDB) beim LAV keine Untersuchungsergebnisse vor, die den Grenzwert von 0,010 mg/l überschreiten (Stichtag 20. März 2012). Bereits vor dem 1. November 2011 wurden in Sachsen-Anhalt Uran-Untersuchungen im Trinkwasser durchgeführt (siehe Antwort zu Frage Nr. 4). Aufgrund dieser Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der inzwischen abgeschlossenen Maßnahmen zur Senkung der Uran-Konzentration ist in folgenden Wasserversorgungsgebieten (WVG) zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch von einer Überschreitung des UranGrenzwertes auszugehen: Landkreis WVG Letzter Messwert in ZTWDB (mg/l) Entnahme-Datum Saalekreis Mücheln 0,013 11.10.2011 Löbitz 0,017 06.10.2011 Burgenlandkreis Bucha 0,012 21.03.2011 MansfeldSüdharz Allstedt 0,013 0,010 12.10.2010 06.10.2011 Emseloh 0,011 16.12.2010 Winkel 0,011 06.10.2011 5 Frage Nr. 6: Unter welchen Umständen kann es zu Überschreitungen des in der Trinkwasserverordnung vorgeschriebenen Grenzwertes im Grundwasser und im Trinkwasser kommen? Welche Umstände sind für Sachsen-Anhalt zutreffend und unmittelbar mit den oben genannten Grenzwertüberschreitungen in Verbindung zu bringen? Antwort zu Frage Nr. 6: Mit Überschreitungen des Uran-Grenzwertes ist naturbedingt in solchen Trinkwässern zu rechnen, die aus einem Rohwasser (meist Grundwasser) gewonnen werden, das engen Kontakt zu uranhaltigen Gesteinen und Sedimenten besitzt. Im Lockergesteinsbereich des Nordens und Ostens des Landes Sachsen-Anhalt, in den Sanden und Kiesen des norddeutschen Flachlandes, treten die geringsten Urankonzentrationen im Grundwasser auf. Hier liegen die Konzentrationswerte deutlich unterhalb 0,010 mg/l. Diese Erkenntnis steht auch im Einklang mit einer länderübergreifenden Auswertung der Urankonzentrationen in den Grundwässern Deutschlands aus dem Jahr 2004, die relativ geringe Urankonzentrationen zwischen 0,0010 und 0,0035 mg/l für die Sande und Kiese des nord-deutschen Flachlandes ausweist. Im durch Festgesteine und aufliegende Sande und Kiese dominierten südlichen Landesteil steigen die Konzentrationen im Grundwasser flächig an, liegen jedoch meist ebenfalls noch unterhalb 0,010 mg/l. Ausnahmen bilden jedoch erhöhte Uranwerte oberhalb 0,010 mg/l im Salzlandkreis, im Landkreis Mansfeld-Südharz und im Saalekreis . Die höchsten Konzentrationen mit über 0,050 mg/l weisen dabei die geologischen Einheiten des Buntsandsteins sowie die Niederterrassen im Gebiet des Bereiches Mansfeld-Südharz auf. In der Regel ist eine hohe geogene Grundbelastung des Grundwassers Ursache für die erhöhten Urankonzentrationen. Zurzeit wird diskutiert, inwieweit ein Eintragspfad für Uran in das Grundwasser und in Oberflächengewässer ein solcher über landwirtschaftliche Phosphatdünger sein kann, die gewinnungsbedingt Spuren von Uran und anderen Schwermetallen enthalten . Dies wird wissenschaftlich genauer zu untersuchen sein. Die Gewässerüberwachung lässt dazu keine Rückschlüsse zu. Frage Nr. 7: Wie wurden bzw. werden die Bürgerinnen und Bürger über Grenzwertüberschreitungen und mögliche Gegenmaßnahmen informiert? Antwort zu Frage Nr. 7: Grundsätzlich hat gemäß § 21 TrinkwV 2001 jeder Unternehmer oder sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage den betroffenen Verbraucherinnen und Verbrau- 6 chern mindestens jährlich geeignetes und aktuelles Informationsmaterial über die Qualität des bereitgestellten Trinkwassers zu übermitteln. Werden Abweichungen von Grenzwerten für chemische Parameter zugelassen, muss der Unternehmer bzw. sonstige Inhaber der entsprechenden Wasserversorgungsanlage die Bevölkerung unverzüglich und angemessen informieren sowie gegebenenfalls auf Maßnahmen zum eigenen Schutz hinweisen. Das Gesundheitsamt hat dies durch entsprechende Anordnungen sicherzustellen. Die Art der Informationsbereitstellung ist abhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalls. Frage Nr. 8: Welchen Betreibern von Trinkwasserversorgungsanlagen wurden Ausnahmetatbestände zur Trinkwasserverordnung genehmigt? Welche Auflagen wurden den Betreibern darüber hinaus erteilt? Bitte auch die Laufzeit angeben. Antwort zu Frage Nr. 8: Unter Bezugnahme auf die in der Tabelle der Antwort zu Frage Nr. 5 aufgeführten Wasserversorgungsgebiete (WVG) stellt sich die Situation wie folgt dar: Für das WVG Allstedt, Emseloh und Winkel hat der Trinkwasserzweckverband Südharz eine bis zum 5. Oktober 2014 befristete Zulassung einer Grenzwertabweichung erhalten. Für die WVG Löbitz und Bucha (Trinkwasserzweckverband „Saale-Unstrut“) ist der Anschluss an eine andere Wasserversorgungsanlage für Ende 2012 geplant; die Zulassung der Abweichung erstreckt sich bis dahin. Für das WVG Mücheln (Wasserversorgungsgesellschaft Mücheln mbH) sind die Maßnahmen noch in der Planungsphase; eine Zulassung ist zunächst bis zum 2. April 2015 erteilt worden. Grundsätzlich dürfen befristete Abweichungen von Grenzwerten für chemische Parameter nur zugelassen werden, wenn dies nicht zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit führt. Die TrinkwV 2001 legt fest, dass bei jeder Zulassung einer Abweichung unter anderem ein geeignetes Überwachungsprogramm sowie Pläne für notwendige Maßnahmen einschließlich Zeitplan erstellt werden müssen. Bezüglich der Information der Bevölkerung wird auf die Antwort zu Frage Nr. 7 verwiesen. Frage Nr. 9: Welche tägliche Aufnahmemenge von Uran (Körperdosis - mg/kg) sieht die Landesregierung als tolerierbar an? Wie hoch ist die entsprechende Konzentration in mg/L? Antwort zu Frage Nr. 9: Das Umweltbundesamt leitet unter Berücksichtigung aktueller Humandaten eine gesundheitlich lebenslang duldbare Aufnahme in Höhe von 0,0003 mg Uran pro Kilogramm Körpergewicht und Tag ab. Auf dieser Grundlage wurde der Uran-Grenzwert von 0,010 mg/l festgelegt. Dieser Bewertung schließt sich die Landesregierung an.