Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/111 09.06.2011 (Ausgegeben am 14.06.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Entwicklung der Einbürgerungszahlen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 Kleine Anfrage - KA 6/7012 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im europäischen Vergleich weist die Bundesrepublik Deutschland eine sehr niedrige Einbürgerungsquote auf. Im Jahr 2000 wurde zwar mit 186.688 Einbürgerungen bundesweit ein Höchststand erreicht, doch seitdem sinkt die Zahl der Einbürgerungen. Auch in Sachsen-Anhalt ging die Zahl der Einbürgerungen zurück. Im Jahr 2009 erhielten 412 Menschen mit ausländischer Herkunft und damit 72 weniger als 2008 die deutsche Staatsbürgerschaft, wie aus dem ersten Integrationsbericht des Landes hervorgeht. 2006 waren es noch 533 gewesen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium des Innern Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen sind im Jahr 2010 insgesamt und differenziert nach a) Staatsangehörigkeit (fünf häufigste Herkunftsländer), b) Alter, c) Geschlecht, d) Rechtsgrundlage der Einbürgerung sowie e) Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet/Bundesland nach Jahren eingebürgert worden? Bitte auch die prozentualen Abweichungen vom Vorjahreswert angeben. Im Jahr 2010 sind in Sachsen-Anhalt 553 Personen eingebürgert worden. 2 Zu a) Die fünf häufigsten Herkunftsländer sind: Länder 2010 prozentuale Abweichung zu 2009 Irak 81 + 92,8 % Ukraine 51 + 54,5 % Russische Föderation 39 + 50,0 % Türkei 37 + 42,3 % Vietnam 35 + 84,2 % Zu b) Die Altersstruktur der Eingebürgerten wird in der amtlichen Statistik in Alters- gruppen zusammengefasst. Danach ergibt sich folgender Stand: Alter von ... bis unter ... Jahren 2010 prozentuale Abweichung zu 2009 unter 5 21 + 75,0 % 5-10 37 + 23,3 % 10-15 38 - 5,3 % 15-20 56 + 27,2 % 20-25 40 + 21,2 % 25-30 42 + 50,0 % 30-35 84 + 33,3 % 35-40 81 + 55,7 % 40-45 57 + 21,2 % 45-50 43 + 59,3 % 50-55 22 + 100 % 55-60 8 - 50,0 % 60-65 6 + 100,0 % 65-70 6 + 100,0 % 70 und älter 12 + 71,4 % gesamt: 553 +34,2 % Zu c) Von den 553 im Jahr 2010 eingebürgerten Ausländerinnen und Ausländern waren 297 weiblich und 256 männlich. Die prozentuale Abweichung zu 2009 beträgt für weibliche Personen + 45,6 % und für männliche Personen + 23 %. Zu d) Die Einbürgerungen erfolgten aufgrund folgender Rechtsgrundlagen: Rechtsgrundlage 2010 prozentuale Abweichung zu 2009 § 8 StAG 43 + 13,2 % § 9 StAG 68 + 41,4 % § 10 Abs. 1 StAG 357 + 37,3 % § 10 Abs. 2 StAG 76 + 18,7 % sonstige Rechtsgründe 9 + 35,0 % 3 Zu e) Die Aufenthaltsdauer der Eingebürgerten betrug: Jahre 2010 prozentuale Abweichung zu 2009 unter 8 133 + 26,6 % 8-9 50 - 26,0 % 9-15 271 + 53,1 % 15-20 68 + 36,0 % 20 und mehr 31 + 82,3 % 2. Wie hoch war die Einbürgerungsquote im Jahr 2010? Bitte auch nach den zehn häufigsten Herkunftsländern differenzieren und den Vorjahreswert angeben. Die Einbürgerungsquote (Quotient aus der Zahl der vorgenommenen Einbürgerungen und der Zahl der ausländischen Bevölkerung nach der Bevölkerungsstatistik ) betrug 2010 1,23 %, nach 0,93 % im Jahr 2009. Da eine auf die Herkunftsländer differenzierte Einbürgerungsquote lediglich im Zehntel- bzw. Hundertstelbereich liegt, wurde auf die Angabe verzichtet. 3. In wie vielen Fällen erfolgte die Einbürgerung im Jahr 2010 unter Hinnah- me des Fortbestandes der bisherigen Staatsangehörigkeit? Bitte auch nach den zehn häufigsten Herkunftsländern differenzieren und den Vorjahreswert angeben. 2010 erfolgten 236 Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Die zehn häufigsten Herkunftsländer, aus denen Einbürgerungsbewerber unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert wurden, sind: Herkunftsländer 2010 2009 Irak 42 22 Polen 25 9 Syrien 23 35 Bulgarien 13 6 Marokko 11 3 Türkei 10 4 Russische Föderation 9 1 Ungarn 9 1 Iran 7 0 Ukraine 7 8 4. In wie vielen Fällen wurden Einbürgerungen im Jahr 2010 aus welchen Gründen zurückgenommen (bitte die vorherigen Staatsangehörigkeiten angeben), und wie viele der seit 2000 ausgesprochenen Rücknahmen wurden bestandskräftig? Die Erhebung der Zahl der Rücknahmen basiert auf einer gesonderten Befragung der Einbürgerungsbehörden. Im Jahr 2010 wurde eine Einbürgerung einer portugiesischen Staatsangehörigen zurückgenommen, bei der sich erst nach der Einbürgerung herausstellte, dass sie bereits mit Geburt die deutsche 4 Staatsangehörigkeit erworben hatte, sodass eine Einbürgerung entbehrlich war. Seit 2000 wurden insgesamt vier Rücknahmen ausgesprochen, von denen zwei rechtskräftig sind. 5. Wie viele Anträge auf Einbürgerung waren jeweils zum 31. Dezember 2009 bzw. 2010 anhängig und wie ist gegenwärtig bzw. war in der Vergangenheit die durchschnittliche Bearbeitungsdauer vom Zeitpunkt des Antrags bis zur Einbürgerung? Bitte nach den zehn häufigsten Herkunftsländern und den zehn Herkunftsländern mit längster Bearbeitungsdauer differenziert angeben. Durch eine gesonderte Befragung der Einbürgerungsbehörden wurde ermittelt, dass zum 31. Dezember 2009 763 Einbürgerungsanträge anhängig waren. Zum 31. Dezember 2010 befanden sich 767 Anträge in Bearbeitung bei den Einbürgerungsbehörden. Eine Ermittlung der Bearbeitungsdauer könnte nur im Wege einer umfangreichen Einzelauswertung der entsprechenden Einbürgerungsakten bei sämtlichen Einbürgerungsbehörden des Landes erfolgen, wovon mit Blick auf den damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen wurde. 6. Welche praktischen, administrativen und rechtlichen Erfahrungen mit der Optionspflicht nach § 29 Staatsangehörigkeitsgesetz liegen inzwischen vor? In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit vier Optionsfälle. Aufgrund der geringen Anzahl von optionspflichtigen Personen liegen keine nennenswerten Erfahrungen in praktischer, administrativer oder rechtlicher Hinsicht vor. 7. Wie viele Deutsche wurden bis Ende 2010 (bitte nach Jahren differenzie- ren) nach § 29 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz optionspflichtig, wie viele von ihnen wurden durch die Behörde auf die gemäß § 29 Absätze 2 bis 4 Staatsangehörigkeitsgesetz möglichen Rechtsfolgen hingewiesen, und in wie vielen Fällen konnte dieser gesetzlich vorgesehene Hinweis nicht zugestellt werden? Bitte auch nach den zehn wichtigsten ausländischen Staatsangehörigkeiten differenzieren. Bis Ende 2010 wurden vier deutsche Staatsangehörige optionspflichtig und durch die Behörden auf ihre Optionspflicht und deren Folgen hingewiesen. Alle Benachrichtigungen konnten zugestellt werden. Drei der optionspflichtigen Personen besitzen neben der deutschen Staatsangehörigkeit die vietnamesische Staatsangehörigkeit, eine Person besitzt die türkische Staatsangehörigkeit. 8. Wie viele Optionspflichtige haben bis Ende 2010 (bitte nach Jahren diffe- renzieren) erklärt, die deutsche bzw. die ausländische Staatsangehörigkeit behalten zu wollen (bitte getrennt angeben), und wie viele Personen haben ihre deutsche Staatsangehörigkeit entsprechend bereits verloren? Bitte auch nach den zehn häufigsten betroffenen ausländischen Staatsangehörigkeiten differenzieren. 5 Bisher haben zwei der vier Optionspflichtigen erklärt, die deutsche Staatsangehörigkeit behalten zu wollen. Über den Ausgang der Verfahren kann derzeit noch keine Aussage getroffen werden. 9. Wie viele Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit behalten wollen, haben bis Ende 2010 (bitte nach Jahren differenzieren) a) die Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz bereits nachgewiesen? b) eine Beibehaltungsgenehmigung beantragt? c) eine Beibehaltungsgenehmigung nach § 29 Abs. 3 bzw. Abs. 4 Staats- angehörigkeitsgesetz erhalten? Bitte jeweils auch nach den zehn häufigsten betroffenen ausländischen Staatsangehörigkeiten differenzieren. Zum Stand der Optionsverfahren wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 10. Welche Schlussfolgerungen für das konkrete Einbürgerungsverfahren oder für politische Initiativen wurden aus dem Bericht der länderoffenen Arbeitsgruppe „Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit attraktiv gestalten “ vom 4. März 2010 gezogen, der auf Beschluss der Konferenz der für die Integration zuständigen Ministerien vom 30. September 2008 in Hannover erstellt wurde, insbesondere in Bezug auf a) die Erkenntnisse im Bericht, wonach die notwendige Aufgabe der Her- kunftsstaatsangehörigkeit ein Einbürgerungshemmnis darstellt bzw. zu einem Rückgang der Einbürgerungszahlen führt (S. 32, 43, 45)? b) den Umstand, dass bei älteren Migrantinnen und Migranten insbesondere Schriftsprachenkenntnisse als ein möglicher Erklärungsfaktor für ein Absinken der Einbürgerungszahlen genannt werden (S. 39)? c) die Feststellung, dass der Einbürgerungstest gerade auf diejenigen zusätzlich abschreckend wirken könnte, die auch Schwierigkeiten mit den Sprachanforderungen haben (S. 41)? d) die Feststellung, dass die mit der Einbürgerung verbundenen Kosten teilweise als in der Summe zu hoch empfunden wurden (S. 46 und 49)? e) die Feststellung, dass unverhältnismäßig lange Verfahrensdauern sich negativ auf die Einbürgerungsmotivation auswirken können (S. 48) - unter Berücksichtigung des Umstands, dass häufig bzw. in Bezug auf bestimmte Herkunftsländer gerade die Ausbürgerungsverfahren besonders langwierig sind? Die Landesregierung verfolgt die Entwicklung der Einbürgerungszahlen mit großem Interesse. Für Sachsen-Anhalt ist festzustellen, dass die Einbürgerungszahlen im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel angestiegen sind (vgl. Antwort zu Frage 1b). Da die Einbürgerung für die Betroffenen eine grundlegende, aktive Lebensentscheidung darstellt, gibt es auch für das Einbürgerungsverhalten oder eine Einbürgerungszurückhaltung vielfältige Motive. Diese können sowohl aus dem persönlichen Bereich stammen als auch durch die staatsangehörigkeitsrechtlichen Voraussetzungen veranlasst sein. Die Landesregierung beabsichtigt, im Rahmen einer Informationskampagne zur Einbürgerung einen Vergleich der Vor- 6 und Nachteile der Einbürgerung vorzunehmen und lebensnah über die Voraussetzungen zu informieren. Zu a) Die Entscheidung, die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes aufzugeben, ist für viele Einbürgerungswillige sicherlich eine schwierige, emotionale Entscheidung . Die Vermeidung der Mehrstaatigkeit ist jedoch tragendes Prinzip des Staatsangehörigkeitsrechts, das in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt. Dieses Prinzip gilt auch in vielen anderen Staaten . Über die praktischen und rechtlichen Vor- und Nachteile der Einbürgerung und die Hinnahme der Mehrstaatigkeit für EU-Bürger soll im Rahmen einer Informationskampagne zur Einbürgerung informiert werden. Zu b) Ausreichende mündliche und schriftliche Deutschkenntnisse sind ganz we- sentlich für eine erfolgreiche Integration in die deutsche Gesellschaft. Für Einbürgerungswillige werden entsprechende Sprachkurse angeboten. Sofern die Einbürgerungsbehörden bei älteren Einbürgerungswilligen im Rahmen der Beratung feststellen sollten, dass lediglich Defizite bei den Schriftsprachenkenntnissen vorliegen, besteht im Einzelfall die Möglichkeit, von den vorhandenen gesetzlichen Erleichterungen für diesen Personenkreis Gebrauch zu machen. Zu c) Für die Teilnahme am täglichen Leben sind deutsche Sprachkenntnisse und Alltagswissen sowie Kenntnisse der deutschen Rechtsordnung, Kultur und Geschichte ganz wesentlich. Zur Vorbereitung der entsprechenden Tests werden Integrations- und Einbürgerungskurse angeboten, in denen die notwendigen Kenntnisse adressatengerecht vermittelt werden. Zu d) Von der Möglichkeit einer Gebührenermäßigung oder einem Gebührenerlass aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses wird von den Einbürgerungsbehörden je nach Lage des Einzelfalles Gebrauch gemacht. Zu e) Die Einbürgerungsbehörden sind vom Ministerium des Innern angehalten wor- den, den Einbürgerungsantrag bei Vorlage aller benötigten Unterlagen zügig zu bearbeiten und zu entscheiden. Hierbei kommt es auch auf das Mitwirken des Einbürgerungsbewerbers an. Unter Umständen kann bis zur Einbürgerung eine längere Zeit vergehen, da das Verfahren der Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit oftmals zeitaufwändig ist. Sachsen-Anhalt hat jedoch keinen Einfluss auf die Bearbeitungsdauer durch die Herkunftsländer.