Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1124 14.05.2012 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 14.05.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sanktionen gemäß § 31, 31a, 31b und § 32 SGB II in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7453 Vorbemerkung des Fragestellenden: In Sachsen-Anhalt stellen sich die Sanktionierungsquoten im Rahmen des § 31 und § 32 SGB II sehr unterschiedlich dar. Waren im Salzlandkreis im Jahr 2010 1,5 % der arbeitslosen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (eLb) min. einmal von Sanktionen betroffen, so in Magdeburg 8 % der eLb. Diese große Spreizung legt nahe, dass Anzahl und Umfang der Sanktionen auch auf die unterschiedliche Verwaltungspraxis der SGB II-Träger zurückgeht. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales Vorbemerkung: Die Sanktionierung einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person im Regelkreis des SGB II erfordert die gesetzlich definierte Verletzung einer Pflicht seitens der/des Betroffenen. Die Pflichtverletzung kann beispielsweise in der Ablehnung einer zumutbaren Arbeit, der Nichterfüllung einer in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflicht oder in der unterlassenen Wahrnehmung eines Meldetermins im Jobcenter begründet sein. Eine abschließende Aufzählung des sanktionsbewehrten Pflichtenkatalogs kann den §§ 31 und 32 SGB II entnommen werden. Liegt eine solche Pflichtverletzung bei ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung bzw. bei Kenntnis der Rechtsfolgen vor (§ 31 Absatz 1, erster Halbsatz SGB II), so hat das Jobcenter über den Eintritt einer Sanktion zu entscheiden, deren finanzielles Ausmaß von 2 der Art und Häufigkeit der Pflichtverletzung abhängt. Dabei handelt es sich nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung des Grundsicherungsträgers . Diese umfasst zugleich eine Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der die Pflichtverletzung rechtfertigt und somit den Eintritt einer Sanktion ausschließt. Die Häufigkeit von Sanktionen hängt ebenfalls erheblich davon ab, in welcher Frequenz die einzelnen Jobcenter leistungsberechtigten Personen Stellenangebote unterbreiten , in welchem Umfang zumutbare Eigenaktivitäten im Rahmen von Eingliederungsvereinbarungen gefordert und wie oft Leistungsberechtigte zu Vermittlungszwecken eingeladen werden. Insofern ist für die Quote an Sanktionen nicht nur die Geschäftspolitik eines Jobcenters maßgeblich (z. B. die Kundenkontaktdichte), sondern diese wird auch ganz wesentlich durch die örtlichen Verhältnisse des Arbeitsmarktes mit bestimmt. Je dynamischer sich die Arbeitsmarktsituation darstellt, umso höher wird tendenziell auch die Anzahl neuer Sanktionen ausfallen. Nach den vorliegenden statistischen Daten ist die Spreizung der Sanktionsquote im Land bei Weitem nicht so groß, wie in der Vorbemerkung der Fragestellerin dargelegt . Weitere Details hierzu können der Antwort zu den Fragen Nummern 1 bis 5 entnommen werden. Frage Nr. 1: Wie viele Personen beziehen Leistungen gemäß dem SGB II in SachsenAnhalt ? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger für 2007 bis 2011 angeben. Frage Nr. 2: Wie viele Personen waren gemäß § 31 Absatz 1 SGB II in den Jahren von 2007 bis 2011 in Sachsen-Anhalt von Sanktionen betroffen? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben und aufgeschlüsselt nach den Gründen für die Sanktion. 2.1: Wie viele dieser von Sanktionen betroffenen Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher lebten zum Zeitpunkt der Sanktion in Bedarfsgemeinschaften ? Bitte auch als Vom-Hundert-Satz zur Gesamtzahl der sanktionierten Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher angeben. 2.2: Wie viele dieser von Sanktionen betroffenen Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher leben mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt? Bitte auch als Vom-Hundert-Satz zur Gesamtzahl der sanktionierten Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher angeben. Frage Nr. 3: Wie hoch sind die Sanktionierungsquoten in Sachsen-Anhalt? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger für die Jahre 2007 bis 2011 angeben . Frage Nr. 4: Wie viele Personen unter 25 Jahren waren gemäß § 31a Absatz 2 SGB II in den Jahren von 2007 bis 2011 in Sachsen-Anhalt von Sanktionen betroffen? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben und aufgeschlüsselt nach den Gründen für die Sanktion. 3 4.1: Wie viele dieser von Sanktionen betroffenen Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher unter 25 Jahren leben mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt? Bitte auch als Vom-Hundert-Satz angeben zur Gesamtzahl der sanktionierten unter 25-Jährigen. 4.2: Wie viele dieser von Sanktionen betroffenen Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher unter 25 Jahren waren auch gemäß SGB VIII leistungsberechtigt ? Bitte auch als Vom-Hundert-Satz angeben zur Gesamtzahl der Sanktionierten unter 25-Jährigen angeben. 4.3: Gibt es Kooperationsvereinbarungen zwischen den SGB II-Trägern und Trägern der Jugendhilfe in Sachsen-Anhalt? Wenn ja, welche Träger haben diese mit welchem Inhalt abgeschlossen? Frage Nr. 5: Wie viele Fälle gab es in Sachsen-Anhalt in den Jahren von 2007 bis 2011 bei denen durch Sanktionen das Arbeitslosengeld II komplett gestrichen wurde? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben und differenziert für unter und über 25-jährige Personen und den Gründen für die mehrfache Sanktionierung. 5.1: In wie vielen Fällen wurde durch diese komplette Streichung des Arbeitslosengeldes II das Gesamteinkommen der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft für den Sanktionszeitraum auf 0 € gesetzt? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben sowie auch als Vom-Hundert-Satz zur Gesamtzahl der Sanktionsfälle. Antwort zu Fragen Nr. 1 bis 5: Die Fragen Nummern 1 bis 5 werden aufgrund des inneren Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung geht davon aus, dass mit der Fragestellung nach Personen nur die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gemeint sind, da nur diese von Sanktionen nach § 31 SGB II betroffen sein können. Zwar sind nach § 32 SGB II theoretisch Sanktionen wegen eines Meldeversäumnisses auch gegen nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte möglich. Diese spielen jedoch aufgrund der geringen Anzahl nur eine stark untergeordnete Rolle. Die Antworten können den in den Anlagen 1 und 2 beigefügten Tabellen entnommen werden, soweit Daten verfügbar bzw. mit zumutbarem Aufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit zu beschaffen waren. Weiterführende Informationen können - ständig aktualisiert - über folgenden Link abgerufen werden: http://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach-Themen/Grundsicherung -fuer-Arbeitsuchende-SGBII/Sanktionen/SanktionenNav .html?year_month=201112 Zu Frage 4.3 ist der Landesregierung bekannt, dass die Jobcenter mit dem jeweiligen Träger der Jugendhilfe in der Regel Festlegungen und Verfahrensregelungen zur Kooperation getroffen haben, ohne dass diese in jedem Fall in einer schriftlichen Vereinbarung fixiert sind. Die Zusammenarbeit erfolgt sowohl auf strategischer Ebene als auch auf der Arbeitsebene. Nach den Rückmeldungen aus den Jobcentern wird die Zusammenarbeit zwischen beiden Trägern zumeist als gut und konstruktiv 4 eingeschätzt. Auf der Arbeitsebene sind die Ansprechpartner gegenseitig benannt worden, ein regelmäßiger Informationsaustausch wird gepflegt. Besonders zielführend sind gemeinsame Besprechungen zum weiteren Vorgehen im Einzelfall. Im Rahmen des Projekts „Arbeitsbündnis Jugend und Beruf“ arbeitet u. a. das Jobcenter Wittenberg seit 2011 intensiv mit dem jeweiligen kommunalen Partner zusammen. Weitere gemeinsame Einrichtungen werden die Zusammenarbeit mit dem Träger der Jugendhilfe im Jahr 2012 unter Nutzung der Erfahrungen der bestehenden Projekte noch forcieren. Zur Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen dem Träger der Jugendhilfe und dem Träger der Grundsicherung hat die Bundesagentur für Arbeit für die gemeinsamen Einrichtungen das Beispiel einer Kooperationsvereinbarung zur Verfügung gestellt , das als Anlage 3 beigefügt ist. Den zugelassenen kommunalen Trägern steht es frei, eine ähnliche Vereinbarung ebenfalls einzugehen. Frage Nr. 6: Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über Fälle vor, in denen die Sanktionierung zu Mietschulden und in Folge zu Wohnungslosigkeit führte? Antwort zu Frage Nr. 6: Dazu liegen der Landesregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor. Frage Nr. 7: Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor über die Auswirkungen von Sanktionen auf die Lebenslage der Betroffenen? Insbesondere zu der Frage, wie Betroffene von Sanktionen den Einkommensausfall kompensieren. Antwort zu Frage Nr. 7: Dazu liegen der Landesregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor. Die Landesregierung weist jedoch darauf hin, dass die Betroffenen bei Sanktionen über 30 % des Regelbedarfs nach § 31a Abs. 3 SGB II ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erhalten und damit den finanziellen Ausfall teilweise kompensieren können . Welche Einschränkungen letztlich aus der Minderung des Arbeitslosengelds II resultieren, hängt vom individuellen Verbrauchsverhalten der Betroffenen ab. Frage Nr. 8: Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob sanktionierte Personen in Folge der Sanktionen den Kontakt zum SGB II-Träger abbrachen? Wenn ja, bitte Zahlen einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben für die Jahre 2007 bis 2011. Antwort zu Frage Nr. 8: Dazu liegen der Landesregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor. Hinzu kommt, dass Personen jederzeit den Kontakt zum SGB II-Träger aus verschiedenen Gründen abbrechen können, ohne dass der Zusammenhang mit einer Sanktion dafür ursächlich gewesen sein muss. Die Landesregierung weist ferner darauf hin, dass die Betroffenen auch während einer Sanktion Anspruch auf umfassende Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit und die Träger weiterhin die Verpflichtung haben, alle für die Eingliederung in Arbeit erforderlichen Leistungen zu erbringen. 5 Frage Nr. 9: Wie viele von Sanktionen betroffene Leistungsempfänger in Sachsen-Anhalt haben gemäß § 31a Abs. 3 SGB II Sachleistungen oder geldwerte Leistungen beantragt? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben für die Jahre 2007 bis 2011. Bitte auch als Vom-Hundert-Satz angeben. Frage Nr. 10: Wie viele dieser Anträge auf Sachleistungen oder geldwerte Leistungen wurden genehmigt? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben für die Jahre 2007 bis 2011. Bitte auch als Vom-Hundert-Satz zur Gesamtzahl der Anträge angeben. Antwort zu Fragen Nr. 9 und 10: Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor, da diese Personengruppe statistisch nicht gesondert erfasst wird. Eine entsprechende gesetzliche Erfassungspflicht besteht nicht. Frage Nr. 11: Wie viele Widersprüche gegen Sanktionsbescheide wurden in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2007 bis 2011 eingereicht? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben. Antwort zu Frage Nr. 11: Nach § 51b SGB II in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung zur Erhebung der Daten vom 12. August 2010 (BGBl. I S. 1150) besteht erst seit dem Jahr 2011 die Pflicht zur Erhebung und Meldung statistischer Daten im Bereich der Rechtsbehelfsverfahren, wobei zur Datenübermittlung der zugelassenen kommunalen Träger an die Bundesagentur für Arbeit die notwendigen Schnittstellen zum Teil erst im Oktober 2011 in Betrieb genommen werden konnten. Die Erfassung nach Rechtsgebieten erfolgt daher in den gemeinsamen Einrichtungen und bei den zugelassenen kommunalen Trägern nicht einheitlich bzw. nicht in derselben Dichte. Die Landesregierung konnte über die Bundesagentur für Arbeit sowie die kommunalen Jobcenter Informationen zur Beantwortung der Fragen 11 bis 15 nur für die gemeinsamen Einrichtungen insgesamt sowie für einen Teil der zugelassenen kommunalen Träger und nur für das Jahr 2011 beschaffen. Danach gingen im Jahr 2011 bei den Jobcentern des Landes - ohne die Jobcenter Landkreis Harz und Jobcenter Landkreis Saalekreis - 2.586 Widersprüche gegen Sanktionsbescheide ein. Für die Grundsicherung für Arbeitsuchende insgesamt wurden im Jahr 2011 in diesen Jobcentern 44.920 Widersprüche erfasst. Frage Nr. 12: Wie häufig wurde vor dem Sozialgericht vorläufiger Rechtsschutz gem. § 86b SGG beantragt und wie viele Anträge wurden positiv beschieden? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger und auch als Vom-Hundert-Satz zur Gesamtzahl der Anträge angeben. Antwort zu Frage Nr. 12: Die Landesregierung interpretiert die Frage aus dem Sachzusammenhang. Danach können nur einstweilige Rechtsschutzverfahren gemeint sein, die Sanktionsentscheidungen der Jobcenter zum Gegenstand haben. Auf die Ausführungen zu Frage 11 wird verwiesen. Insgesamt wurden im Jahr 2011 gegen Sanktionsentscheidungen 6 der Jobcenter des Landes - mit Ausnahme der Jobcenter Landkreis Harz und Jobcenter Landkreis Saalekreis - in insgesamt 143 Fällen einstweiliger Rechtsschutz beantragt. Davon wurde in 21 Fällen (14,7 %) dem Antrag ganz oder teilweise stattgegeben . Insgesamt wurden in der Zuständigkeit der vorgenannten Jobcenter im Jahr 2011 1.539 Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Frage Nr. 13: Wie viele Widersprüche gegen Sanktionsbescheide hatten in Sachsen-Anhalt in den Jahren von 2007 bis 2011 Erfolg? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger und auch als Vom-Hundert-Satz zur Gesamtzahl der Widersprüche angeben. Antwort zu Frage Nr. 13: Auf die Ausführungen zu Frage 11 wird verwiesen. Von den in der Antwort zu Frage Nr. 11 genannten 2.586 Widersprüchen waren 846 ganz oder teilweise für die Widerspruchsführer erfolgreich. Dies entspricht einer Quote von 32,7 %. Frage Nr. 14: Wie viele Klagen gegen Sanktionsbescheide wurden in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2007 bis 2011 eingereicht? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben. Antwort zu Frage Nr. 14: Auf die Ausführungen zu Frage 11 wird verwiesen. Insgesamt wurden im Jahr 2011 gegen Sanktionsentscheidungen der Jobcenter des Landes - mit Ausnahme der Jobcenter Landkreis Harz und Jobcenter Landkreis Saalekreis - 185 Klagen erhoben. Für die Grundsicherung für Arbeitsuchende insgesamt waren im Jahr 2011 für diese Jobcenter 9.115 Klagen zu verzeichnen. Frage Nr. 15: Wie vielen Klagen gegen Sanktionsbescheide wurde ganz oder teilweise stattgegeben ? Bitte einzeln für alle Jobcenter und sonstigen SGB II-Träger angeben für die Jahre 2007 bis 2011 und auch als Vom-Hundert-Satz zur Gesamtheit der Klagen angeben. Antwort zu Frage Nr. 15: Auf die Ausführungen zu Frage 11 wird verwiesen. Von den in der Antwort zu Frage Nr. 15 genannten 185 Klageverfahren waren 7 ganz oder teilweise erfolgreich. Dies entspricht einer Quote von 3,8 %. Die Aussagekraft ist hier jedoch stark relativiert, weil ein erheblicher Teil der Klageverfahren aus 2011 noch nicht abgeschlossen ist. Frage Nr. 16: Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass die Sanktionierungsregeln gemäß § 31a Abs. 2 SGB II für unter 25-jährige Personen strenger sind als für über 25-Jährige und bereits nach einer Pflichtverletzung der Regelsatz komplett gestrichen wird? Antwort zu Frage Nr. 16: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter 25 Jahren befinden sich an den für den künftigen beruflichen Werdegang entscheidenden Stellen des Übergangs von der Schule in die Ausbildung und von der Ausbildung in den Beruf. Hier ist es besonders 7 wichtig, einer Verfestigung der Hilfebedürftigkeit und der Gewöhnung an den Leistungsbezug unbedingt entgegen zu wirken. Zu Beginn des Berufslebens müssen die Weichen in Richtung des ersten Arbeitsmarktes gestellt werden. Der Bundesgesetzgeber hat daher für diese Jugendlichen besondere Regelungen im SGB II geschaffen , in denen der Wille zum Ausdruck kommt, diese intensiver als andere Personengruppen zu unterstützen und sie zu motivieren, diese Unterstützung auch anzunehmen und aktiv an ihrer Eingliederung in Arbeit mitzuwirken. Bei den jungen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist das Grundprinzip des „Förderns und Forderns“ dementsprechend in besonderer Art und Weise anzuwenden. Die strengeren Sanktionsregelungen bilden dabei die Seite des „Forderns“ ab. Für die Seite des „Förderns “ sieht § 3 Absatz 2 SGB II vor, dass junge Leistungsberechtigte unverzüglich nach Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II in eine Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln sind. Wenn Leistungsberechtigte ohne Berufsabschluss nicht in eine Ausbildung vermittelt werden können, soll die vermittelte Arbeit auch zur Verbesserung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten beitragen. Darüber hinaus bestehen bei den unter 25-jährigen Leistungsberechtigten weitergehende Möglichkeiten der Abmilderung von Sanktionen als bei anderen Personengruppen , wenn diese sich nachträglich glaubhaft bereit erklären, bei ihrer Integration mitzuwirken. Insofern werden auch hier zusätzliche Anreize gesetzt. Dazu wird ergänzend auf die Antwort zu Frage Nr. 17 verwiesen. Frage Nr. 17: Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass Pflichtverletzungen seitens eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zur Streichung des soziokulturellen Existenzminimums führen kann? Hält die Landesregierung dies für vereinbar mit dem Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz und dem Art. 20 Grundgesetz (Sozialstaatsgebot )? Antwort zu Frage Nr. 17: Aus der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland lässt sich kein Recht auf die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen ableiten (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - vom 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09). Das Grundrecht aus Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 GG gebietet ein Eingreifen des Staates zum Schutz der Menschenwürde nur dann, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen. Folgerichtig kann von einer Person, die von der Gemeinschaft unterstützt wird, im Gegenzug verlangt werden , alles Zumutbare zu unternehmen, um ihren Lebensunterhalt selbst zu sichern. Die Mitwirkung der Leistungsberechtigten entspricht einem allgemeinen Prinzip im Sozialleistungsrecht, z. B. im Hinblick auf die Antragstellung, die wahrheitsgemäße Angabe von Tatsachen, die Erreichbarkeit, das persönliche Erscheinen bis hin zur Duldung von und zur Mitwirkung an Untersuchungen. Bei der Ausgestaltung des Existenzminimums - dies betrifft auch den Umfang der Mitwirkungspflichten - ist dem Gesetzgeber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 zur Bestimmung der Regelbedarfe („Regelsatzurteil“) ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, der umso weiter ist, je weniger es um das für die Existenz des Menschen Erforderliche und je mehr es um gesellschaftliche Teilhabe geht. Darauf aufbauend hat er dem Mitwirkungsgebot für erwerbsfähige Leistungsberechtigte in der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhebliche Bedeutung verliehen, ein Umstand, der vor allem im Prinzip des „Förderns und Forderns“ zum Ausdruck kommt. Dadurch wird der Nachrang dieser staatlichen 8 Sozialleistung und der Vorrang der Selbsthilfe in besonderer Art und Weise betont. Die Gewährung von Grundsicherungsleistungen ist mithin davon abhängig, dass die oder der Leistungsberechtigte alle anderen (Selbst-) Hilfemöglichkeiten ausgeschöpft haben muss. Die Sanktionsregelungen nach § 31 ff. SGB II sind dabei zentrale Normen . Sie bilden die Schnittstelle zwischen den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und flankieren die allgemeinen sowie speziellen Mitwirkungsverpflichtungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten . Aufgrund der vorgeschalteten Rechtsfolgenbelehrung - einer zwingenden Voraussetzung für den Eintritt einer Sanktion - ist auch sichergestellt, dass die Betroffenen nicht ohne Warnung Rechtsnachteilen ausgesetzt werden. Die Sanktionsregelungen sehen neben der gestuften Minderung des Arbeitslosengeldes II die Möglichkeit vor, (ergänzende) Sachleistungen oder geldwerte Leistungen , sowie Direktzahlungen an Vermieter und z. B. Versorgungsdienstleister zu erbringen . Das Jobcenter hat derartige Leistungen zu gewähren, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern im Haushalt leben. Daneben besteht die Möglichkeit , eine wegen einer wiederholten Pflichtverletzung eingetretene erhöhte Sanktion in eine geringere Sanktion abzumildern. So kann das Jobcenter bei unter 25-jährigen Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II den vollständigen Wegfall der Leistungen wegen wiederholter Pflichtverletzung so weit abmildern, dass die Leistungen für Unterkunft und Heizung wieder erbracht werden. Dies ist konsequenterweise an die Bedingung geknüpft, dass sich die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person glaubhaft nachträglich bereit erklärt, nunmehr ihren Pflichten bei der Eingliederung in Arbeit nachzukommen. Eine vergleichbare Regelung existiert für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Hier kann der vollständige Wegfall der Leistungen in eine nur noch 60-prozentige Minderung abgemildert werden. Damit hat es die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person maßgeblich selbst in der Hand, durch ihre Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit im Eingliederungsprozess ihre finanzielle Situation wieder zu verbessern und insbesondere Wohnungslosigkeit zu vermeiden. Möglich ist es bei unter 25-jährigen Leistungsberechtigten ferner, die Minderung der Bedarfe nach den §§ 20 und 21 SGB II unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von drei Monaten auf sechs Wochen zu verkürzen (§ 31b Absatz 1 Satz 4 SGB II). Darüber hinaus ist die Übernahme von Mietschulden in der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 22 Absatz 8 SGB II geregelt. anlage1124.pdf 7453anlage1 Anlage7453_Anlage2 Anlage3