Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1215 25.06.2012 (Ausgegeben am 25.06.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen in Natura 2000- und Naturschutzgebieten in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7497 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im März dieses Jahres hat das Landeszentrum Wald einen Antrag auf Befreiung von Ausbringungsverboten für Pflanzenschutzmittel in Naturschutzgebieten gestellt. Laut Antrag sei „zu beobachten, dass Forstschadinsekten in Eichenwäldern zunehmend Schaden verursachen, der lokal zu erhöhten Absterbe-Erscheinungen von Einzelbäumen und teilweise flächigem Verlust von Eichenbeständen“ führe. Weiter heißt es in dem Antrag, um in dem „erforderlichen Flächenumfang eine erfolgreiche Bekämpfung durchzuführen“, sei eine „Ausbringung von Insektiziden durch Hubschrauber mittels Spezialdüsen unabdingbar“. Laut Antrag sollen die Insektizide ‚Karate Forst Flüssig‘, ein Insektizid aus der Gruppe der synthetischen Pyrethroide, und ‚Dipel ES‘, ein biologisch wirksames Insektizid mit dem Wirkstoff Bacillus thuringiensis var. kurstaki, ausgebracht werden. Aus dem Antrag des Landeszentrums Wald geht jedoch nicht eindeutig hervor, welche Mittel konkret in welchen Gebieten eingesetzt werden sollen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Wurde die Ausnahmegenehmigung für die Ausbringung der Pestizide mittlerweile erteilt? Wenn ja, wann, durch welche Behörde und ggf. unter welchen Auflagen wurde die Genehmigung erteilt? In welcher Höhe (min./max.) über den betreffenden Gebieten soll die Ausbringung erfolgen ? Die Zulassung der eingesetzten Insektizide wurde durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit am 17.04.2012 erteilt. 2 Die Genehmigung zur Ausbringung hat das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt am 19.04.2012 erteilt. Auflagen: siehe Antwort zu Frage 9 Ausbringungshöhe: min. 5 m/max. 10 m über Bestandshöhe 2. Welches Pestizid wurde auf welcher Fläche eingesetzt? Welche Entschei- dungsgründe waren für die Wirkstoffwahl maßgeblich? Das Pflanzenschutzmittel (PSM) Karate Forst flüssig wurde auf rd. 1.880 ha, das PSM Dipel ES auf rd. 1.670 ha eingesetzt. In FFH-Gebieten wurde wegen der milderen Wirkung ausschließlich Dipel ES eingesetzt. 3. Welche Institution wählt nach welchen konkreten Kriterien die zu behan- delnden Flächen und die anzuwendenden Mittel aus und ab welcher Schadschwelle wurden die Waldgebiete für eine Behandlung vorgesehen? Inwieweit erfolgte eine zentrale Planung durch die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVN)? Die Schadschwellen sind konkret auf die aktuellen Hauptverursacher der Fraßschäden abgestellt. Es handelt sich dabei aktuell um Frostspannerarten, die im Herbst mit Leimringen am Stamm überwacht werden. Für den Kleinen Frostspanner gilt ein kritischer Wert von 1,0 Weibchen/cm Stammumfang, für den Großen Frostspanner entsprechend 0,4 Weibchen/cm Stammumfang; diese Werte zeigen den bevorstehenden erneuten Kahlfraß im nächsten Frühjahr an. Bei Mischbefall, insbesondere unter Beteiligung des Eichenprozessionsspinners und bekannter Vorschädigung werden abweichende Schwellenwerte errechnet und nach den lokalen Gegebenheiten abgeleitet. Die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) berät alle Waldbesitzer in Sachsen-Anhalt und leitet diese Aktionen fachlich. In enger Zusammenarbeit mit dem Landeszentrum Wald (LZWald) wurden die zu behandelnden Flächen abgegrenzt, die Mittelwahl getroffen und die Maßnahmen konkret vorbereitet. Während des Einsatzes sind Spezialisten der NW-FVA vor Ort an den Hubschrauberlandeplätzen und begleiten die Umsetzung der Maßnahmen fachlich. Die anschließende (technisch-digitale) Erfolgskontrolle der Behandlung erfolgt ebenfalls durch die NW-FVA. Die terrestrischen Erfolgskontrollen (= Fraßgrad nach Behandlung) erfolgen aktuell durch die jeweiligen Revierleiter bzw. Waldbesitzer. 4. Besteht oder bestand nach Auffassung der Landesregierung Gefahr im Verzug? Wenn ja, aus welchen Gründen? Welche Maßnahmen wurden beauflagt, um eine Gefährdung der Allgemeinheit auszuschließen? Ja, aufgrund der großflächigen, existenziellen Gefährdung von Eichenbeständen in Sachsen-Anhalt. Das Betreten von öffentlich zugänglichen, mittels Luftfahrzeugen behandelten Geländen ist für unbeteiligte Dritte 48 Stunden lang nicht gestattet. 3 5. Auf welchen Flächen in welchen Natura 2000- und Naturschutzgebieten wurden welche Insektizide bereits ausgebracht? Welche Bekämpfungsmaßnahmen in diesen Gebieten sind in diesem und im nächsten Jahr vorgesehen ? Bitte jeweils die Insektizide, die Reviere, Landkreise und die jeweils behandelte Fläche in Hektar angeben. Schutzgebiete wurden ausschließlich bei nachgewiesener akuter Gefährdung und ausschließlich mit dem biologischen PSM Dipel ES behandelt. In Natura 2000 Flächen: Landkreis ha Salzwedel 16,35 Jerichower Land 210,87 Stendal 109,00 Anhalt-Bitterfeld 70,24 Salzlandkreis 18,51 Wittenberg 258,50 Bördekreis 4,60 Stadt Dessau-Roßlau 33,61 In Naturschutzgebieten wurden keine Maßnahmen durchgeführt. Bekämpfungsmaßnahmen für das Folgejahr sind derzeit noch nicht prognostizierbar . 6. Wurde eine FFH*-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt? Wenn ja, von wem und mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, warum nicht? Es wurde keine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt, da die Maßnahme in den FFH-Gebieten eine Verwaltungsmaßnahme im Sinne des § 34 BNatSchG darstellt. Das heißt, es wird dem Verschlechterungsverbot entgegengewirkt. 7. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die flächige Ausbringung von Insektiziden mit dem für die Natura 2000-Gebiete geltenden Verschlechterungsverbot nach Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie vereinbar ist? Siehe Beantwortung Frage 6. * Flora-Fauna-Habitat 4 8. Wurde geprüft, mit welchen Beeinträchtigungen von Nichtziel-Insekten, insbesondere streng geschützten Arten und Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie, durch die Bekämpfungsmaßnahme zu rechnen ist? Wenn ja, zu welchen Ergebnissen führte diese Prüfung? Wenn nein, warum nicht? Bei der Planung wurden alle verfügbaren vorliegenden Informationen zu geschützten Arten einbezogen. Bedingt durch die spezifischen Eigenschaften der eingesetzten PSM und die erteilten Auflagen sind nur minimale Nebenwirkungen auf Nichtziel-Organismen (NZO) zu befürchten. 9. Mit welchen Methoden wurden im Zuge der Einsatzplanung die permanent und die periodisch wasserführenden Gewässer in der Nähe der Befallsflächen ermittelt und welche Mindestabstände wurden zum Schutz der Gewässer bei Behandlung eingehalten? Gewässer sind konsequent und gemäß den erteilten Auflagen des Bundesverbandes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ausgespart worden. Zunächst wurden die im ATKIS vorhandenen Gewässer entsprechend den vorgegebenen Auflagen gepuffert. Daneben sind weitere terrestrische Kartierungen durch Fachleute des LZWald erfolgt, die spezielles Augenmerk auf Kleingewässer im Wald gelegt haben. Alle bekannten Gewässer wurden erfasst, der NW-FVA gemeldet und sind mit den vorgegebenen Abständen gepuffert worden , sodass eine Kontamination von Oberflächengewässern ausgeschlossen ist. Für Dipel ES wurde vom Bundesverband für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ein beidseitiger Mindestabstand von 25 m festgelegt. Für Karate Forst flüssig wurde ein beidseitiger Mindestabstand von 100 m festgelegt. 10. Wurden chemische und nicht-chemische Alternativen zu den beantragten Maßnahmen geprüft? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, warum nicht? Es sind keine wirksamen nicht-chemischen Alternativen zu dieser Waldschutzmaßnahme bekannt. 11. Welche Termine für die Bekämpfungsmaßnahmen in den einzelnen Land- kreisen sind bzw. waren vorgesehen und wie und wann wurde die Öffentlichkeit informiert? Bitte einzeln nach Landkreisen auflisten. a) Bekämpfungstermine Landkreis/ kreisfreie Stadt Bekämpfungstermine Altmarkkreis Salzwedel 27.04. bis 01.05.2012 (Eiche) 30.05. bis 05.06.2012 (Kiefer) Stendal 28.04. bis 01.05.2012 (Eiche) 30.05. bis 31.05 2012 (Kiefer) Bördekreis 27.04.2012 (Eiche) 5 Landkreis/ kreisfreie Stadt Bekämpfungstermine Jerichower Land 28.04.2012 (Eiche) Salzlandkreis 27.04.2012 (Eiche) Anhalt-Bitterfeld 27.04. bis 29.04.2012 (Eiche) Wittenberg 29.04. bis 30.04.2012 (Eiche) Dessau-Roßlau 29.04. bis 30.04.2012 (Eiche) b) Information der Öffentlichkeit Die Öffentlichkeit wurde durch die zuständigen Forstbehörden formal durch den Erlass von Allgemeinverfügungen über die Bekämpfungsmaßnahmen informiert . Darüber hinaus erfolgten entsprechende Informationen in den Printmedien . Landkreis/ kreisfreie Stadt Allgemeinverfügung (Inkrafttreten) Pressemitteilungen Altmarkkreis Salzwedel 26.04.2012 (Eiche) 17.05.2012 (Kiefer) 12.04. und 28.04.2012 (Eiche; Volksstimme) 12.05. und 25.05.2012 (Kiefer; Volksstimme) Stendal 19.04.2012 (Eiche) 17.05.2012 (Kiefer) 19.04. und 26.04.2012 (Eiche; Volksstimme) 16.05. und 23.05.2012 (Kiefer; Volksstimme) Bördekreis 26.04.2012 (Eiche) 21.04.2012 (Volksstimme) 25.04.2012 (Generalanzeiger) Jerichower Land 26.04.2012 (Eiche) 09.01.2012 (allgemeine Inform.; Volksstimme) 25.04.2012 (Volksstimme) Salzlandkreis 26.04.2012 (Eiche) 23.04.2012 (Mitteldeutsche Zeitung) 25.04.2012 (Volksstimme) Salzlandkreis 26.04.2012 (Eiche) 23.04.2012 (Mitteldeutsche Zeitung) 25.04.2012 (Volksstimme) Anhalt-Bitterfeld 25.04.2012 (Eiche) 25.04.2012 (Volksstimme) 26.04.2012 (Mitteldeutsche Zeitung) Wittenberg 29.04.2012 (Eiche) 28.04.2012 (Mitteldeutsche Zeitung) 29.04.2012 (Sonntagsnachrichten) Dessau-Roßlau 29.04.2012 (Eiche) 28.04.2012 (Mitteldeutsche Zeitung) 6 12. Wie wird die Bevölkerung vor möglicherweise gesundheitsschädlichen Wirkungen der Insektizide geschützt? Ist der Landesregierung bekannt, ob durch die Ausbringung der Insektizide in diesem oder in einem der vergangenen Jahre die Gesundheit von Menschen und insbesondere von Kindern beeinträchtigt wurde? Die Bevölkerung wird durch die Sicherstellung der sachgemäßen Ausbringung der zur Anwendung kommenden Insektizide vor möglichen negativen gesundheitlichen Auswirkungen geschützt. Die betreffenden Waldflächen wurden gegen Betreten gesperrt; die Entnahme von Pilzen und Wildfrüchten untersagt. Negative gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen, die in Zusammenhang mit der Anwendung von Insektiziden auf Waldflächen in diesem oder in den zurückliegenden Jahren stehen sind nicht bekannt und bei sachgerechter Anwendung auch nicht zu erwarten. 13. Ist der Landesregierung bekannt, ob bei Menschen in den letzten Jahren allergische Reaktionen durch den Eichenprozessionsspinner hervorgerufen wurden? Welche Fälle sind aufgetreten? Es sind zahlreiche Fälle von Beeinträchtigungen an Menschen durch Raupenhaare des Eichenprozessionsspinners bekannt. Statistiken hierzu liegen nicht vor. 14. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Kosten der Ausbringung der Insektizide ein? Die Kosten für die PSM-Ausbringung belaufen sich auf ca. 600 T€. 15. Werden Privatwaldbesitzer durch die Landesregierung bei der Ausbrin- gung der Insektizide monetär oder anderweitig unterstützt? Wenn ja, besteht eine gleichwertige Unterstützung für die Anwendung von Alternativen bzw. Vorbeugemaßnahmen? Ja. Alternativen zu dieser Waldschutzmaßnahme gibt es nicht. 16. Welche Kontaktdosis bzw. Aufnahmekonzentration ist je Insektizid not- wendig, um wirksame Effekte gegen die Eichenfraßgesellschaften zu erzielen ? Wie viel Wirksubstanz in welchem Mischungsverhältnis ist je Hektar auszubringen? Die Genehmigung der Ausbringung erfolgt ausschließlich mit definierten Vorgaben zur Anwendung und mit der vom Bundesverband für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vorgegebenen Konzentration der PSM. Dipel ES wird mit 3,0 Liter in 50 Liter Wasser/ha ausgebracht. Karate Forst flüssig mit 75 ml in 50 Liter Wasser/ha. Beide PSM wirken nach den Erfahrungen der NW-FVA gut, das biologische PSM Dipel ES kann aber bedingt durch seine spezifischen Eigenschaften (z. B. nicht UV-stabil) unter ungünstigen Bedingungen unbefriedigend wirken. 7 17. Einer Veröffentlichung des Julius-Kühn-Instituts zufolge kann das Insektizid Dipel ES aufgrund der neu festgesetzten Anwendungsbestimmungen nicht nachhaltig wirken (Julius-Kühn-Institut, 2011). Wie stellt die Landesregierung die Wirkung sicher und wie interpretiert die Landesregierung eine nachhaltige Wirkung in diesem Zusammenhang? Nachhaltige Wirkungen von PSM sind im Wald grundsätzlich unerwünscht, es werden daher nur zugelassene PSM mit möglichst geringer Persistenz eingesetzt . Bei Dipel ES können zahlreiche Faktoren eine schnelle und ausreichende Wirkung verhindern. Insbesondere bei Hygieneschädlingen wie z. B. dem Eichenprozessionsspinner sind dann Wirkungsgrade von < 70 % sehr unbefriedigend, weil das allergene Potenzial der Raupenhaare durch die überlebenden Tiere erhalten bleibt und die Vermehrung anschließend wegen fehlender intraspezifischer Konkurrenz meist noch beschleunigt wird. 18. Wie werden die Insektizide nach Ausbringung abgebaut (Persistenz)? Wie lange sind die Insektizide und deren Abbauprodukte in der Umwelt (Bodenmatrix , Grundwasser, Oberflächengewässer) messbar? Sofern relevant , beabsichtigt die Landesregierung dies zu beobachten? Beide PSM haben eine relativ geringe Persistenz im Ökosystem, was auch so erwünscht ist. Dipel ES wird innerhalb weniger Tage unwirksam, vor allem wegen mangelhafter UV-Stabilität; außerdem ist das Mittel nicht regenstabil und wird mit dem ersten Regen abgewaschen. Karate Forst flüssig wird bei der ausgebrachten sehr geringen Konzentration ebenfalls innerhalb von zwei bis drei Wochen nahezu vollständig abgebaut. Beide PSM sind hinsichtlich der Abbauprodukte unbedenklich. Bedingt durch das enge Wirkungsfenster werden später fressende Arten in beiden Fällen meist gar nicht beeinträchtigt. Eine Wiederbesiedelung der Flächen, auch mit den früh fressenden Arten, ist in der Regel schon nach einem Jahr gegeben, spätestens aber nach zwei Jahren (Untersuchungen der NW-FVA). Bedingt durch die Ausbringungstechnik mit Hubschraubern werden überwiegend nur die Oberkronen behandelt, am Boden kommen nur Bruchteile des ausgebrachten Mittels an (max. 10 bis 15 %, in der Regel bleiben 90 % im Kronenraum). 19. Welche Strategien gegen die Ausbildung möglicher Resistenzen in Folge- generationen von Organismen aufgrund der Wirkweise der Insektizide werden verfolgt? Ausbildung von Resistenzen sind nicht zu befürchten, weil die eingesetzten PSM nicht regelmäßig und nicht flächendeckend ausgebracht werden. Daneben sind entsprechende Auflagen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zur maximal zulässigen Behandlungszahl in zehn Jahren zu beachten, was ebenfalls zum Resistenzmanagement beiträgt. 8 20. Ist es möglich, zukünftig einen flächendeckenden Einsatz von Insektiziden bzw. Chemikalien durch geeignete Monitoringmaßnahmen zu verhindern? Monitoringmaßnahmen sind in keiner Weise als Ersatz für Bekämpfungen geeignet . Sie dienen ausschließlich der Überwachung von Veränderungen. 21. Ein Zusammenbruch der Populationen kann erst nach einer Verschlechte- rung der Lebensbedingungen stattfinden (NW-FVN, 2011). Gibt es Maßnahmen , die zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen der Eichenfraßgesellschaften beitragen, die ergriffen werden können, insbesondere zur Verbesserung des Grundwasserhaushaltes in den Beständen und zum Schutz der natürlichen Feinde der Schadinsekten? Das Ziel der aktuellen Bekämpfungsmaßnahmen ist eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ für die Eichen. Das Gradationsgeschehen in der Eiche wird überwiegend durch physiologische Prozesse im Baum gesteuert. So hängt z. B. die Dichte des Kleinen Frostspanners von den sekundären Inhaltsstoffen der Eichenblätter ab (vor allem Phenole, Tannine). Da die Eiche nach mehrmaligem Kahlfraß in Verbindung mit Immissionen, Standortveränderungen und vor allem Witterungsextremen (warm-trockene Frühjahre) der letzten drei bis fünf Jahre aktuell massiv in ihren Reaktions- und Abwehrmöglichkeiten eingeschränkt ist, soll durch Ausschaltung des lokal erneut drohenden Frühjahrsfraßes der physiologische Status des Baumes wieder so angehoben werden, dass die normalen physiologischen Regulationsmechanismen wieder greifen können und sich das System in den Folgejahren wieder selbst stabilisiert. 22. Wurden in den vergangenen Jahren auch Insektizide zur Bekämpfung der Eichenfraßgesellschaften eingesetzt? Wenn ja, welche? Im Jahr 2009 wurden rd. 300 ha, im Jahr 2010 rd. 610 ha und im Jahr 2011 rd. 1.270 ha mit Dipel ES behandelt, jeweils incl. Amtshilfe bei der Gefahrenabwehr für Gemeinden. 23. Welche Flächen wurden in den letzten Jahren behandelt und wie wurde der Erfolg der durchgeführten Maßnahmen überprüft und bewertet? In den Vorjahren (siehe Frage 22) wurden Eichenflächen in geringerem Umfang behandelt. Eine Erfolgskontrolle und ein weiteres Waldschutzmonitoring werden durch die NW-FVN und das LZ Wald in den nächsten Jahren weitergeführt. 24. Können die Bestandesschäden der letzten Jahre quantifiziert werden? Bit- te in Festmeter Holz o. Ä., Euro insgesamt und wenn möglich aufgeschlüsselt nach Revieren oder Landkreisen angeben. Eine Quantifizierung der Schäden ist aus Sicht des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt aufgrund der vielschichtigen Besitzverhältnisse der betroffenen Flächen nicht möglich (z. B. keine Meldepflicht für Privatwaldbesitzer).