Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1295 13.07.2012 (Ausgegeben am 16.07.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hans-Jörg Krause (DIE LINKE) Fischerei am Süßen See Kleine Anfrage - KA 6/7513 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der „Süße See“ im Landkreis Mansfeld-Südharz ist eines der größten Gewässer in Sachsen-Anhalt und zu großen Teilen Eigentum des Landes. Dabei ist dieses Gewässer für die strukturschwache Region Mansfeld-Südharz und dem Wirtschaftsfaktor Tourismus von großer Bedeutung. Seit etwa zehn Jahren ist dieses Gewässer an einen neuen Fischer verpachtet. Seit vielen Jahren soll es Konflikte zwischen dem neuen Fischer und den anderen Nutzern des Süßen Sees, wie Anglern, Wassersportlern und Touristen geben. Die Vorwürfe reichen von der Überfischung des Gewässers, Wildfischerei (Fischen auf Flächen, welche der Fischer nicht gepachtet hat bzw. welche dem Naturschutzrecht unterliegen), Versperrung der Jachthäfen durch Stellnetze bis hin zu überhöhten Preisen für den Verkauf von Angelkarten und damit indirekte Schädigung des Tourismus . Außerdem soll es bereits mehrere Anzeigen gegen den Fischer geben. Laut Presse und dem MDR hat sich am 14. April 2012 eine Interessengemeinschaft am Süßen See gegründet, welche von den ortsansässigen Anglervereinen ASG Eisleben e. V. und dem Kreisanglerverein Sangerhausen e. V. mit rund 1.600 organisierten Anglern unterstützt wird. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Sind der Landesregierung die o. g. Probleme bekannt und ist sie über die Forderungen der Interessengemeinschaft informiert? Wenn ja, um welche Forderungen handelt es sich und inwiefern dürfte sich aus der Gesamtsituation Handlungsbedarf für die Regierung sowie für die zuständigen Behörden ergeben? 2 Der Landesregierung sind die oben genannten Probleme bekannt. Ziel der „Interessengemeinschaft Süßer See“ ist laut Pressemeldungen und Zeitungsberichten die Förderung des Angelsports, der Fischbestände, des Natur- und Umweltschutzes sowie des Tourismus in der Mansfelder Region. Das soll nach Aussagen einzelner Gründungsmitglieder der Interessengemeinschaft insbesondere dadurch erreicht werden, dass der bislang bestehende Fischereipachtvertrag zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und dem Fischereibetrieb am Kernersee aufgelöst wird und stattdessen die Fischereiausübungsrechte am Süßen See zum Zwecke der alleinigen Angelfischereiausübung an die „Interessengemeinschaft Süßer See“ verpachtet werden. Die zuständigen Landesbehörden (Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, Landesverwaltungsamt) sowie der Landkreis MansfeldSüdharz als untere Fischereibehörde haben bislang auf mehreren Beratungen mit den betroffenen Parteien die Situation erörtert. Eine einvernehmliche Lösung erscheint schwierig. Deshalb ist durch das Landesverwaltungsamt vorgesehen , die Bildung eines einheitlichen Fischereibezirks „Süßer See“ entsprechend § 18 Fischereigesetz (FischG) zu prüfen. Weiterhin wurde der Landkreis Mansfeld-Südharz als zuständige Behörde durch das Landesverwaltungsamt angewiesen, die Bestätigung des vom Berufsfischer bestellten Fischereiaufsehers zurück zu ziehen und den Fischer anzuweisen, den Fischereischutz entsprechend den Vorgaben des FischG durchzuführen. 2. Welches Bewirtschaftungskonzept lag bei der neuen Vergabe der Fische- reirechte am Süßen See vom jetzigen Fischer vor und erfolgte eine Kontrolle der Einhaltung dieses Konzeptes durch die zuständige Behörde? Wenn ja, welche Mängel wurden bisher festgestellt? Der jetzige Fischer hat 2002 die Betriebsflächen und Produktionsmittel vom vorherigen, aus Altersgründen aufgegebenen Fischereibetrieb am Kernersee übernommen und innerhalb weniger Jahre in einen gut geführten Fischereibetrieb überführt. Der Fischer ist verpflichtet, dem Süßen See alljährlich mindestens ca. 12 bis 15 t Zooplankton (tierisches Plankton) fressende Massenfischarten zu entnehmen, um entsprechend der wasserwirtschaftlichen Methode der Biomanipulation Einfluss auf den Stoffhaushalt und die Wassergüte des Sees nehmen zu können. Dieser Verpflichtung kommt der Fischer nach. Vor der Bewirtschaftung durch den jetzigen Bewirtschafter waren als Folge unzureichender Befischung regelmäßige Algenblüten während des Sommers und unzureichende Wassergütebedingungen zu verzeichnen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass durch den Fischer eine sachgerechte Bewirtschaftung nach dem vorstehenden Konzept erfolgt. Mängel sind bisher nicht festgestellt worden. 3. Welcher fischereiliche Ertrag je ha ist am Süßen See realistisch, ohne das Gewässer nachhaltig zu schädigen und wie viel Tonnen Fisch werden vom Fischer aus ca. 300 ha Wasserfläche insgesamt abgefischt? Für den Süßen See mit 260 ha fischereilicher Nutzfläche lässt sich ein möglicher theoretischer Ertrag zwischen 11,7 t und ca. 20,8 t ermitteln. Der Fi- 3 schereibetrieb hat dem Süßen See in den letzten fünf Jahren jährlich zwischen 18 und 22 t Fisch entnommen. Davon entfielen ca. 95 % auf Weißfische, die entsprechend dem wasserwirtschaftlichen Bewirtschaftungsziel so stark wie nur irgend möglich zu befischen und zu entnehmen sind. 4. Wie ist in einem natürlichen Gewässer das optimale Verhältnis von Raub- fisch zum Friedfisch und wird dieses Verhältnis am Süßen See eingehalten und welche wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es dazu? Die Bezeichnung „optimales Friedfisch-Raubfischverhältnis“ ist ein Begriff aus der fischereilichen Bewirtschaftungskunde. Er kennzeichnet dasjenige Verhältnis zwischen Friedfischen und Raubfischen, bei dem ein höchstmöglicher fischereilicher Ertrag (sowohl gewichtsmäßig als auch monetär) erzielt werden kann und nicht das Verhältnis zwischen diesen Fischgruppen, das sich in einem natürlichen, vom Menschen unbeeinflussten Gewässer herausbilden würde. In der fischereilichen Praxis gilt ein Verhältnis von ca. 20 bis 30 % Raubfischen und 70 bis 80 % Friedfischen als erstrebenswert. Im natürlichen Zustand, das heißt noch vor weniger als 100 Jahren, war der Süße See ein wasserpflanzenreicher Hecht-Schlei-See, dessen Fischbestand vornehmlich durch Arten wie Schleie, Karausche und Rotfeder als Friedfische sowie Hechte als Raubfische geprägt war. Heute ist der Süße See ein anthropogen beeinträchtigtes, eutrophes Gewässer. In solchen Seen findet der Hecht als natürlicher Gegenspieler hochrückiger Weißfische (Güster, Blei, Giebel) meist keine ausreichenden Lebensbedingungen mehr, wohingegen der Zander als Charakterfisch trüber Gewässer zwar solche Bedingungen toleriert, jedoch seinerseits nicht in der Lage ist, hochrückige Friedfische in nennenswertem Maße als Nahrung zu nutzen. Die Folge davon ist, dass in solchen anthropogen beeinträchtigten, trüben Flachseen wie dem Süßen See der Friedfischbestand zur Massenentwicklung neigt und dann das Zooplankton als natürlichem Gegenspieler zum Phytoplankton (pflanzliches Plankton) so weit dezimiert, dass es zu alljährlichen Algenblüten und Wassergüteproblemen für die Naherholung kommt. Eine wissenschaftliche Untersuchung, die im Auftrag des Staatlichen Amtes für Umweltschutz Halle 1995 durchgeführt wurde, bestätigte, dass genau dieser geschilderte Zustand beim Süßen See eingetreten war. Der Fischbestand des Sees bestand zu diesem Zeitpunkt überwiegend aus planktonfressenden Weißfischen (Güster, Blei, Plötze), bei deren Magenanalysen festgestellt wurde, dass sie sich zu nahezu 100 % von Zooplankton ernährten. Die damalige Befischung dieser Arten wurde als einer der Gründe für diese Entwicklung diskutiert . Eine wiederholte wissenschaftliche Untersuchung im Auftrag des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft im Jahr 2007 erbrachte unter der Bewirtschaftung des neuen Fischers bereits einen Wandel in der Artenzusammensetzung ; gleichwohl war der Anteil planktonfressender Weißfischarten nach Ansicht des Gutachtens noch immer zu hoch. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft hat deshalb ein mittelfristiges fischereiliches Bewirtschaftungsprogramm (2007 bis 2011) ent- 4 worfen, das den jetzigen Fischer verpflichtet, ein Höchstmaß an planktonfressenden Fischen dem Süßen See zu entnehmen. Dem ist der Fischer nachgekommen . 5. Wie ist die Fischereiaufsicht am „Süßen See“ geregelt und entspricht die- se Praxis den Vorgaben des Fischereigesetzes? Nach § 34 FischG obliegt der Fischereischutz neben den Fischereibehörden den Inhabern unbeschränkter Fischereiausübungsrechte und den von der unteren Fischereibehörde bestätigten Fischereiaufsehern. Die bestätigten Fischereiaufseher sind Personen, die vom Fischereiausübungsberechtigten örtlich begrenzt für den Bereich seines Fischereiausübungsrechts bestellt und von der Fischereibehörde bestätigt werden. Der Fischer ist von dieser gesetzlichen Vorgabe insoweit abgewichen, dass er die Fischereiaufsicht durch einen Privatdetektiv und einen bestätigten Fischereiaufseher durchführen lässt. Häufigster Kritikpunkt betroffener Angler war dabei der Sachverhalt, dass durch die beauftragte Detektei Bearbeitungsgebühren in teils beträchtlicher Höhe erhoben wurden. Das Landesverwaltungsamt hat daraufhin den Landkreis Mansfeld-Südharz als zuständige Behörde angewiesen , die Bestätigung des vom Fischer bestellten Fischereiaufsehers zurück zu ziehen und dafür zu sorgen, dass die Fischereiaufsicht am Süßen See entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durchgeführt wird. Der Landkreis hat nach anfänglichen rechtlichen Bedenken inzwischen ein Verfahren zum Widerruf der Bestätigung des Fischereiaufsehers eingeleitet. Zur Sicherstellung eines angemessenen Fischereischutzes bemüht sich der Landkreis darum, dass der Berufsfischer weitere Fischereiaufseher bestellt. Dem ist der Berufsfischer bislang nicht nachgekommen. Der Landkreis wird deshalb verstärkt eigene Kontrollen durchführen. 6. Hat die Landesregierung Kenntnis über den Verkauf von Jahresangelkar- ten seit Verpachtung des Süßen Sees an den neuen Fischer? Wenn ja, wie hat sich hier die Entwicklung in den zurückliegenden Jahren vollzogen? Bitte bei der Auflistung nach Jahresscheiben auch die Entwicklung des Preises berücksichtigen. Die Landesregierung hat keine detaillierte Kenntnis über den Verkauf von Jahresangelkarten am Süßen See und deren preisliche Entwicklung in den zurückliegenden Jahren. Derzeit liegen nach Angaben des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft die Kosten bei 130 € je Karte. Es werden zurzeit pro Jahr etwa 250 bis 300 Jahreskarten ausgegeben. 7. Wie ist der Verkauf von Angelkarten im Pachtvertrag geregelt? Nach dem Wortlaut des Pachtvertrages soll der Pächter die ortsansässige Bevölkerung und Gäste durch den Verkauf von Angelkarten in angemessenem Umfang an der Fischerei beteiligen. Ein unmittelbarer Anspruch Dritter entsteht hierdurch aber nicht. 5 8. Sind Tageskarten mit Nachtangeln von 38,00 € ein ortsüblicher Preis? Wenn nein, wie ist dieser Preis bzw. das Preis-Leistungs-Verhältnis einzuschätzen und wie hoch sind die Angelkartenpreise bei anderen Anbietern im Territorium? Die Tageskarte kostet 20 €. Für die Schülerkarte werden 5 € erhoben. Für das Nachtangeln wird zusätzlich ein Betrag von 18 € erhoben. Soweit bekannt, werden von den ortsansässigen Angelvereinen keine Tageskarten ausgegeben. Ansonsten entscheidet jeder Anglerverein im Rahmen seiner Fischereiausübungsrechte im eigenen Ermessen über die Ausgabe und das Entgelt für Angelkarten . Das Preis-Leistungs-Verhältnis von Angelberechtigungen wird von der Landesregierung nicht beurteilt. 9. Wie wirken sich die Einnahmen aus dem Angelkartenverkauf auf den Pachtzins aus? Die Einnahmen aus den Angelkarten wirken sich nicht auf den Pachtzins aus. 10. Welche Fördermittel, in welcher Höhe und für welche Maßnahmen wurden dem jetzigen Fischer auf welcher Rechtsgrundlage zur Verfügung gestellt ? Der Fischerhof befindet sich im Leader-Gebiet der lokalen Aktionsgruppe Mansfeld -Südharz (LAG MS). In diesem Bereich wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen im kommunalen und privaten Bereich gefördert. In der laufenden Förderperiode 2007 bis 2013 wurden durch das zuständige Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Süd die nachstehenden zwei Vorhaben des Fischerhofes gefördert: Förderperiode/ Aktenzeichen Zuwendungsbe - scheid vom Zuwendungszweck Gesamtausga - ben Fördermittel ausgezahlt am 322109002025 L 04.11.2009 Pflasterung 44.370 € 16.778 € 11.12.2009 322111000505 13.10.2011 Abriss Neben- gebäude (Schlachthaus) 82.200 € 27.640 € 22.12.2011 Die Förderungen erfolgten in beiden Fällen gemäß der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der regionalen ländlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt (RELE), Teil D und betreffen das Flurstück 37 der Flur 10 der Gemarkung Seeburg. Der Eigentümer dieser Fläche ist der Berufsfischer . In der vorherigen Förderperiode erfolgte im Rahmen von „Leader+“ eine Förderung des Fischerhofes zur „Errichtung einer gläsernen Verarbeitung zur ganzheitlichen Darstellung des Fischereihandwerks“ durch das Landesverwaltungsamt in Höhe von 58.500 €. Weiterhin erfolgte aus dem Europäischen Fischereifonds (EFF 2007 bis 2013) die Förderung einer mobilen Direktvermarktungseinrichtung in Höhe von 1.500 €. 6 11. Wäre aus Sicht der Landesregierung nach Ablauf des Pachtvertrages eine Verpachtung des Süßen Sees an die ortsansässigen Anglervereine im Interesse des Gemeinwohles denkbar? Die Verpachtung der Fischereiausübungsrechte des Landes Sachsen-Anhalt richtet sich nach den im Runderlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 29. August 2006 (Fundstelle: MBl. LSA 2006, S. 630) im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen festgelegten Grundsätzen. Eine Verpachtung an Berufsfischer widerspricht nicht automatisch dem Gemeinwohl . Tatsächlich erbringt im vorliegenden Fall der Fischer besondere Leistungen für die Verbesserung der Wassergüte und damit Leistungen, die im Interesse des Gemeinwohles liegen (vgl. Antworten zu Frage 3 und 4).