Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1343 03.08.2012 (Ausgegeben am 03.08.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Reform des Gerichtsvollzieherwesens Kleine Anfrage - KA 6/7565 Vorbemerkung des Fragestellenden: Zum 1. Januar 2013 wird das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in Kraft treten und mit grundlegenden Veränderungen für die Arbeit der Gerichtsvollzieher einhergehen . Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung Vorbemerkung: Im Zuge der Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts durch das in seinen wesentlichen Teilen zum 1. Januar 2013 in Kraft tretende Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2258) werden die Möglichkeiten der Beschaffung von Informationen über Schuldner zur Beitreibung titulierter Forderungen an den Beginn des Zwangsvollstreckungsverfahrens gestellt. Umfangreiche technische und organisatorische Umstellungen zur Umsetzung des Gesetzes sind bei den Gerichten, bei den Gerichtsvollziehern und bei den gegenüber den Gerichtsvollziehern auskunftspflichtigen Stellen notwendig. Künftig sind Schuldner zur Abgabe einer Vermögensauskunft an den Gerichtsvollzieher ohne vorherigen erfolgslosen Versuch einer Sachpfändung verpflichtet. Zudem wird das Verfahren der Vermögensauskunft sowie die Führung des Schuldnerverzeichnisses zentralisiert und automatisiert. Die Gerichtsvollzieher haben die Befugnis , auch von Dritten Informationen über die Vermögensverhältnisse von Schuldnern einholen zu dürfen. Sie können Fremdauskünfte bei den Trägern der Rentenversicherungen , beim Bundeszentralamt für Steuern und beim Kraftfahrt-Bundesamt zu Arbeitsverhältnissen, Konten, Depots oder Kraftfahrzeugen eines Schuldners anfor- 2 dern, wenn der Schuldner die verlangte Vermögensauskunft nicht oder nicht fristgerecht abgibt oder nach dem Inhalt seiner Auskunft nicht zu erwarten ist, dass die Forderung des Gläubigers vollständig befriedigt wird. Verfahrensrechtliche werden einige Aufgaben der Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte (§ 828 Abs. 2 ZPO) landesweit bei dem von der Landesregierung durch Rechtsverordnung zu bestimmenden zentralen Vollstreckungsgericht konzentriert. Die bei der Vermögensauskunft anzufertigenden Vermögensverzeichnisse werden von den zuständigen Vollstreckungsorganen jeweils als elektronische Dateien hergestellt , an die zentralen Vollstreckungsgerichte elektronisch versandt und von diesen verwaltet (§ 802k Abs. 1 ZPO). Über das bundesweite Vollstreckungsportal können die berechtigten Stellen (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsbehörden, Vollstreckungs- , Insolvenz- und Registergerichte sowie die Strafverfolgungsbehörden) dann jederzeit und länderübergreifend auf die Vermögensverzeichnisse zugreifen. Ferner werden die bislang dezentral geführten Schuldnerverzeichnisse mit der Reform zentral bei dem zentralen Vollstreckungsgericht geführt (§ 882h Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Eintragung in das Verzeichnis wird nicht mehr automatisch nach der Abgabe der Vermögensauskunft erfolgen, sondern aufgrund einer Anordnung des Gerichtsvollziehers nach Maßgabe der tatbestandlichen Voraussetzungen in § 882c Abs. 1 ZPO sowie der in § 882b Abs. 1 ZPO genannten weiteren Anordnungsberechtigten. Die Eintragungen werden ebenfalls über das bundesweite Vollstreckungsportal abrufbar sein. Einzelheiten hierzu wie u. a. die Form und Übermittlung der Vermögensverzeichnisse , der Eintragungsanordnungen zum Schuldnerverzeichnis und die Einsichtnahme in die geführten Schuldner- und Vermögensverzeichnisse sind vom Bundesministerium der Justiz im Verordnungswege zu regeln. Entsprechende Entwürfe einer Vermögensverzeichnisverordnung (VermVV), einer Schuldnerverzeichnisführungsverordnung (SchuFV) und einer Schuldnerverzeichnisabdruckverordnung (SchuVAbdrV) hat das Bundesministerium für Justiz bereits in den Bundesrat zugeleitet. Die Verkündung der drei Rechtsverordnungen steht noch aus. Darüber hinaus ist in Zukunft ein Formularzwang für den Vollstreckungsauftrag vorgesehen , der eine Standardisierung des Zwangsvollstreckungsauftrages ermöglicht. So ermächtigt § 753 Abs. 3 ZPO das Bundesministerium der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates zur Einführung verbindlicher Formulare für die Zwangsvollstreckung . Im Februar 2012 hat es Entwürfe der Zwangsvollstreckungsaufträge vorgelegt . Auch hier steht die endgültige Fassung noch aus. Im Hinblick darauf liegt der Kern der Rechtsänderungen nach Einschätzung der Landesregierung weniger bei einer Reform des Gerichtsvollzieherwesens, sondern es handelt sich mehr um eine Reform der Zwangsvollstreckung. Dies vorausgeschickt werden die Fragen wie folgt beantwortet: 1. Welche Vorbereitungen und Voraussetzungen haben das Land Sachsen- Anhalt und seine Kommunen bereits zur Umsetzung des zum 1. Januar 2013 inkrafttretenden Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung getroffen? Welche notwendigen Voraussetzungen sind noch zu treffen? 2. Wie weit ist der Umsetzungsstand des im Gesetz zur Reform der Sachauf- klärung in jedem Bundesland vorgesehenen zentralen Schuldnerregisters 3 am geplanten Standort Dessau-Roßlau? Wie weit sind die baulichen und technischen Voraussetzungen geschaffen? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Mit der Verordnung zur Bestimmung des zentralen Vollstreckungsgerichts vom 11. April 2012 (GVBl. LSA S. 134) hat die Landesregierung das Amtsgericht Dessau-Roßlau zum zentralen Vollstreckungsgericht nach § 802k Abs. 1 und § 882h Abs. 1 ZPO bestimmt. Die Überführung der am 1. Januar 2013 eintretenden Rechtsänderungen im Zwangsvollstreckungsrecht in das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt soll durch das Gesetzes zur Änderung verwaltungsvollstreckungs - und verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften erfolgen. Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Anhörung; die zweite Kabinettsbefassung ist für den 11. September 2012 vorgesehen. In Anlehnung an die bisherige Regelung zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in § 22 VwVG LSA ist vorgesehen, die Abnahme der Vermögensauskunft zunächst ausschließlich den Gerichtsvollziehern zuzuweisen. Über § 284 AO wird auch die Finanzverwaltung von der Reform der Zwangsvollstreckung einbezogen. Zum Umsetzungsstand des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in den Kommunen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Informationstechnologie Mit der Reform der Sachaufklärung wird die Schuldnerauskunft über das Internet im Rahmen eines zentral geführten Bundesportals (Vollstreckungsportal) realisiert. Nordrhein-Westfalen hat die Federführung für die Entwicklung und den späteren Betrieb der zentralen länderübergreifenden Abfragemöglichkeit im Internet nach § 882h Abs. 1 Satz 2 (Vollstreckungsportal) übernommen. Aktuell werden der Abschluss eines Staatsvertrages und einer Dienstleistungsvereinbarung vorbereitet. Daneben ist Sachsen-Anhalt dem Entwicklungsverbund „Ve§uV“ beigetreten. „Ve§uV“ soll als Fachanwendung für das zentrale Vollstreckungsgericht bei dem Amtsgericht Dessau-Roßlau zum Einsatz kommen. „Ve§uV“ wird ebenfalls federführend von Nordrhein-Westfalen entwickelt und ist an die Anforderungen des Vollstreckungsportals angepasst. Die Softwareentwicklung liegt im Zeitplan, obwohl die fachlichen Anforderungen immer noch nicht exakt feststehen. Die abschließende Ausgestaltung der technischen Abläufe ist abhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung der Rechtsverordnungen des Bundesministeriums der Justiz. Bedingung für eine Fertigstellung der Software zum Jahreswechsel ist der rechtzeitige Erlass der Rechtsverordnungen . 4 Die Hardwareausstattung für das zentrale Vollstreckungsgericht bei dem Amtsgericht Dessau-Roßlau ist vorbereitet. Die technische Prüfung zur Erhöhung der Bandbreite des ITN-LSA Anschlusses für das zentrale Vollstreckungsgericht bei dem Amtsgericht Dessau-Roßlau im Justizzentrum Dessau auf 34 MBit/s ist erfolgt . Die Bandbreite steht noch nicht zur Verfügung. Bauliche Voraussetzungen Die Einführung und Unterbringung des zentralen Vollstreckungsgerichtes erfordert lediglich die Instandsetzung bzw. Herrichtung von Büroräumen. Die entsprechenden Sanierungs- und Renovierungsarbeiten werden voraussichtlich im Monat August 2012 abgeschlossen sein. Schulungen der Gerichtsvollzieher In Vorbereitung auf erforderliche Schulungen der Gerichtsvollzieher des Landes Sachsen-Anhalt zum Inhalt des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung wurden in der Zeit vom 18. bis 22. Juni 2012 jeweils zwei Gerichtsvollzieher und zwei Gerichtsvollzieherprüfungsbeamte als Multiplikatoren ausgebildet. Diese werden in der Zeit ab dem 10. September 2012 in jeweils 3-tägigen dienstlichen Pflichtveranstaltungen für die Schulung aller Gerichtsvollzieher sorgen. 3. Wie werden das Land Sachsen-Anhalt und seine Kommunen die notwen- digen Ermittlungen der Gerichtsvollzieher hinsichtlich des Verbleibs des Schuldners (Wohnsitz) u. a. durch das Abfragen der notwendigen Daten bei den Einwohnermeldeämtern unterstützen? Ist eine zentrale Lösung diesbezüglich geplant? Mit der Reform dürfen die Gerichtsvollzieher zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Schuldners nach § 755 Abs. 1 ZPO und für eine etwaige Eintragungsanordnung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882c Abs. 3 i. V. m § 755 Abs. 1 ZPO bestimmte Daten des Schuldners erheben. Melderegister werden ausschließlich dezentral in den 122 Meldebehörden (Gemeinden und Verbandsgemeinden) geführt. Ein zentraler Meldedatenbestand auf Landesebene besteht in Sachsen-Anhalt derzeit nicht. Auskunftsersuchen bzw. Ersuchen der Gerichtsvollzieher nach § 755 Abs. 1 ZPO oder anderer öffentlicher Stellen auf Übermittlung von Meldedaten nach § 29 Abs. 1 des Meldegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (MG LSA) sind daher unmittelbar an die jeweils zuständige Meldebehörde zu richten. Besondere Verfahrensvorschriften für die Datenübermittlung der Meldebehörden an die Gerichtsvollzieher enthält § 755 Abs. 1 ZPO nicht, so dass diese erwartungsgemäß schriftlich erfolgen werden. Datenübermittlungen an andere öffentliche Stellen dürfen nach § 32 Abs. 1 MG LSA grundsätzlich auch auf automatisiert verarbeitbaren Datenträgern oder durch Datenübertragung erfolgen, wenn über die Identität der anfragenden Stelle kein Zweifel besteht und keine Übermittlungssperre nach § 35 Abs. 2 und 3 MG LSA vorliegt. Soll die Datenübermittlung per Datenübertragung erfolgen, 5 sind daneben dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit zu treffen, die insbesondere die Vertraulichkeit und die Integrität der im Melderegister gespeicherten und übermittelten Daten gewährleisten (§ 32 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 27 Abs. 2 Satz 2 MG LSA). Liegen diese Voraussetzungen vor, dürfen die Meldebehörden den Gerichtsvollziehern die o. a. Meldedaten auch im Wege der Datenübertragung übermitteln . Die Meldebehörden werden rechtzeitig vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung auf die den Gerichtsvollziehern nach § 755 Abs. 1 ZPO zustehenden Befugnisse bei der Erhebung bestimmter Meldedaten eines Schuldners hingewiesen werden. 4. Sind bereits alle datentechnischen Vorkehrungen getroffen, um die ver- fahrenstechnischen Abläufe zu garantieren? Falls nicht, bis wann sollen diese Voraussetzungen realisiert werden? Zur Beantwortung wird auf die Antwort auf die Fragen 1 und 2 verwiesen. 5. Wie hoch schätzt die Landesregierung die monatlichen Mehrkosten ein, die dem Landeshaushalt für den Fall entstehen, dass die Gerichtsvollzieher im Sinne der oben genannten Fragen zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung zum 1. Januar 2013 nicht arbeitsfähig sind? Die Mehrkosten können nicht beziffert werden, weil sie vom tatsächlichen Aufkommen der Vollstreckungsaufträge und der in ihrer Folge zu erzielenden Gebühreneinnahmen abhängig sind. Entscheidend ist aber, dass die Gerichtsvollzieher des Landes Sachsen-Anhalt hinsichtlich der ihnen entstehenden Kosten über § 5 der Verordnung über die Aufwandsentschädigung für Bürokosten der Gerichtsvollzieher vom 24.10.2008 (GVBl. LSA S. 376) insoweit abgesichert sind, als ihnen fehlende Beträge aus der Landeskasse zu ergänzen sind. 6. Ist Sachsen-Anhalt in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Reform der Sach- aufklärung in der Zwangsvollstreckung“ vertreten und wenn ja, durch wen? 7. Welche Positionen nimmt Sachsen-Anhalt in dieser Gruppe ein. Mit welchen Aktivitäten hat sich Sachsen-Anhalt eingebracht? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Die Landesjustizverwaltung Sachsen-Anhalt war in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung“ nicht vertreten . Der Arbeitsauftrag war mit der Einbringung des Gesetzentwurfes in den Bundesrat erledigt. Das gemeinsame Vorgehen der Landesjustizverwaltungen zur technischen Umsetzung des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstre- 6 ckung wird, wie alle länderübergreifenden technischen Belange der Justiz, in der Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz (BLK) abgestimmt. In der BLK ist Sachsen-Anhalt Mitglied. Die Arbeitsgruppe „Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung“ wurde 2007 von der BLK mit dem Auftrag eingesetzt, einen Vorschlag zur technischen Realisierung des Gesetzentwurfes zu unterbreiten. Mit der Vorlage des Schlussberichtes 2009 war der Arbeitsauftrag erledigt. Die Arbeitsgruppe wurde personengleich mit dem Arbeitstitel „Vollstreckungsportal“ fortgesetzt. Sie begleitet den technischen Umsetzungsprozess. 8. Wie schätzt die Landesregierung den Vorbereitungsstand in Gänze ein? Die Landesregierung geht davon aus, dass die erforderlichen Maßnahmen bis zum Ablauf des Jahres 2012 durchgeführt sein werden. Nach jetziger Einschätzung wird die Umstellung der Zwangsvollstreckung zum 1. Januar 2013 gelingen .