Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1344 03.08.2012 (Ausgegeben am 03.08.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Gerichtsvollzieher in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7564 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie viele Gerichtsvollzieher sind zurzeit in Sachsen-Anhalt tätig? Bitte diesbezüglich auch Alter und Geschlecht aufzeigen. In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit 152 Gerichtsvollzieher/innen, davon 91 männliche und 61 weibliche Gerichtsvollzieher, von denen aufgrund z. B. von Altersteilzeit und Elternzeit derzeit 146 Gerichtsvollzieher/innen, davon 88 männliche und 58 weibliche Gerichtsvollzieher, aktiv tätig sind. Die Altersstruktur der aktiven Gerichtsvollzieher/innen stellt sich wie folgt dar: Zahl der aktiven Bediensteten Alter gesamt weiblich männlich 31 bis 39 27 17 10 40 bis 49 93 33 60 50 bis 59 23 7 16 60 bis 65 3 1 2 gesamt 146 58 88 2 2. Wie viele Gerichtsvollzieher sind dies pro Einwohner? Wie sieht das Verhältnis im Vergleich zu den übrigen Bundesländern aus? Mit Stand 31.12.2011 waren in Sachsen-Anhalt 2.313.280 Gerichtseingesessene zu verzeichnen. Bei derzeit 146 aktiven Gerichtsvollzieher/innen entfällt damit auf 15.844 Einwohner ein Gerichtsvollzieher/eine Gerichtsvollzieherin. Ein Vergleich mit den übrigen Bundesländern ist nur auf der Grundlage der seitens des Statistischen Bundesamtes veröffentlichten Daten möglich. Die aktuellsten Daten weisen den Stand 31.12.2010 auf. Eine entsprechende Gegenüberstellung und Auswertung der Daten ist als Anlage beigefügt. Danach stellt sich das Verhältnis von Gerichtsvollziehern zu Einwohnern in Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich sehr gut dar. 3. Wie schätzt die Landesregierung die Personalentwicklung im Bereich des Gerichtsvollzieherwesens seit dem Jahr 2006 ein? Bitte nach Jahren gliedern . Die Personalentwicklung im Bereich des Gerichtsvollzieherwesens seit dem Jahr 2006 stellt sich auf der Grundlage des Personalbestandes zum 31.12. eines Jahres wie folgt dar: Jahr 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Personalbestand in Köpfen gesamt davon 157 155 157 156 152 150 weiblich 62 61 63 63 61 61 männlich 95 94 94 93 91 89 4. Ist die Anzahl der derzeitigen Gerichtsvollzieher in Sachsen-Anhalt für die Aufgabenerledigung ausreichend? Wenn nein, wie kann Abhilfe geschaffen werden? Dem aktuell festgestellten Personalbedarf von 138,24 Arbeitskraftanteilen an Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern steht ein Einsatz von 145,88 Arbeitskraftanteilen gegenüber. Dies entspricht einer personalwirtschaftlichen Belastung von 95 %. Die Anzahl der derzeitigen Gerichtsvollzieher in Sachsen-Anhalt ist für die Aufgabenerledigung ausreichend. 5. Existiert nach Auffassung der Landesregierung ein Sicherheitsrisiko in der täglichen Arbeit der Gerichtsvollzieher? Wenn ja, welches? Die Frage 5 wird gemeinsam mit Frage 6 beantwortet. 3 6. Sollte nach Einschätzung der Landesregierung den Gerichtsvollziehern ermöglicht werden, gegenüber den Polizeidienststellen eine mögliche Gefahrensituation wie auch einen möglichen Waffenbesitz (Waffenbesitzkarte ) von Schuldnern abzufragen? Aufgrund seiner besonderen Aufgabenstellung gehört der Beruf des Gerichtsvollziehers zweifelsohne zu den sicherheitsgefährdeten Berufen des öffentlichen Dienstes. Gelegentlich werden Gerichtsvollzieher anlässlich einer Amtshandlung durch eine vorsätzliche Gewalttat verletzt, im schlimmsten Fall - wie zuletzt am 04.07.2012 in Karlsruhe - auch tödlich. Allerdings sind solche Vorfälle für Sachsen-Anhalt bisher nicht vorgekommen. Die Zusammenarbeit der Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung mit der Polizei ist durch einen gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung geregelt (Gem. RdErl. vom 24.01.2002; JMBl. LSA S. 152). Danach können die Vollstreckungsbeamten die Polizei um Unterstützung ersuchen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles Widerstand gegen die Vollstreckungshandlung erwarten lassen. Die den Vollstreckungsbeamten zu leistende Unterstützung umfasst den persönlichen Schutz der Beamten und die Mitwirkung bei der Vollstreckungshandlung , soweit dies zur Überwindung des Widerstandes notwendig ist. Diese Form der Unterstützung schützt jedoch nicht vor Gefahrensituationen wie der in Karlsruhe. Über das Vorliegen waffenrechtlicher Erlaubnisse (und damit auch nicht über einen Besitz von Waffen) kann die Polizei grundsätzlich keine Auskunft erteilen, da sie die entsprechenden Daten nicht vorhält. Daten über waffenrechtliche Erlaubnisse sind nur bei den Waffenbehörden und im Melderegister hinterlegt. Sofern im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefahr für den Gerichtsvollzieher bei der Ausübung seiner Aufgabe vorliegen, kann er die Polizei um Amtshilfe ersuchen. Diese kann dann ihrerseits unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 und 3 Meldegesetz LSA eine Abfrage bestimmter Daten beim Melderegister vornehmen. 7. Wie beurteilt die Landesregierung das Vorhaben bzw. die Absicht von Landkreisen ein, öffentlich-rechtliche Forderungen durch private InkassoFirmen beitreiben zu lassen? Anlass der Frage sind offenbar aktuelle Presseberichte, wonach der Landkreis Mansfeld-Südharz beabsichtigt, offene Forderungen an ein privates Inkassounternehmen abzutreten. Das LVwA als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde hat hierzu berichtet, dass sich der Forderungsverkauf noch in der Vorbereitungsphase befindet. Auch die Prüfung, welche Forderungsarten abgetreten werden sollen, hat der Landkreis noch nicht abgeschlossen. Eine abschließende Bewertung der Zulässigkeit des konkreten Vorhabens kann daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgen. Generell gilt, dass es sich bei der Beitreibung von öffentlich-rechtlichen Geldforderungen im Verwaltungszwangsverfahren um einen typischen Bereich der hoheitlichen Eingriffsverwaltung handelt. Nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) bedarf es in diesem grundrechtsrelevanten Bereich für alle staatlichen Maßnahmen einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage . 4 Der Gesetzgeber hat im VwVG LSA detaillierte Regelungen hinsichtlich der Vollstreckungsvoraussetzungen, der Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörden, des Verfahrens und der Eingriffsbefugnisse getroffen. Die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen ist nach § 8 Abs. 1 VwVG LSA besonders bestellten Bediensteten zugewiesen. Öffentliche Stellen können ihre Leistungsbescheide durch Verwaltungsvollstreckungsbehörden beitreiben lassen. Sie sind damit deutlich gegenüber privaten Gläubigern privilegiert, die einen gerichtlichen Vollstreckungstitel benötigen. Die weitreichenden Befugnisse der Vollstreckungsbehörden (§ 6 VwVG LSA) müssen grundsätzlich unmittelbar hoheitlicher Verantwortung durch staatliche Organe vorbehalten bleiben. Nach § 107 GO LSA kann die Gemeinde die Kassengeschäfte ganz oder zum Teil von einer Stelle außerhalb der Gemeindeverwaltung besorgen lassen, wenn die ordnungsgemäße Erledigung und Prüfung nach den für die Gemeinde geltenden Vorschriften gewährleistet sind. Die Beitreibung von öffentlich-rechtlichen Geldforderungen und die Befugnis zur Zwangsvollstreckung können jedoch nicht auf eine Stelle außerhalb der Gemeindeverwaltung übertragen werden . Da die verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen -Anhalt eine Übertragung von hoheitlichen Vollstreckungsmaßnahmen auf Personen des Privatrechts nicht ausdrücklich vorsehen, könnte eine Abtretung von öffentlich-rechtlichen Forderungen an private Inkassounternehmen nach geltender Rechtslage gegen den Gesetzesvorbehalt verstoßen. Zulässig bleibt jedoch die Einschaltung eines privaten Unternehmens für bestimmte unterstützende Verwaltungshilfstätigkeiten (z. B. Versendung von Mahnungen und Bescheiden , Entgegennahme von Auskünften und Zahlungen). Darüber hinaus sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten, da auch für die Datenübermittlung an Dritte eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für die Wahrung des Sozialgeheimnisses gemäß § 35 SGB I bei der Beitreibung von Sozialforderungen sowie für die Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO. Von vornherein ausgeschlossen ist damit etwa der Verkauf von Grundsteuerforderungen. 5