Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1361 13.08.2012 (Ausgegeben am 13.08.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Pressemitteilung des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung vom 20. Juli 2012: Schulabschlüsse hinter Gittern Kleine Anfrage - KA 6/7579 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Pressemitteilung Nr.: 050/2012 erklärte die Justizministerin Professor Angela Kolb am 20. Juli 2012, dass „Gute Abschlüsse helfen, nach der Entlassung auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich Fuß zu fassen. Das ist ein wichtiger Baustein für ein Leben ohne Straftaten.“ Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie viele Gefangene befinden sich zurzeit in der Jugendanstalt Raßnitz? Bitte nach Alter und Strafrahmen getrennt darstellen. Zum Stichtag 31. Juli 2012 befanden sich insgesamt 280 Gefangene in der Jugendanstalt Raßnitz. Hiervon sind 31 Untersuchungsgefangene, die noch nicht rechtskräftig verurteilt sind. Die Altersstruktur und der Strafrahmen sind nachfolgend tabellarisch dargestellt. Strafmaß Alter in Jahren bis 1 Mo- nat 1-3 Monate 3-6 Mona- te 6-9 Monate 9 Monate bis 1 Jahr 1-2 Jahre 2-5 Jahre 5-10 Jahre Untersuchungshaft 14 1 15 6 16 1 2 2 3 17 1 4 7 6 18 1 5 10 4 19 1 4 7 11 12 3 20 1 3 14 26 4 4 21 2 2 Strafmaß Alter in Jahren bis 1 Mo- nat 1-3 Monate 3-6 Mona- te 6-9 Monate 9 Monate bis 1 Jahr 1-2 Jahre 2-5 Jahre 5-10 Jahre Untersuchungshaft über 21 Jahre 1 4 9 7 39 56 17 2 Summe 1 6 15 18 75 113 21 31 2. Wie viele der Gefangenen sind Analphabeten? Wie viele der Gefangenen haben keinen Schulabschluss? Wie viele der Gefangenen haben keinen Berufsschulabschluss? Von den 280 Gefangenen sind 12 Analphabeten, 174 haben keinen Schulabschluss und 263 verfügen über keinen Berufsabschluss. 3. Wie viele der Gefangenen befinden sich in einer Arbeitsmaßnahme, in ei- ner Schulausbildung, in einer beruflichen Ausbildung oder einer anderen Beschäftigungsmaßnahme? Stichtag der Datenerhebung ist der 31. Juli 2012. Alle unter Schulausbildung benannten Maßnahmen ruhen zu diesem Zeitpunkt, da in Sachsen-Anhalt Schulferien sind. Art der Maßnahme Inhalt der Maßnahme Anzahl Teilnehmer Schulausbildung Realschulkurs, Hauptschulkurs, Elementarkurse, Berufsvorbereitungsjahr 70 Berufliche Ausbildung Hochbaufacharbeiter, Bauten- und Objektbeschichter , Tischler, Gärtner/Garten- und Landschaftsbau 36 Sonstige Beschäftigungsmaßnahmen Schweißlehrgang Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BVB) Maßnahme des Europäischen Sozialfonds (ESF) 59 Arbeitsmaßnahmen Hausarbeiter und Küche 46 4. Wie viele der Gefangenen sind in keiner der unter Ziffer 3 genannten Maß- nahme? Wie gestaltet sich deren Tagesablauf? 69 Gefangene sind in keiner der unter Ziffer 3 genannten Maßnahmen. Von diesen befinden sich 30 Gefangene in der Aufnahmeabteilung, 20 Gefangene in der Untersuchungshaftabteilung und 19 Gefangene in den übrigen Abteilungen der Strafhaft. Davon befinden sich 18 Gefangene auf einer Warteliste für schulische Maßnahmen oder für eine Berufsausbildung (Ausbildungsbeginn ist im September 3 2012). 7 Gefangene waren zum Stichtag aus disziplinarischen Gründen verschuldet ohne Arbeit. Für die 69 nichtbeschäftigten Gefangenen existieren unterschiedliche Erziehungs -, Behandlungs- und Freizeitmaßnahmen. Der Tagesablauf der 30 Gefangenen, welche zum Stichtag in der Aufnahmeabteilung untergebracht sind, wird hauptsächlich davon bestimmt, dass die notwendigen Explorationen zur Sozialanamnese, zur Persönlichkeitserforschung und zum Ausbildungs-, Förder-, Behandlungs- und Therapiebedarf bei ihnen von den Fachdiensten durchgeführt werden (vgl. §§ 9,10 und 11 Jugendstrafvollzugsgesetz LSA). Ferner werden in der Aufnahmeabteilung, wie auch in den anderen Vollzugsabteilungen, Sport- und Freizeitmaßnahmen unterschiedlichster Art (Volleyball, Fußball, Tischtennis, Dart, Billard, Kreativzirkel etc.) angeboten . Unabhängig davon sieht der Tagesablauf, je nach Therapie- und Förderbedarf spezielle Behandlungs- und Soziale Trainingsmaßnahmen (Suchtberatung, Anti -Gewalt-Training, Schuldnerberatung, Deliktaufarbeitung, Psychotherapien etc.) für diese Gefangenen vor. 5. Wann beginnen die jeweiligen Ausbildungsmodule? Die auf einen schulischen oder beruflichen Abschluss orientierten Maßnahmen (Realschulkurs, Hauptschulkurs, Berufsvorbereitungsjahr und berufliche Erstausbildung ) beginnen jeweils entsprechend den Ferienregelungen des Kultusministeriums . Da im Berufsvorbereitungsjahr zwei Berufsbereiche zu belegen sind und diese hier organisatorisch nacheinander absolviert werden, ist der Einstieg auch zum Beginn des zweiten Schulhalbjahres möglich. In den übrigen Schulkursen, den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BVB) und der Maßnahme des Europäischen Sozialfonds ist ein laufender Einstieg möglich. 6. Finden die Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen eines Schulabschlusses bzw. zur Berufsausbildung in einem jährlichen oder kürzeren Rhythmus statt? Bitte die jeweiligen Gründe hierfür benennen, auch im Fall einer Verneinung. Im Realschulkurs und im Hauptschulkurs werden Gefangene auf die Teilnahme an den Prüfungen gemäß der Verordnung über die Prüfungen zum Erwerb des Hauptschulabschlusses und des Realschulabschlusses durch Nichtschülerinnen und Nichtschüler vorbereitet. Diese Verordnung regelt u. a. das Antragsverfahren und den Umfang der Prüfungen. Für die Teilnehmer an den Prüfungen zum Realschulabschluss bedeutet dieses, dass die schriftlichen Prüfungsaufgaben in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch der zentralen Abschlussprüfung an Sekundarschulen entsprechen und diese jeweils an den durch das Kultusministerium festgelegten Prüfungsterminen absolviert werden. Prüfungen zum Erwerb des Hauptschulabschlusses werden an diese Termine angelehnt. 4 Grundsätzlich obliegt die Festlegung der Prüfungstermine dem Landesschulamt . Mit Absolvieren der letzten mündlichen Prüfung ist die Maßnahme für den jeweiligen Gefangenen beendet. Ein Neueinstieg ist für die Gefangenen mit Beginn des folgenden Schuljahres möglich. Das Berufsvorbereitungsjahr beinhaltet für jeden Teilnehmer zwei Berufsbereiche , die in der Niederlassung Raßnitz des Landesbetriebes für Beschäftigung und Bildung (LBBG) nacheinander absolviert werden und jeweils ein Schulhalbjahr umfassen. Beginn und Ende werden entsprechend der Ferienordnung des Landes Sachsen-Anhalt bestimmt. Der Einstieg in dieser Maßnahme ist jeweils zum Beginn eines Schulhalbjahres möglich. Gesetzliche Grundlage für diese Maßnahme sind die durch das Kultusministerium vorgegebenen Rahmenrichtlinien im Berufsvorbereitungsjahr und die darin enthaltene Stundentafel. Die Maßnahmen der beruflichen Erstausbildung beginnen jeweils zum Anfang eines Schuljahres und enden, entsprechend den Festlegungen des Berufsbildungsgesetzes und der jeweiligen Ausbildungsordnung, nach zwei bzw. drei Jahren. 7. Wie viel Personal ist zurzeit in der Jugendanstalt Raßnitz tätig? Bitte ge- trennt nach Professionen darstellen. Zum Stichtag 31. Juli 2012 waren in der Jugendanstalt Raßnitz ohne den kriminologischen Dienst, der IT-Leitstelle, von anderen Behörden zeitweilig abgeordnete Mitarbeiter und Anwärter 167 Mitarbeiter tätig. Die Niederlassung Raßnitz des Landesbetriebes für Beschäftigung und Bildung der Gefangenen (LBBG) verfügte zum selben Stichtag über einen Personalbestand von 20 Mitarbeitern . Die Trennung nach den Professionen ist nachfolgend tabellarisch dargestellt. Jugendanstalt Raßnitz LBBG Niederlassung Raßnitz Beamte 153 13 Tarifbeschäftigte 14 7 davon: Laufbahngruppe 2, 2. Einstiegsamt (ehemals höherer Dienst) Anstaltsleiter 1 Vollzugsleiter 1 Psychologen 5 Ärzte 2 Oberlehrer im JVD 5 Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt (ehemals gehobener Dienst) Geschäftsleiter 1 Wirtschaftsleiter 1 5 Jugendanstalt Raßnitz LBBG Niederlassung Raßnitz Sicherheitsdienstleiter 1 Leiter Fachbereich 13.1 1 Vollzugsabteilungsleiter 5 Sozialarbeiter 4 Betriebstechniker/Sicherheitsing. 1 Laufbahngruppe 1, 2. Einstiegsamt (ehemals mittlerer Dienst) allgemeiner Vollzugs- und Verwaltungsdienst 131 3 Verwaltung 7 Schreibdienst 3 Kraftfahrer 1 Hausmeister 1 MTA Röntgen 1 Mittlerer Werkdienst 12 Gesamtpersonalbestand 167 20 8. Wie beurteilt die Landesregierung den aktuellen Personal-Ist-Stand in der Jugendanstalt Raßnitz in Bezug auf § 3 Jugendstrafvollzugsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt und den darin festgeschriebenen Erziehungsauftrag ? Um dem in § 3 Jugendstrafvollzugsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt festgeschriebenen Erziehungsauftrag gerecht werden zu können, ist naturgemäß ein höherer Personaleinsatz erforderlich als im Erwachsenenstrafvollzug. Kerngedanke des Jugendstrafvollzugsgesetzes ist ein differenziertes Behandlungskonzept sowie ein gestuftes System schulischer und beruflicher Ausbildung. Daraus resultiert, dass eine Mindestanzahl von Binnendifferenzierungsmöglichkeiten unabhängig von der Anzahl der dort tatsächlich jeweils betroffenen Gefangenen vorgehalten werden muss. Diese dem Jugendstrafvollzug wegen des Erziehungsauftrags innewohnenden Besonderheiten führen dazu, dass bei einem Rückgang der Gefangenenanzahl nicht in gleichem Maße das dafür vorzuhaltende Personal reduziert werden kann. Aufgrund der insgesamt angespannten Personallage im Strafvollzug in Sachsen-Anhalt kann deshalb der für die optimale Umsetzung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafvollzug gebotene Personalschlüssel nicht immer gewährleistet werden. 9. Sieht die Landesregierung Handlungs- bzw. Änderungsbedarf hinsichtlich der Personalentwicklung gemäß Personalentwicklungskonzept der Landesregierung ? Wenn ja, welchen? Mit der Umsetzung des von der Landesregierung am 21. Februar 2012 beschlossenen Konzepts der Konzentration des Justizvollzugs an drei Standorten (Burg, Raßnitz und Halle) bis zum Jahr 2018 sieht die Landesregierung bezüglich des geltenden Personal-Entwicklungs-Konzepts (PEK) 2011 - 2025 keinen Handlungs- bzw. Änderungsbedarf.