Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1367 14.08.2012 (Ausgegeben am 15.08.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Genehmigungsverfahren Schweinemastanlage in Kunrau Kleine Anfrage - KA 6/7546 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Ortschaft Kunrau in der Einheitsgemeinde Stadt Klötze soll laut Antrag der niedersächsischen Investoren „Bauherrengemeinschaft Kunrauer und Bentheimer Schweinemast GmbH & Co. KG“ vom 15. Juni 2010 eine Schweinemastanlage mit 8 250 Tierplätzen entstehen (siehe Tabelle auf der Internetseite des Landesverwaltungsamtes „Genehmigungsverfahren – Tierhaltungsanlagen (Sp. 1/2 Nr. 7.1 der 4. BImSchV)“ mit Stand vom Mai 2012). Bereits nach erstem Bekanntwerden der Investorenpläne lehnte der damalige Gemeinderat Kunrau das Projekt am 26. März 2009 ab. Im Nachgang wurden 1 498 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern gesammelt, mit denen der Protest gegen das Vorhaben zum Ausdruck gebracht wurde. Darüber hinaus wurden 250 schriftliche Einwendungen beim Landesverwaltungsamt eingereicht. Diese wurden beim Erörterungstermin des Landesverwaltungsamtes am 26. Juni 2012 im Schloss Kunrau öffentlich vorgetragen. Bei diesem Erörterungstermin wurden diverse neue Erkenntnisse sichtbar. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Inwiefern wirken sich die Erkenntnisse durch die Einwendungen und des Erörterungstermins auf das laufende Genehmigungsverfahren aus? Die Einwendungen und die Erörterung werden durch die beteiligten Behörden und durch die Genehmigungsbehörde bewertet und gehen in die Antragsprüfung ein, sofern die Genehmigungsvoraussetzungen betroffen sind. 2 2. Inwiefern beurteilt die Landesregierung im laufenden Genehmigungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb einer Schweinemastanlage in Kunrau die Notwendigkeit zur Durchführung eines Raumordnungsverfahrens (ROV) entsprechend des Erlasses des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr vom Dezember 2009 zur landesplanerischen Behandlung von Tierhaltungsanlagen ? Mit welcher Begründung sind welche der Prüfkriterien 1 bis 7 erfüllt und welche nicht? Gemäß Erlass zur landesplanerischen Behandlung von Tierhaltungsanlagen ist ein Raumordnungsverfahren erforderlich, wenn Raumnutzungskonflikte vorliegen, das heißt Kriterium 1 zutrifft, oder wenn die Kriterien 2 bis 7 mehrheitlich zutreffen. Die dementsprechende Prüfung des Vorhabens hat kein Erfordernis für die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens ergeben. Die einzelnen Prüfkriterien wurden wie folgt beurteilt: Kriterium 1 – Raumnutzungskonflikte: nein Das Vorhaben befindet sich weder innerhalb eines Vorranggebietes noch innerhalb eines Vorbehaltsgebietes nach dem Landesentwicklungsplan 2010 oder dem Regionalen Entwicklungsplan für die Region Altmark. Eine unmittelbare Nachbarschaft zu Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten ist ebenfalls nicht gegeben. Die nächstgelegenen Vorbehaltsgebiete für den Aufbau eines ökologischen Verbundsystems befinden sich ca. 1.650 m in nördlicher bzw. ca. 1.700 m in südlicher Richtung entfernt. Raumnutzungskonflikte sind nicht erkennbar. Kriterium 2 – Abstand des Standortes zur Bebauung: trifft zu Die nächstgelegene Wohnbebauung von Kunrau liegt ca. 1.100 m südlich und von Rappin ca. 1.200 m nordwestlich der Anlage. Der Orientierungswert bei Anlagen mit mehr als 700 Großvieheinheiten von 1.200 m Abstand zur Wohnbebauung wird somit unterschritten. Die Immissionsprognose für Geruch, Ammoniak, Stickstoff und Staub (IFU GmbH vom 30.8.2011) kommt zu dem Ergebnis, dass erhebliche Geruchsbelästigungen durch die geplante Anlage nicht zu erwarten sind. Die Immissionswerte der Geruchsimmissions -Richtlinie zur Beurteilung der Geruchsimmissionen werden nicht überschritten , bzw. die Zusatzbelastung an den Immissionsorten ist irrelevant. Kriterium 3 – Raumbedeutsamkeit aufgrund der Flächeninanspruchnahme: nein Die Flächeninanspruchnahme beträgt lediglich 1,40 ha. Der Vorhabenstandort befindet sich inmitten von Ackerflächen des Kunrauer Sanders. Markant sind die mobilen und fest installierten Beregnungsanlagen, die die Landschaft einschließlich der Elektroleitung und der Neuferchauer Windenergieanlagen technogen überprägen. Raumbedeutsame infrastrukturelle Einrichtungen werden nicht erforderlich. Kriterium 4 – Verbrauch wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche: nein Gemäß Bodenatlas und Bodenwertpunktzahl von < 24 ist die Fläche als geringer Ertragsstandort einzustufen. Der Bodenrichtwert gemäß Bodenrichtwertkarte liegt mit 35 im unteren Bereich. 3 Kriterium 5 – Anstieg der verkehrlichen Belastung: nein Laut schalltechnischer Prognose vom 07.09.2011 ist zwar anzunehmen, dass der größere Anteil der LKW-Fahrten von und in Richtung Süden durch die Ortslage Kunrau führt – aber selbst wenn unterstellt würde, dass der gesamte LKW-Verkehr durch die Ortslage Kunrau führe, wären dies im Jahresmittel nur 6 LKW-Fahrten pro Kalendertag . Es können daher schädliche Umwelteinwirkungen durch Straßenverkehrsgeräusche vom anlagenbezogenen LKW-Verkehr in den benachbarten Orten ausgeschlossen werden. Die verkehrliche Anbindung der Anlage erfolgt über die angrenzende K 1397 und tangiert hier keine Wohnbebauung. Kriterium 6 – Kumulative Wirkung: nein Gemäß Geoinformationssystem befinden sich zwei weitere Tierhaltungsanlagen im Umfeld der geplanten Schweinemastanlage, diese spielten aber im Rahmen der belästigungsrelevanten Gesamtbetrachtung keine Rolle. Die Immissionsprognose kommt zu dem Ergebnis, dass die Zusatzbelastung an den Immissionsorten irrelevant ist. Immissionen durch Schwebstaub und Staubniederschlag werden das Schutzgut Mensch nicht schädigen bzw. erheblich belästigen. Die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm werden eingehalten bzw. deutlich unterschritten . Kriterium 7 – Verwertung der Wirtschaftsdünger: trifft zu Da ein Nachweis der Gülleabnahme (Abnahmeverträge) zum Zeitpunkt der Prüfung nicht vorlag, wurde das Kriterium als zutreffend gewertet. Die Unterlagen zum Nachweis der Gülleausbringungsflächen wurden mit den Antragsunterlagen für das Genehmigungsverfahren vorgelegt. 3. Hat die zuständige Einheitsgemeine Stadt Klötze das gemeindliche Einver- nehmen erteilt? Wenn ja, wann und durch wen? Ist das gemeindliche Einvernehmen durch einen Beschluss des Stadtrates der Einheitsgemeinde Stadt Klötze zustande gekommen? Wenn nein, warum nicht? Wie wurde der Kunrauer Ortschaftsrat und Ortsbürgermeister an dieser Entscheidung beteiligt ? Wenn keine Beteiligung erfolgte, warum nicht? Mit Schreiben vom 03.11.2011 wurde durch den Bürgermeister Herrn Matthias Mann das gemeindliche Einvernehmen zum Vorhaben erteilt. Die Genehmigungsbehörde forderte daraufhin den Stadtratsbeschluss an. Dies wurde seitens der Stadt Klötze in dem Sinne beantwortet, dass gemäß § 8 der Hauptsatzung der Stadt Klötze die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu Entscheidungen in baurechtlichen Verfahren dem Bürgermeister zur selbständigen Erledigung übertragen wurde. 4 Durch die Genehmigungsbehörde wurde dieser Sachverhalt der Prüfung durch die Kommunalaufsicht des Altmarkkreises und das Landesverwaltungsamt unterworfen mit dem Ergebnis, dass das gemeindliche Einvernehmen als rechtmäßig erteilt gilt. Weitere Prüfungen sind nicht Aufgabe der Genehmigungsbehörde. Im Übrigen gilt gemäß § 36 Abs. 2 des Baugesetzbuches das gemeindliche Einvernehmen als erteilt , wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert wurde. Eine Verweigerung liegt nicht vor. 4. Die Ortschaft Kunrau grenzt in direkter Lage an den Naturpark Drömling. Der Naturpark Drömling ist Rückzugsgebiet für seltene oder vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Die Landesregierung will das Gebiet nach Ablauf der derzeit laufenden zweiten Förderphase des Naturschutzgroßprojektes im Jahr 2012 zu einem Biosphärenreservat weiterentwickeln. Inwiefern wird dieses Ziel im Genehmigungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb einer Schweinemastanlage in Kunrau berücksichtigt? Sieht die Landesregierung die Weiterentwicklung des Naturparks Drömling zu einem Biosphärenreservat durch eine Genehmigung der geplanten Schweinemastanlage in Gefahr? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, was gedenkt die Landesregierung zu tun, um Beeinträchtigungen des Naturparks Drömling bzw. des geplanten Biosphärenreservats durch die geplante Schweinemastanlage zu verhindern? Der Naturpark Drömling liegt in einem Abstand von ca. 1.600 m vom Anlagenstandort entfernt. Die Auswirkungen des geplanten Anlagenbetriebes auf den Naturpark werden im Rahmen der Antragsprüfung bewertet. Dazu wird ein Untersuchungsraum mit einem Radius von 1.163 m um den Anlagenstandort erfasst. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Die Naturparkverwaltung Drömling wurde im Genehmigungsverfahren beteiligt. Beeinträchtigungen durch den Anlagenbetrieb würde den Schutzzielen des Naturparks widersprechen und sind deshalb auszuschließen, was für ein Biosphärenreservat gleichermaßen gelten würde. Die Ausweisung als Biosphärenreservat ist politisches Ziel und kann deshalb rechtlich im laufenden Genehmigungsverfahren nicht Gegenstand der Prüfung sein. 5. Sieht die Landesregierung für die Kunrauer Umgebung eine Beeinträchti- gung des entstandenen „sanften Tourismus“ durch eine mögliche Genehmigung und Betrieb der geplanten Schweinemastanlage? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, was gedenkt die Landesregierung dagegen zu tun? Der Landesregierung ist bekannt, dass die Ortschaft Kunrau mit dem Schloss Kunrau als Tor zum Drömling bezeichnet wird. Kunrau ist neben dem Schloss und dem Schlosspark Anziehungspunkt und Ausgangspunkt von regional wichtigen Wanderund Radwegen. Der Standort der geplanten Schweinemastanlage liegt innerhalb von Ackerflächen. Insoweit sind Auswirkungen auf den sanften Tourismus nicht zu erwarten (siehe auch Antwort zu Frage 2). 5 6. Kann die Landesregierung bestätigen, dass für die geplante Schweinemastanlage in Kunrau eine wirksame Abluftreinigung vorgesehen ist, sodass entsprechend § 5 Abs. 1, Nr. 1 BImSchG schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können? Wenn nein, warum nicht? Es ist Genehmigungsvoraussetzung, dass die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG eingehalten wird. Für die geplante Schweinemastanlage ist die Errichtung und der Betrieb einer Abluftreinigungsanlage nicht beantragt. Die Antragsprüfung dazu ist noch nicht abgeschlossen. 7. Nach § 5 Abs. 1, Nr. 2 BImSchG muss Vorsorge gegen schädliche Umwelt- einwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen werden, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen. Welche Maßnahmen werden im Fall der Schweinemastanlage Kunrau zu treffen sein? Siehe dazu auch Antwort zu Frage 6. Über die zu treffenden Maßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen kann erst nach Abschluss der Antragsprüfung entschieden werden.