Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1388 27.08.2012 (Ausgegeben am 27.08.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Franziska Latta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rechtliche Grundlagen zur Ausstellung von Gesellen- und Gesellinnenbriefen Kleine Anfrage - KA 6/7573 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die „Volksstimme“ berichtete am 18. Mai 2012 unter der Überschrift „BürokratiePosse : Kein Gesellenbrief trotz bestandener Prüfung“ auf ihrer Landesseite über die Nichtgewährung eines Gesellinnenbriefes durch die Handwerkskammer Magdeburg für eine junge Frau, die ihre Prüfung vor der Prüfungskommission der Wernigeröder Maler- und Lackierinnung erfolgreich abgelegt hatte. Nach dem Pressebericht stützt sich die Kammer auf Paragraf 31 und 33 der Handwerksordnung, wonach „Prüflingen , die nicht in einem Handwerksbetrieb gelernt haben, nur ein Prüfungszeugnis zusteht“. Aus dem Pressebeitrag geht weiterhin hervor, dass die Landesregierung diese Auslegung offenbar stützt, indem durch das Wirtschaftsministerium darauf verwiesen wird, dass in der Handwerksordnung „ein Gesellenbrief nicht vorgeschrieben ist“. Die Handwerkskammer Halle andererseits sieht dadurch einen ausreichenden Ermessensspielraum gegeben, um auch für Prüflinge von Bildungsträgern Gesellenbriefe auszustellen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage Nr. 1: Wie hoch ist die Zahl von erfolgreichen Gesellenprüfungen vor einer Innungskommission von Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Berufsausbildung bei einem Bildungsträger im Ausbildungsjahr 2010/2011? Wie hoch ist die Zahl der dafür durch die Handwerkskammern in Magdeburg und Halle ausgegebenen Gesellenbriefe? Bitte differenziert angeben nach Kammerbezirken sowie nach Berufsgruppen und Geschlecht. 2 Bestandene Gesellenprüfungen im Prüfungsjahr 2011 bei einer außerbetrieblichen Einrichtung (Bildungsträger): Handwerkskammer Halle Handwerkskammer Magdeburg Berufsgruppe männlich weiblich männlich weiblich Bau- und Ausbauhandwerke 52 7 62 11 Elektro-Metallhandwerke 185 4 167 3 Holzhandwerke 23 2 54 4 Bekleidungs-, Textil- und Lederhandwerke 1 3 0 0 Nahrungsmittelhandwerke 13 8 0 0 Gesundheits- und Körperpflege 14 26 4 27 Sonstige Handwerke 3 3 0 0 Insgesamt 291 53 287 45 Jede und jeder Auszubildende mit erfolgreich abgeschlossener Gesellenprüfung erhält ein Zeugnis gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 der Handwerksordnung (HwO). Es liegen keine statistischen Angaben vor, die eine gesicherte Aussage über die Anzahl an ausgereichten Gesellenbriefen zulassen, da eine entsprechende Erfassung nicht erfolgt. Die Ausreichung des Gesellenbriefes erfolgt in der Regel zusätzlich zum ausgehändigten Zeugnis. Ihm kommt ein traditioneller Charakter zu. Die Abnahme der Gesellenprüfung und damit die Aushändigung des Zeugnisses erfolgen im Kammerbezirk der Handwerkskammer Halle und der Handwerkskammer Magdeburg größtenteils durch die Handwerksinnungen und nicht durch die Handwerkskammern selbst. Frage Nr. 2: Welche konkrete rechtliche Beurteilung war für die von der „Volksstimme“ zitierte Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums maßgebend? Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 HwO ist jeder und jedem Auszubildenden am Ende der Ausbildung ein Prüfungszeugnis durch die zuständige Stelle auszustellen, dem zu entnehmen ist, mit welchem Ergebnis sie oder er in einem bestimmten Ausbildungsberuf die Prüfung bestanden hat. Es ist dabei unerheblich, ob der Prüfling eine betriebliche oder außerbetriebliche Ausbildung absolviert hat. Auf die Ausstellung des Prüfungszeugnisses besteht ein Rechtsanspruch. 3 Die Handwerksordnung schreibt nicht vor, dass neben dem Prüfungszeugnis auch ein „Schmuckbrief“ (Gesellenbrief) zu überreichen ist. Hierbei handelt es sich um eine tief verwurzelte Tradition im Handwerksbereich. Frage Nr. 3: Betrachtet es die Landesregierung angesichts der Bedeutung von Bildungsträgern bei der Erstausbildung von Fachkräften als politisch angemessen, dass die Handwerkskammer Magdeburg die Ausreichung von Gesellenbriefen ablehnt ? Die Gewinnung von Fachkräften liegt im besonderen Interesse der Landesregierung. Sie befürwortet das Engagement außerbetrieblicher Einrichtungen für die Berufsausbildung . Angesichts des traditionellen Hintergrundes des Gesellenbriefes und der daraus resultierenden positiven Wirkung für das Handwerk begrüßt die Landesregierung die Überreichung eines solchen Schmuckbriefes an die erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen. Die Annahme, dass die Handwerkskammer Magdeburg die Ausreichung von Gesellenbriefen ablehne, ist unzutreffend. Vorliegend erfolgt ausschließlich bei der Kreishandwerkerschaft Wernigerode aufgrund der dortigen Beschlusslage des Vorstandes keine Aushändigung von Gesellenbriefen an Prüflinge aus Bildungsträgereinrichtungen . Alle anderen Kreishandwerkerschaften in Sachsen-Anhalt sowie die Handwerkskammer Halle und die Handwerkskammer Magdeburg händigen zu den Prüfungszeugnissen auch Gesellenbriefe aus. Die Handwerkskammer Magdeburg hat angekündigt, auf die Kreishandwerkerschaft Wernigerode zuzugehen, um darauf hinzuwirken, dass auch dort in allen Fällen zusätzlich zum Zeugnis ein Gesellenbrief überreicht wird. Die Kammer hat durch Beschluss des Vorstandes entschieden, ersatzweise einen Gesellenbrief auf Antrag auszustellen, wenn durch die zuständige Prüfungszeugnisstelle die Aushändigung des Schmuckbriefes zum Zeugnis nicht erfolgt. Frage Nr. 4: Welche Möglichkeiten, z. B. der Fachaufsicht, stehen der Landesregierung zur Verfügung, um zu einer landeseinheitlichen Auslegung der Handwerksordnung zu gelangen? Bei den Handwerkskammern handelt es sich um Selbstverwaltungskörperschaften, die grundsätzlich lediglich der Rechtsaufsicht unterliegen. Da in o. g. Sache ein Rechtsverstoß durch die Handwerkskammern nicht festzustellen ist, besteht kein Anlass für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten. Die Handwerksordnung ist hinsichtlich der Ausreichung des Prüfungszeugnisses nicht auslegungsfähig. Sie schreibt eindeutig deren Aushändigung vor (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 HwO). Hiergegen kann im Land Sachsen-Anhalt kein Verstoß festgestellt werden. Jeder Absolventin und jedem Absolventen wurde nach hiesigem Kenntnisstand ein Zeugnis überreicht. 4 Frage Nr. 5: Ist die Landesregierung im Sinne einer Gleichbehandlung bereit, solche Möglichkeiten zu nutzen? Wenn nein, warum nicht? Insoweit wird auf die Antwort auf Frage Nr. 4 verwiesen. Die Landesregierung steht in Kontakt mit den Vertretern des Handwerks und ist bemüht , im Dialog zu einer einvernehmlichen Lösung im Sinne der Beteiligten zu gelangen .