Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1407 06.09.2012 (Ausgegeben am 06.09.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Menschenwürdiges Existenzminimum für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7591 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 18. Juli 2012 befand das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regelungen zu den Grundleistungen in Form der Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für Asylbewerberinnen und Asylbewerber als evident unzureichend und verfassungswidrig. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch den Bundesgesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsregelung mit rückwirkender Geltung ab 1. Januar 2011 für alle noch nicht bestandskräftig festgesetzten Leistungen getroffen. Asylbewerberinnen und Asylbewerbern stehen demnach deutlich höhere Leistungen zu. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Wie viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete sind zum jetzigen Zeitpunkt in Sachsen-Anhalt vom Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Juli 2012 betroffen? Bitte getrennt nach Landkreisen und kreisfreien Städten darstellen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Juli 2012 findet mit Ausnahme der Leistungsberechtigten nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), die abweichend von § 3 bis § 7 AsylbLG Leistungen entsprechend dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SBG XII) erhalten, auf alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete Anwendung. Die erbetenen Angaben sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. 2 Landkreis / kreisfreie Stadt Zahl der Leistungsempfänger (ohne Leistungsberechtigte nach § 2 AsylblG) Altmarkkreis Salzwedel 162 Anhalt-Bitterfeld 323 Börde 222 Burgenlandkreis 217 Dessau-Roßlau 120 Halle (Saale) 461 Harz 472 Jerichower Land 91 Landeshauptstadt Magdeburg 369 Mansfeld-Südharz 250 Saalekreis 274 Salzlandkreis 270 Stendal 230 Wittenberg 127 2. Wie viele Bescheide, die seit dem 1. Januar 2011 entsprechende Grundleis- tungen in Form der Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz festgesetzt haben, sind noch nicht bestandskräftig? Die Bestandskraft ist bei 208 Leistungsbescheiden noch nicht eingetreten. 3. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Mehrkosten infolge der Recht- sprechung des Bundesverfassungsgerichts ein, die letztendlich vom Land getragen werden müssen? Wie hoch wird die Summe für die Rückerstattung der Kosten für die Aufnahme , Unterbringung und Betreuung der Asylbewerberinnen und Asylbewerber an die Landkreise und kreisfreien Städte durch das Land SachsenAnhalt sein? Bitte getrennt nach Landkreisen und kreisfreien Städten darstellen . Nach Schätzung der Landesregierung werden sich die Mehrkosten jährlich auf 3,5 bis 4 Millionen Euro belaufen. Die finanzielle Abgeltung der Kosten gegenüber den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Aufnahme der ihnen zugewiesenen Asylbewerberinnen und Asylbewerber , darin inbegriffen die Kosten für die Unterbringung, Leistungen nach den jeweiligen Leistungsgesetzen sowie angemessene Beratung in den Gemeinschaftsunterkünften , erfolgt nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG). Die Kostenerstattung für alle Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises wird gemäß § 4 Abs.1 FAG im Rahmen der Auftragskostenerstattung als Vollkostenerstattung geleistet. Grundlage für die Ermittlung der Beträge, die für den Bereich der Ausführung des Aufnahmegesetzes (übertragener Wirkungskreis) in die Auftragskostenerstattung einfließen, ist 3 die Jahresrechnungsstatistik. Daraus folgt, dass Mehrkosten, die aus dem Jahr 2012 resultieren, erst in den Folgejahren bei der Berechnung der Auftragskostenerstattung Berücksichtigung finden und erstattet werden. Eine Kostenrückerstattung sieht das System des FAG nicht vor. Insofern ist eine Aussage zur Rückerstattung von Kosten getrennt nach Landkreisen und kreisfreien Städten nicht möglich. 4. Wie beabsichtigt das Land Sachsen-Anhalt die anfallenden Mehrkosten im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes zu decken? Die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind auch Inhalt der Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände zum Entwurf des Gesetzes zur Ablösung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze und werden derzeit geprüft. 5. Liegen der Landesregierung Kenntnisse darüber vor, dass die in den Land- kreisen und kreisfreien Städte entstehenden Kosten zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zunächst durch eine entsprechende „kommunale Vorleistung“ finanziert werden (müssen), bevor diese Mehrkosten vom Land getragen werden? Wenn ja, wie will man dieser Situation vorbeugen? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 und zu Frage 4 verwiesen. 6. Wie schätzt die Landesregierung die Umsetzbarkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt ein? Für alle Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - mit Ausnahme derjenigen, die Leistungen entsprechend § 2 AsylbLG erhalten - müssen neue Leistungsbescheide erstellt werden. Da die aktualisierte Software zur Berechnung (Prosos) voraussichtlich erst ab Oktober 2012 zur Verfügung stehen wird, müssen die Leistungsbehörden die Berechnungen derzeit manuell erstellen. Dies hat vorübergehend einen erhöhten Arbeitsaufwand zur Folge. Im Übrigen sieht die Landesregierung keine Probleme bei der Umsetzung des Urteils. 7. Mit welchen Mehrkosten rechnet die Landesregierung in den nächsten Jah- ren, wenn durch den Bundesgesetzgeber für den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums getroffen worden ist? Aussagen zu möglichen Mehrkosten können nicht getroffen werden. Es bleibt die bundesgesetzliche Neuregelung des Asylbewerberleistungsrechts abzuwarten. 8. Wann hat die Landesregierung die Kommunen beauftragt, die Beträge ge- mäß des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Juli 2012 auszuzahlen bzw. wann beabsichtigt sie dies zu tun? Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden gemäß § 31 Abs.1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Die Leistungsbehörden sind daher 4 verpflichtet, das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 18. Juli 2012 umzusetzen. Das Ministerium für Inneres und Sport hat mit Datum vom 3. August 2012 vorläufige Anwendungshinweise zum Urteil erlassen.