Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1509 15.10.2012 (Ausgegeben am 15.10.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dagmar Zoschke (DIE LINKE) Finanzierung der rechtsmedizinischen Institute in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7553 Vorbemerkung des Fragestellenden: In Gesprächen mit Vertretern der Rechtsmedizin der Universitätskliniken Halle und Magdeburg wurde das Problem der künftigen Finanzierung der rechtsmedizinischen Institute und der Leistungen für Opferambulanzen thematisiert. Bei den Opfern handelt es sich häufig um Gewaltopfer, die im Rahmen einer häuslichen Gewalttat über die Frauenhäuser oder Jugendämter in der Opferambulanz vorgestellt werden. Die für eine Begutachtung anfallenden Kosten für notwendige Untersuchungen und Dokumentationen sind schwer bzw. im Regelfall gar nicht zuzuordnen. Dennoch übernimmt die Rechtsmedizin diese Aufgaben. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage 1: Welche Vorstellungen hat die Landesregierung zur zukünftigen, kostendeckenden Finanzierung der rechtsmedizinischen Institute? Die Erbringung der Dienstleistungen für die Strafverfolgungsbehörden (Geschäftsbereich MI/MJ) kann mit der Vergütung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) durch die rechtsmedizinischen Institute nicht kostendeckend erfolgen , da die Gebühren nach dem JVEG zurzeit in keiner Weise dem tatsächlichen finanziellen Aufwand entsprechen. Die Sicherung der kostenfreien Leistungen (Konsiliartätigkeit in den Kliniken des Landes im Rahmen des Kinderschutzes, Untersuchung von Gewaltopfern, Bitten von Frauenhäusern, telefonische Beratungen, Fort- und Weiterbildungen für die Landesärztekammer oder Polizei und Justiz) führt rein wirtschaftlich betrachtet ebenfalls zu einem Defizit. Im Land Sachsen-Anhalt werden die staatlichen Zuschüsse für Human- und Zahnmedizin (Forschung und Lehre) an die Medizinischen Fakultäten nach Normwerten 2 berechnet (§ 1 Abs. 6 HMG LSA). Das Defizit der rechtsmedizinischen Institute für Dienstleistungen für Strafverfolgungsbehörden (Geschäftsbereich MI, MJ) kann nicht aus den Zuschüssen für Forschung und Lehre getragen werden, da der Normwert (HMGZuschVO) keine Komponente für die Finanzierung dieser Dienstleistungen berücksichtigt . Lediglich eine Erstattung durch die Medizinische Fakultät aus dem Zuschuss Forschung und Lehre für Dienstleistungen, die Forschung und Lehre mit abdecken , ist möglich. Bei den vorgenannten Aufgaben der rechtsmedizinischen Institute handelt es sich nicht um originäre Aufgaben von Forschung und Lehre. Eine Möglichkeit zur Finanzierung wäre die Erhöhung der Gebührensätze nach dem JVEG. Der Entwurf des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes sieht u. a. erhebliche Steigerungen für die Sachverständigenentschädigungen nach dem JVEG vor. Mit einem Inkrafttreten ist für das Jahr 2013 zu rechnen. Allerdings wird sich dadurch voraussichtlich nur eine Verringerung des Defizites und keine Vollkostendeckung ergeben . Tätigkeiten der rechtsmedizinischen Institute im Rahmen des Opferschutzes sind nach dem JVEG nur dann abgedeckt, soweit diese von Gericht oder Staatsanwaltschaft im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren herangezogen werden . Frage 2: Wann wird entschieden, für welche Option der Finanzierung sich die Landesregierung entscheidet? Der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft, der als Fachausschuss mit der Mittelfreigabe des rechtsmedizinischen Institutes Magdeburg für die Jahre 2012/2013 befasst war, hat die Landesregierung darum gebeten, das Finanzierungsproblem der rechtsmedizinischen Institute einer langfristigen Lösung zuzuführen, und empfohlen, dass die Geschäftsbereiche, die die rechtsmedizinischen Dienstleistungen in Anspruch nehmen, auch Finanzierungsanteile übernehmen. Der Abstimmungsprozess zur Finanzierung der rechtsmedizinischen Institute mit den beteiligten Ressorts MI, MJ, MF, MW wird im Jahr 2013 im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahren 2014/2015 wieder aufgenommen werden. Frage 3: Plant die Landesregierung, die Kosten der Leistungen der rechtsmedizinischen Institute für Opferambulanzen zu übernehmen? Eine gesonderte Kostenübernahme der Leistungen der rechtsmedizinischen Institute für Opferambulanzen ist durch die Landesregierung nicht geplant. Die Versorgungsverwaltung kann im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) von ihr nicht ausgelöste Begutachtungen nicht finanzieren. Auch eine Finanzierung in anderen Bereichen, wie z. B. der Gesundheit (durch die Krankenkassen ) oder des Kinderschutzes, ist nicht vorgesehen. Frage 4: Auf welchem Weg können die in den Opferambulanzen für Leistungen der rechtsmedizinischen Institute entstehenden Kosten alternativ bei wem geltend gemacht werden? Die Vergütung von erbrachten Dienstleistungen der rechtsmedizinischen Institute erfolgt unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des Justizvergütungs- und Ent- 3 schädigungsgesetzes (JVEG) zu den dort bundeseinheitlich festgelegten Beträgen. Die Tätigkeiten im Rahmen des Opferschutzes sind damit nur dann abgedeckt, wenn sie von Gericht oder Staatsanwaltschaft beauftragt werden. Eine darüber hinausgehende Beteiligung der Justiz an den in den Opferambulanzen der rechtsmedizinischen Institute anfallenden Kosten erfolgt nicht. Eine alternative Geltendmachung der Kosten scheidet aus (siehe Antwort zu Frage 3). Frage 5: Welche Bedeutung misst die Landesregierung den rechtsmedizinischen Instituten im Rahmen des Opferschutzes bzw. der Arbeit der Opferambulanzen bei? Die beiden rechtsmedizinischen Institute an den Universitätsklinika des Landes erfüllen hoheitliche Aufgaben im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen für die Strafverfolgungsbehörden (Geschäftsbereich MI, MJ), die für eine funktionierende und zügige Strafverfolgung unverzichtbar sind. Gleichzeitig stellt eine fachgerechte und nach forensischen Grundsätzen durchgeführte gerichtsverwertbare Beweissicherung , wie sie etwa in den Opferambulanzen verfahrensunabhängig angeboten wird, einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung des Opferschutzes dar. Es muss daher ein wesentliches Anliegen sein, dass die hiesige Rechtsmedizin die erforderlichen Leistungen auch künftig in der notwendigen Qualität und Quantität sowie in dem gebotenen zeitlichen Rahmen erbringen kann. Eine alternative Möglichkeit zu einer gerichtsverwertbaren Untersuchung existiert nicht. Dies gilt auch insbesondere für den Kinderschutz. An den beiden rechtsmedizinischen Instituten in Magdeburg und Halle wird zurzeit im Rahmen eines 24-stündigen Bereitschaftsdienstes eine entsprechende Möglichkeit angeboten. Bei einer gewissen Zahl von Kindern führt dies, sofern sich der Verdacht der Misshandlung erhärtet , zu anschließenden Gutachtenaufträgen, die aber nicht die tatsächlich entstandenen Kosten decken. Die Kosten der Rufdienste und der Inanspruchnahme werden ausschließlich von den Universitätsklinika getragen; lediglich die Kosten für das Gutachten werden ggf. erstattet. Trotz aller Probleme im Bereich der Finanzierung wurden z. B. in Halle im Jahr 2011 84 und im ersten Halbjahr 2012 65 Untersuchungen von Opfern von Sexualdelikten, die nicht von Polizei oder Staatsanwaltschaft beauftragt wurden, durchgeführt. Ein weiteres Ausbleiben einer Finanzierung der Tätigkeiten der Opferambulanz wird dazu führen, dass diese langfristig nicht aufrechterhalten werden können. Ggf. kann der Wegfall der Opferambulanz dazu führen, dass diese Tätigkeit im Rahmen der Facharztweiterbildung nicht mehr vermittelt werden könnte und damit eine Ausbildung zum Facharzt für Rechtsmedizin in Sachsen-Anhalt nicht mehr möglich sein wird. Es ist daher auch Anliegen der Landesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass die rechtsmedizinischen Institute die für die gerichtfeste Beweissicherung und den Opferschutz als notwendig erachteten Leistungen kostendeckend geltend machen können , auch für die Tätigkeiten, die nicht durch Gericht oder Staatsanwaltschaft beauftragt worden sind.