Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1594 08.11.2012 (Ausgegeben am 08.11.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bevorzugte Vergabe von Fördermitteln Kleine Anfrage - KA 6/7651 Vorbemerkung des Fragestellenden: Laut Presseberichten (u. a. Volksstimme 5. Juli 2012, Welt Online 11. Juli 2012) sandten im Wirtschaftsministerium beschäftigte Personen am 19. Juni 2006 und am 18. Juli 2006 eine E-Mail an einen Beschäftigten des Landesverwaltungsamtes, der mit der Vergabe von Fördermitteln befasst war, mit der Bitte um vorrangige Bewilligung von Fördermitteln „auf Wunsch des Ministers“ (betrifft Projektanträge Qu03246/06 u Qu03249/06) an zwei Firmen in Wittenberg. Dieser Vorgang war auch Gegenstand der Aktuellen Debatte in der Plenarsitzung am 13. Juli 2012. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales Frage Nr. 1 Handelt es sich bei dem Vorgang um eine fachaufsichtliche Weisung? Wie in der Plenarsitzung am 13. Juli 2012 von Herrn Staatsminister Robra ausgeführt , gingen die bezeichneten E-Mails von der zuständigen Fachebene des MW aus. Dabei handelte es sich um eine fachliche Weisung dahingehend, dass die genannten Anträge vorrangig zu bearbeiten und bei Vorliegen der zuwendungsrechtlichen Voraussetzungen auch zu bewilligen sind. Eine solche Bitte der obersten fachlich zuständigen Landesbehörde um beschleunigte Bearbeitung oder Bewilligung enthebt die mit der Bearbeitung beauftragte nachgeordnete Behörde in keiner Weise von der Pflicht, die ihr obliegenden Prüfungshandlungen in eigener Verantwortung durchzuführen und eine Bewilligungsentscheidung ausschließlich auf Basis dieser Prüfungen und der in der Förderrichtlinie definierten Fördervoraussetzungen zu treffen. Sollte die Bewilligungsbehörde in einem solchen Fall Bedenken hinsichtlich der Förderfähigkeit einer Maßnahme haben, ist 2 sie nach dem öffentlichen Dienstrecht verpflichtet, diese Bedenken bei der die Fachaufsicht führenden Stelle geltend zu machen (Remonstrationspflicht). Frage Nr. 2 Falls nicht, wie ordnet die Landesregierung diese „Bitte“ in rechtlicher Hinsicht mit welcher Bindungswirkung ein? Siehe Antwort zu Frage Nr. 1. Frage Nr. 3 Inwiefern ist eine solche Weisung oder Bitte üblich, d. h. wie häufig werden Weisungen oder Bitten auf vorrangige Bewilligung von Fördermitteln „auf Wunsch des Ministers“ an die Bewilligungsbehörde übermittelt? Zur Wahrnehmung der Fachaufsicht eines Ministeriums gehört, mit nachgeordneten Behörden wie etwa dem Landesverwaltungsamt intensiv zusammenzuarbeiten. Dazu gehört auch, dass seitens des Ministeriums Bearbeitungsstände zu einzelnen Fördervorgängen abgefragt werden und gegebenenfalls um eine beschleunigte Bearbeitung gebeten wird. Dies ist im Bereich Arbeitsmarktförderung zum Beispiel dann sinnvoll, wenn dem Ministerium Informationen vorliegen, dass etwa beantragte Qualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigte zeitlich abgestimmt mit parallel laufenden betrieblichen Investitionsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Solche Informationen liegen oftmals nicht bei den Antragsbearbeiterinnen und -bearbeitern vor, da die verschiedenen Förderprogramme (z. B. Investitionsförderung und Arbeitsmarktförderung ) in der Regel in verschiedenen Bewilligungsstellen bearbeitet werden. Sofern entsprechende Bitten oder Informationen von Außenstehenden, z. B. von den betroffenen Unternehmen, von kommunalen Verantwortlichen oder nicht zuletzt auch von Landtagsabgeordneten, direkt an die Hausleitung herangetragen werden (z. B. bei einem Besuch des Ministers oder der Ministerin oder am Rande von öffentlichen Veranstaltungen oder von Landtagssitzungen), ist es nicht unüblich, dass in der Folge eine mündliche Weitergabe der Bitten oder Nachfragen derselben von der Hausleitung an die Arbeitsebene im Ministerium und von dort zur Bearbeiterin oder zum Bearbeiter in der Bewilligungsbehörde erfolgt. Frage Nr. 4 Welche Unternehmen wurden in den Jahren 2001 bis heute jährlich auf direkten Wunsch eines Regierungsmitglieds mit Fördermitteln der Europäischen Union und des Landes vorrangig bewilligt? Bitte um Angabe nach Jahr, Anzahl der Unternehmen, Namen der Unternehmen, Fördergegenstand, Name des Regierungsmitglieds . Dazu liegen der Landesregierung keine statistischen Erhebungen vor. Frage Nr. 5 Welche konkreten sachlichen Gründe führten, außer dem bereits genannten Ziel der Qualifizierung von Beschäftigten, zur Aufnahme auf eine von Staatsminister Robra in der Plenardebatte vom 13. Juli 2012 genannte Liste, die 48 Maßnahmen, die prioritär bewilligt werden sollten, enthielt? Wie viele Förderanträge mit dem Ziel der Qualifizierung von Beschäftigten lagen zum Zeitpunkt der Erstellung der Liste vor, die nicht auf die Liste aufgenommen wurden ? 3 Aufgrund nicht ausreichender Haushaltsmittel im Jahr 2006 hat das Referat 302 im Landesverwaltungsamt als Arbeitsgrundlage für die Antragsbearbeitung eine „Prioritätenliste “ geführt, in der sämtliche Antragseingänge nach Prüfung mit einer Wertigkeit von I bis III versehen wurden. Die höchste Wertigkeit (Priorität I) hatten die Anträge , die Qualifizierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen beinhalteten. Daneben gab es zwei weitere Prioritäten: Priorität II beinhaltete Personal- und Organisationsentwicklungskonzepte. Darin wurde das Unternehmen mit seinem Qualifizierungsbedarf dargestellt, um sich am Markt besser etablieren zu können. Die restlichen Anträge, meist Anträge kleinerer Firmen, z. B. Handwerker und Einzelunternehmer mit Qualifizierungsbedarf, wurden nachrangig bei Vorhandensein von Haushaltsmitteln bearbeitet (Priorität III). Im Juni 2006 reichten die Haushaltsmittel für diese anstehenden Bewilligungen nicht aus. Aus der o. g. Liste wurden zur Begründung des zusätzlichen Finanzbedarfes 48 Projekte herausgefiltert , die mit der Priorität I versehen und bereits so weit vorgeprüft waren, dass zum größten Teil bereits eine Genehmigung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn erteilt werden konnte. Sie sollten zeitnah vor den anderen Prioritäten bearbeitet werden . Diese Projekte bildeten die Grundlage für die Finanzplanungsliste, welche per E-Mail dem damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes SachsenAnhalt übersandt wurde. Dabei ist zu beachten, dass diese Mitteilung eine Stichtagsbetrachtung darstellt, die die besondere Dringlichkeit einer weiteren Aufstockung der Finanzmittel für die Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen begründen sollte und sich die konkrete Zahl der Fälle in Priorität I durch weitere Bearbeitung im Zeitablauf weiter erhöhte. Die aktuelle Überprüfung hat ergeben, dass im relevanten Zeitraum im Landesverwaltungsamt insgesamt 123 offene Anträge vorlagen. Davon gehörten 114 Anträge der Priorität I an, wobei für 55 Maßnahmen bereits eine Genehmigung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn erteilt wurde. In Priorität II befanden sich bis zum derzeitigen Zeitpunkt keine Anträge. 9 Anträge waren der Priorität III zugeordnet. Frage Nr. 6 Handelt es sich bei dieser Liste um eine fachaufsichtliche Weisung? Bei der besagten Liste handelte es sich, wie zur Frage Nr. 5 dargelegt, um eine Arbeitsgrundlage zur Finanzplanung. Diese wurde durch das Landesverwaltungsamt erstellt. Frage Nr. 7 Welche sachlichen Gründe (neben dem Ziel der Qualifizierung von Beschäftigten ) lagen bei den anfangs genannten Vorgängen vor, d. h. wieso befanden sie sich auf einer Liste von 48 Maßnahmen, die prioritär bewilligt werden sollten? Welche sachlichen Gründe lagen bei den nicht auf die Liste aufgenommenen Vorhaben vor, die eine Aufnahme verhinderten? Es wird auf die Ausführungen zu Punkt 5 verwiesen. Die hier in Rede stehenden zwei Vorgänge befanden sich auf der Liste, weil sie der Priorität I angehörten, d. h. die angestrebten Qualifizierungsmaßnahmen standen im Zusammenhang mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.