Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1685 10.12.2012 (Ausgegeben am 11.12.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Rüdiger Erben (SPD) Ausübung der Kommunalaufsicht über die Verbandsgemeinde DroyßigerZeitzer Forst (IV) Kleine Anfrage - KA 6/7695 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 7. November 2012 beriet der Gemeinderat der Verbandsgemeinde DroyßigerZeitzer Forst in öffentlicher Sitzung. In dieser soll es zu einem Zwischenruf des Vorsitzenden der Elternvertretung der Grundschulen der Verbandsgemeinde gekommen sein. Nach einem Bericht der Lokalredaktion Zeitz der „Mitteldeutschen Zeitung“ schloss der Vorsitzende des Verbandsgemeinderates den „Zwischenrufer“ von der Sitzung aus, forderte ihn auf, den Saal zu verlassen und drohte damit, ihn mit Hilfe der Polizei aus dem Saal bringen zu lassen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Entscheidung des Vorsitzenden des Verbandsgemeinderates unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Sitzungen des Gemeinderates? War das Vorgehen des Vorsitzenden des Verbandsgemeinderates verhältnismäßig? Wäre vor dem Ausschluss von der Sitzung eine Ermahnung, Zwischenrufe zu unterlassen , nicht das mildere Mittel gewesen? Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen brachte der an der Sitzung als Zuhörer teilnehmende Vorsitzende des Elternkuratoriums angesichts der von den Fraktionen im Verbandsgemeinderat vertretenen Ansichten in der Diskussion zu TOP 14 (Antrag der BB-Fraktion vom 18. Oktober 2012 zur Aufhebung des Beschlusses 21/2012 vom 9. Mai 2012 - Änderung der Grund- 2 schulbezirke) seinen Unmut zum Ausdruck und rief mehrmals störend zwischen die Diskussion. Daraufhin wies ihn der Vorsitzende des Verbandsgemeinderates auf die Möglichkeiten hin, die bestehen würden, um die Ordnung der Sitzung wiederherzustellen. Als wenig später der Betreffende erneut aufgebracht dazwischen rief, wurde er seitens des Vorsitzenden aufgefordert, den Sitzungsraum zu verlassen. Daraufhin wurde die Sitzung auf Antrag zur Geschäftsordnung unterbrochen. Nach Wiedereröffnung der Sitzung hielt der Vorsitzende unter Verweis auf die Geschäftsordnung an seiner Entscheidung über die getroffene Ordnungsmaßnahme fest. Der Betroffene entschuldigte sich daraufhin und verließ den Sitzungssaal. Auf Geschäftsordnungsantrag wurde die Beratung zu diesem TOP ohne weitere Diskussion beendet und über den Änderungsantrag abgestimmt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit von Sitzungen des Verbandsgemeinderates und seiner Ausschüsse nach § 15 Abs. 1 VerbGemG LSA i. V. m. § 50 Abs. 1 GO LSA liegt nicht vor, wenn der Vorsitzende des Verbandsgemeinderates von seinem ihm nach § 15 Abs. 1 VerbGemG LSA i. V. m. § 55 Abs. 1 Satz 2 GO LSA obliegenden Hausrecht Gebrauch macht und Zuhörer , die die Ordnung stören, nach § 15 Abs. 1 VerbGemG LSA i. V. m. § 55 Abs. 3 Satz 1 GO LSA aus dem Sitzungsraum verweist. Die Ausübung des Hausrechts setzt materiell als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass von einer Aktion eine Gefährdung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Verbandsgemeinderates ausgeht. Ist eine solche Situation gegeben, ist ein entsprechendes Entschließungs- und Auswahlermessen eröffnet. Dem Vorsitzenden des Verbandsgemeinderates steht wegen der Einmaligkeit der Situation bei der Handhabung des Ordnungsrechts eine Beurteilungsprärogative zu; dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass die Bewertung des Wortlautes der Äußerungen des Zwischenrufers und der gesamten Sitzungsatmosphäre im Nachhinein nicht möglich ist. Die Wahl der Ordnungsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen muss. Der Ordnungsruf bzw. die Entziehung des Wortes stellen im Vergleich zum Verweis aus dem Sitzungssaal jeweils mildere Ordnungsmaßnahmen dar. Von dem Recht zum Ordnungsruf hatte der Vorsitzende des Verbandsgemeinderates bereits vor seinem Raumverweis Gebrauch gemacht und insoweit den Betreffenden auf die Möglichkeiten, die bestehen würden, um die Ordnung wiederherzustellen , hingewiesen. Der nach erneutem Zwischenruf erfolgte Verweis aus dem Sitzungssaal erscheint daher unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gesamtumstände und der allein dem Vorsitzenden des Verbandsgemeinderates als Verhandlungsleiter zukommenden Beurteilungsprärogative angemessen . 3 2. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit des oben beschriebenen Handelns des Vorsitzenden des Gemeinderates: Welche Folgen hat der rechtswidrige Ausschluss von Zuhörern aus einer öffentlichen Sitzung des Gemeinderates auf die Rechtmäßigkeit danach gefasster Beschlüsse des Gemeinderates ? Der Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen begründet nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung, die zur Unwirksamkeit der Beschlüsse führen kann. Bei Satzungsbeschlüssen ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GO LSA eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht schriftlich innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung gegenüber der Gemeinde unter Bezeichnung der verletzten Vorschrift und der Tatsache, die den Mangel ergibt, geltend gemacht worden ist. Die Unbeachtlichkeit der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften ist demnach aufschiebend bedingt. Mängel im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 GO LSA können durch Beanstandung der Kommunalaufsichtsbehörde, durch Widerspruch des Bürgermeisters oder durch Rüge eines Dritten geltend gemacht werden. Hält die Gemeinde die Geltendmachung für begründet, hat sie zur Herstellung der Wirksamkeit der Satzung das Verfahren ab dem Stadium zu wiederholen, in dem die Verletzung der Verfahrens - oder Formvorschrift stattfand.