Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1709 13.12.2012 (Ausgegeben am 14.12.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schusswaffengebrauch durch Polizeibeamtinnen und -beamte in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7685 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 27. September 2012 erschoss ein Beamter der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt in Bitterfeld-Wolfen vermutlich aus Notwehr einen Mann, der zuvor einen anderen Polizisten mit einem scharfen Gegenstand schwer verletzt hatte. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Führt das Land Sachsen-Anhalt eine eigenständige Statistik zum Schuss- waffengebrauch durch Polizeibeamtinnen und -beamte? In Umsetzung eines Beschlusses der Ständigen Konferenz der Innenministerund Senatoren der Länder vom 13. Juni 1984 führt das Land Sachsen-Anhalt eine Statistik zum Schusswaffengebrauch. 2. In wie vielen Fällen haben Polizeibeamtinnen und -beamte des Landes Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 2000 bis zum ersten Halbjahr 2012 von der Schusswaffe Gebrauch gemacht? Bitte in Jahresscheiben angeben und mindestens nach folgenden Kategorien aufgliedern: Warnschüsse, Alarmschüsse, Schüsse auf Menschen, Schüsse auf gefährliche Tiere, Schüsse auf Tiere nach Wildunfällen, Schüsse auf Fahrzeuge, sonstiger Einsatz von Schusswaffen. 2 Die geführte Statistik ermöglicht keine Unterscheidung der Schüsse auf gefährliche Tiere und Schüsse auf Tiere nach Wildunfällen, da diese Fälle nur als Gesamtzahl erfasst werden. Auch die Schussabgabe auf Fahrzeuge wird nicht gesondert statistisch erhoben . Diese Fälle gehen jeweils in der Erfassung Schusswaffen gegen Personen oder Sachen mit ein. Weitergehende statistische Angaben zum Schusswaffengebrauch gem. der Kategorisierung „Alarmschüsse“ und „sonstiger Einsatz von Schusswaffen“ liegen der Landesregierung nicht vor. davon Jahr Schusswaffen - anwendungen gesamt Schusswaffengebrauch gegen Personen (der Klammerangaben gibt davon die Anzahl der Warn- schüsse an) Schusswaffengebrauch zum Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere Schusswaffengebrauch gegen sonstige Sachen 2000 75 7 (4) 64 2 2001 82 1 81 2002 116 4 (4) 112 2003 128 6 (1) 122 2004 142 8 (1) 134 2005 35 3 (2) 321 2006 224 1 (1) 222 1 2007 215 1 (1) 214 2008 213 1 212 2009 307 4 303 2010 339 12 (8) 327 2011 326 0 326 2012 (1. Hj.) 96 0 95 1 1 Im Jahr 2005 wurde die statistische Erfassung zur Anwendung von Schusswaffen gegen Tiere zeitlich befristet abweichend geregelt. 3 3. Haben Polizistinnen oder Polizisten anderer Bundesländer oder des Bun- des im genannten Zeitraum in Sachsen-Anhalt von der Schusswaffe Gebrauch gemacht? Falls ja, bitte ebenfalls nach den oben genannten Kriterien aufschlüsseln. Eine diesbezügliche Statistik wird im Land Sachsen-Anhalt nicht geführt. Eine Recherche ist nur für die letzten zwei Jahre möglich. Danach sind der Landesregierung zwei Fälle bekannt geworden. In einem Fall haben Polizeibeamte des Freistaates Sachsen und einem weiteren Fall Polizeibeamte des Freistaates Thüringen im Jahr 2010 jeweils Schüsse auf Fahrzeuge abgegeben. 4. In wie vielen Fällen wurden durch Schüsse von Polizeibeamtinnen und -beamten des Landes Sachsen-Anhalt oder anderer Polizeien in SachsenAnhalt Menschen verletzt oder getötet? Bitte nach Jahren und Verletzten bzw. Getöteten aufschlüsseln. In der nachfolgenden Übersicht sind die Angaben für die Landespolizei Sachsen -Anhalt dargestellt. Angaben zu anderen Polizeien liegen der Landesregierung nicht vor. Jahr verletzte Personen getötete Personen 2000 2 0 2001 1 0 2002 0 0 2003 0 0 2004 0 0 2005 0 0 2006 0 0 2007 0 0 2008 0 0 2009 1 0 2010 1 0 2011 0 0 2012 (1. Hj.) 0 0 4 5. Welche Regularien kommen nach einem Schusswaffengebrauch von Poli- zeibeamtinnen und -beamten regelmäßig zur Anwendung? Erhalten Polizistinnen und Polizisten, die von der Schusswaffe Gebrauch machen (mussten), nach dem Einsatz eine psychologische und/oder seelsorgliche Betreuung? Die Polizeibehörden und -einrichtungen sind nach jeder Art des Schusswaffengebrauchs , außer zum Töten von Tieren, verpflichtet, das Ministerium für Inneres und Sport unmittelbar in Kenntnis zu setzen und schriftlich zu berichten. Unbeschadet der gesonderten Zuständigkeitsregelung bei Schusswaffenanwendungen hat jede zuerst mit der Sache befasste Dienststelle oder Organisationseinheit alle unaufschiebbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sicher zu stellen. Um ein Höchstmaß an Objektivität und Neutralität der Ermittlungshandlungen zu gewährleisten, sind gem. RdErl. MI vom 18.06.2008 (MBl LSA S. 408) alle Fälle des Schusswaffengebrauchs gegen Personen oder bei denen Personenschäden eingetreten sind, jeweils durch eine andere Polizeidirektion zu bearbeiten . In besonderen Fällen behält sich das Ministerium für Inneres und Sport eine Zuweisung der Bearbeitungszuständigkeit vor. Darüber hinaus wird die zuständige Staatsanwaltschaft unverzüglich über die Übernahme der Bearbeitung informiert. Gemäß des RdErl. MI vom 07.03.2012-25.5-12508 „Psychosoziale Notfallversorgung , medizinische, psychologische und seelsorgerische Betreuung von Bediensteten der Landespolizei Sachsen-Anhalt nach traumatisierenden und belastenden beruflichen oder privaten Ereignissen, einschl. Konflikt- und Krisensituationen sowie bei größeren Gefahren- und Schadenslagen, Katastrophen“ sind in Fällen des Schusswaffengebrauchs, bei denen Personen verletzt oder getötet worden sind, die Dienstvorgesetzten verpflichtet, einen Erstkontakt mit einem Mitglied eines für die Landespolizei bestehenden Kriseninterventionsteams zu veranlassen. Die beiden für die Landespolizei Sachsen-Anhalt bestehenden Kriseninterventionsteams setzen sich aus geeigneten Polizeivollzugsbeamten und den zuständigen Polizeiseelsorgern zusammen. Neben dem Erstkontakt mit einem Mitglied des zuständigen Kriseninterventionsteams sieht der o. g. RdErl. in den vorgenannten Fällen eine Vorstellung des Betroffenen auf Veranlassung des Dienstherrn bei einem Polizeiarzt innerhalb der ersten 24 Stunden vor. Zudem besteht für den Betroffenen die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer psychologischen Betreuung durch eine Polizeipsychologin oder eine Polizeivertragspsychologin. Eine seelsorgerische Betreuung wird angeboten und kann nach individueller Absprache zwischen dem betroffenen Polizeivollzugsbeamten und dem Polizeiseelsorger erfolgen. 5 6. Gab es Fälle, in denen in den Jahren 2000 bis heute Polizeibeamtinnen und -beamten der unrechtmäßige Gebrauch einer Schusswaffe vorgeworfen wurde? Falls ja, in wie vielen Fällen wurde nach einem Gebrauch der Schusswaffe in welchen Jahren straf- und/oder dienstrechtliche Ermittlungen mit welchem Ergebnis eingeleitet? Die Landesregierung führt keine Statistik darüber, ob und wie häufig Polizeibeamten der unrechtmäßige Gebrauch der Schusswaffe vorgeworfen wurde. Zu den strafrechtlichen Ermittlungen kann die Landesregierung, mit Verweis auf gesetzlich vorgeschriebene Löschfristen, folgenden Angaben machen: Im Jahr 2009 waren zwei Fälle des Schusswaffengebrauchs Gegenstand von Ermittlungsverfahren. Beide Verfahren wurden nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt . Im Jahr 2010 waren drei Fälle des Schusswaffengebrauchs Gegenstand von Ermittlungsverfahren. Zwei Verfahren wurden nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt . Ein Ermittlungsverfahren dauert an. Im Jahr 2012 ist bis jetzt ein Fall des Schusswaffengebrauchs Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens. Das Ermittlungsverfahren dauert an. Aufgrund der personalakten- und disziplinarrechtlichen Vorgaben (Aufbewahrungsfristen und Verwertungsverbote) sind Aussagen zu „dienstrechtlichen Ermittlungen “ nicht möglich. 7. Wie häufig trainieren die sachsen-anhaltischen Polizeibeamtinnen und -beamten den Einsatz der Schusswaffe in der Aus- und Fortbildung? Im Rahmen der Ausbildung für die Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes, Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt, sind 128 Unterrichtseinheiten (1 UE = 45 Minuten) für Waffen- und Schießausbildung vorgesehen. Im Rahmen der Ausbildung für die Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes, Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt, sind 114 Unterrichtseinheiten (1 UE = 45 Minuten) für Waffen- und Schießausbildung vorgesehen. Alle Polizeivollzugsbeamten des Landes Sachsen-Anhalt sind grundsätzlich zudem verpflichtet, mindestens einmal im Quartal an der Schießausbildung im Rahmen der Fortbildung teilzunehmen.