Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1726 19.12.2012 (Ausgegeben am 19.12.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgabe von Akten von Polizei und Verfassungsschutz an das Landesarchiv Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7693 Vorbemerkung des Fragestellenden: In Berlin wurde unlängst durch Medienberichte bekannt, dass die Verfassungsschutzbehörde 25 Aktenordner mit Dokumenten aus dem Phänomenbereich Rechtsextremismus vernichtet hat, die zuvor dem dortigen Landesarchiv angedient wurden und seitens des Archivs als relevant erachtet und angefordert worden sind. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Auf welcher Rechtsgrundlage einschließlich Verordnungen und Erlasse so- wie Dienstvorschriften werden in Sachsen-Anhalt Akten und/oder Informationen aus elektronischen Dateien bei Polizei und Verfassungsschutz dem Landeshauptarchiv angedient? Für die Anbietung von papiergebundenen und elektronischen Unterlagen (Akten und Informationen aus elektronischen Dateien) der Polizei und des Verfassungsschutzes sind in Sachsen-Anhalt folgende Rechts- und Verwaltungsvorschriften maßgebend: • Archivgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (ArchG-LSA), insbes. § 9, • Datenschutzgesetz Sachsen-Anhalt (DSG-LSA), insbes. § 16 Abs. 7, • Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen- Anhalt (SOG LSA), insbes. § 32 Abs. 9, • Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG- LSA), insbes. § 11 Abs. 2, 2 • Sicherheitsüberprüfungs- und Geheimschutzgesetz (SÜG-LSA), insbes. §§ 21, 24, • Verschlusssachenanweisung für das Land Sachsen-Anhalt (VSA-LSA) in der Fassung vom 2.09.1996, insbes. § 29, • Aktenordnung für die Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt (AktO). Gem. RdErl. des MI, der StK und der übrigen Min. (ausg. MJ) vom 14.08.1991, insbes . §§ 18-21, • Vorwort zum Aktenplan für die Landesverwaltung Sachsen-Anhalt (APl.), Nr. 5. 2. Sind seit 1990 dem Landeshauptarchiv Akten und/oder Informationen aus elektronischen Dateien bei Polizei und Verfassungsschutz dem Landeshauptarchiv angedient worden? Falls ja, in welchem Umfang und nach welchen Kriterien? Bitte ggf. getrennt für Polizei und Verfassungsschutz angeben . Polizei Seit 1990 sind dem Landeshauptarchiv von Polizeibehörden und -dienststellen des Landes gemäß § 9 ArchG-LSA insgesamt ca. 1.598 laufende Meter (lfm) papiergebundene Unterlagen zur Übernahme angeboten worden. Davon stammten ca. 762 lfm aus der Zeit vor dem 3. Oktober 1990 und ca. 836 lfm aus der Zeit danach. Im Ergebnis der archivischen Bewertung wurden für die Zeit ab dem 3. Oktober 1990 insgesamt ca. 28,5 lfm Unterlagen als archivwürdig klassifiziert und in das Landeshauptarchiv übernommen. Bei den von Polizeibehörden und -dienststellen angebotenen papiergebundenen Unterlagen handelt es sich v. a. um Unterlagen zu folgenden Aufgabenbereichen: Personal, Innerer Dienst, Aus- und Fortbildung, Haushalt, Bauangelegenheiten, Liegenschaften, polizeilicher Einsatzdienst (Demonstrationen, Aufzüge, Mahnwachen u. a. für T. Lamprecht und F. Böttcher sowie zum Himmelfahrtstag, Veranstaltungen der rechten Szene u. a. zum Todestag von R. Hess, Skinheadkonzerte , Rauschgiftbekämpfung, Politikerbesuche, Sportveranstaltungen, Hochwasser, Wahlen, Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben usw.), Berichterstattung und Einsatzdokumentation (Lageberichte, Lagefilme, Einsatzmeldungen, Rapporte, Statistiken), Verkehrsunfälle, Asylbewerber (Anschläge auf Unterkünfte, Abschiebungen ), Personenschutz, Geiselnahmen, Hubschraubereinsätze, Einzelfallakten über Ermittlungen in besonderen Fällen (Mord, rechtsextremistische Straftaten, Umweltvergehen, Dienstaufsichtsbeschwerden, Amtsdelikte), Anzeigen, Fahndungsdienst , Polizeigewahrsam, Streifendienst, Haftbefehle, Freiheitsentzug und Schusswaffengebrauch. Elektronische Unterlagen von Polizeibehörden und -dienststellen sind dem Landeshauptarchiv bisher nicht angeboten worden. Verfassungsschutz Vom Verfassungsschutz sind dem Landeshauptarchiv bisher weder papiergebundene noch elektronische Unterlagen zur Übernahme angeboten worden. 3 Voraussetzungen für die Übernahme geheimhaltungsbedürftiger Unterlagen der Landesverwaltung durch das Landeshauptarchiv Bis 2011 bestanden die materiellen Voraussetzungen für die Archivierung geheimhaltungsbedürftiger papiergebundener Unterlagen gem. §§ 20-23 VSA-LSA beim Landeshauptarchiv nicht. Nachdem diese mit Inbetriebnahme des neuen Dienstgebäudes in der Brückstr. 2 gegeben sind, werden gegenwärtig auch die entsprechenden personellen Voraussetzungen geschaffen. Zudem wird derzeit vom Landeshauptarchiv ein Konzept für die Archivierung von elektronischen Unterlagen der Landesverwaltung (digitales Landesarchiv) erstellt, welches auch die Archivierung geheimhaltungsbedürftiger elektronischer Unterlagen (VS-Sachen) einbeziehen wird. 3. Hat das Landeshauptarchiv für bestimmte Akten und/oder elektronische Dateien unbefristete Vernichtungsgenehmigungen erteilt? Wenn ja, welche Dateien sind hiervon betroffen? Das Landeshauptarchiv kann im Rahmen der Anbietung von Unterlagen entsprechend § 9 ArchG-LSA für von ihm als nicht archivwürdig bewertete Unterlagen bzw. Unterlagengruppen unbefristete Vernichtungsgenehmigungen erteilen. Diese Verfahrensweise dient der Reduzierung von Verwaltungsaufwand sowohl bei den anbietungspflichtigen Stellen als auch beim Landeshauptarchiv. Polizei Bisher sind den anbietenden Polizeibehörden und -dienststellen vom Landeshauptarchiv unbefristete Vernichtungsgenehmigungen für die folgenden typisierten Unterlagen (Akten bzw. Aktengruppen) erteilt worden: • Haushalt (nur: Nachweisunterlagen Haushaltsmittel, Überwachungslisten, Ge- bühren und Auslagen), • Technische Sicherstellung (nur: Informationstechnik einschl. Kurse, Dienst- kraftfahrzeuge, Tankbelege), • Dienstdurchführung, Personalverwaltung und -führung, Arbeitsschutz (nur: Personalstärkemeldungen, Dienstpläne, Dienstnachweisbücher, Dienst zu ungünstigen Zeiten, Urlaubsplanungen und -anträge, Urlaubsstammkarten, abgelehnte Bewerbungen Auszubildender, Arbeitszeitnachweise, Krankenscheine, Nachweise privater Telefonrechnungen), • Geschäftsgang (nur: Posteingangs- und Postausgangsbücher), • polizeiliche Nachweisbücher (nur: Asservate, Blutentnahme, Datenerfas- sungsbelege, Fundsachen, Fernschreiben, Ladungen zu Gerichtsterminen), • Informationsblätter des BKA und des LKA, • abgeschlossene Rechtsvorgänge; allerdings nur Vorgänge der Serie Ver- kehrsunfälle (VU), Zentralvorgänge (ZV) und Beschädigungen (B), • Einsatzblätter (nicht Einsätze allgemein), • Ordnungswidrigkeiten, • Verkehrsunfälle (Vorgänge), • Geschwindigkeitskontrollen (Messprotokolle, Sicherstellung von Kfz), • Zweitschriften (Kopien). 4 Für elektronische Unterlagen der Polizei sind unbefristete Vernichtungsgenehmigungen vom Landeshauptarchiv bisher nicht erteilt worden. Verfassungsschutz Weder für papiergebundene noch für elektronische Unterlagen des Verfassungsschutzes sind unbefristete Vernichtungsgenehmigungen durch das Landeshauptarchiv erteilt worden. 4. Sofern Informationen bei Polizei und Verfassungsschutz aufgrund gesetzlicher Fristen zu löschen sind, wie wird die Löschung dokumentiert? Polizei Die Protokollierung der Löschung von Informationen aus elektronischen Dateien (automatisierten Verfahren) der Polizei erfolgt nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 DSG-LSA je nach Art der zu schützenden Daten. Ob und in welchem Umfang eine durch eine manuelle Eingabe verursachte Löschung protokolliert wird, ergibt sich aus dem jeweiligen für das automatisierte Verfahren nach § 14 Abs. 3 DSG-LSA zu führenden Verfahrensverzeichnis bzw. einem separaten Verfahrensverzeichnis für das Protokollierungsverfahren. Die Protokolldaten werden, da sie selbst ein datenschutzrechtliches Risiko bergen und deshalb einer engen Zweckbindung nach § 22 Abs. 3 SOG LSA bzw. § 10 Abs. 4 DSG-LSA unterliegen, bei der Polizei in der Regel nach Ablauf des der Speicherung folgenden Jahres gelöscht. Sofern die Löschung einzelner Datensätze in einem automatisierten Verfahren nach festgelegten und in dem jeweiligen Verfahrensverzeichnis dokumentierten Regeln erfolgt (z. B. nach Zeitablauf), wird die Löschung nicht gesondert protokolliert . Die dahingehenden Festlegungen eines Verfahrensverzeichnisses sichern ausreichend die nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 DSG-LSA erforderliche Revisionsfähigkeit. Sofern eine Protokollierung für ein automatisiertes Verfahren vorgesehen ist, werden grundsätzlich der persönliche Benutzercode des Bediensteten, das Datum und die Uhrzeit des Dialogs, die Terminalkennung und die gelöschten Daten protokolliert . Verfassungsschutz In der Verfassungsschutzbehörde findet als Quelldatei ein Dokumentenmanagementsystem Anwendung, in dem Löschungen von Schriftgut mit dem Verschlusssachengrad VS-VERTRAULICH und höher durch Speicherung der Metadaten dokumentiert werden.