Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1750 17.01.2013 (Ausgegeben am 21.01.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ralf Wunschinski (CDU) Übergangsmanagement Jugendstrafe Kleine Anfrage - KA 6/7739 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Jugendanstalt Raßnitz sind junge männliche Straftäter aus Sachsen-Anhalt inhaftiert , die bei Strafbeginn das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und gegen die eine Jugendstrafe zu vollziehen ist. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung Vorbemerkung: Gemäß dem Vollstreckungsplan des Landes Sachsen-Anhalt werden ausnahmslos alle männlichen zu einer Jugendstrafe Verurteilten in die Jugendanstalt Raßnitz eingewiesen . Dabei ist keinerlei Altersbegrenzung vor gegeben, sodass auch alle über 24-Jährigen eine zu verbüßende Jugendstrafe zunächst in der Jugendanstalt Raßnitz antreten müssen. Abweichend davon soll gemäß § 89b Abs. 1 Satz 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG) bei Verurteilten, die das 24. Lebensjahr vollendet haben, die Jugendstrafe nach den Vorschriften des Strafvollzuges für Erwachsene vollzogen werden. Damit verbunden ist auch eine räumliche/örtliche Ausnahme aus dem Jugendvollzug. Über die Ausnahme aus dem Jugendvollzug entscheidet nach § 89b Abs. 2 JGG der Vollstreckungsleiter (Jugendrichter). Die Entscheidung des Vollstreckungsleiters, also des zuständigen Jugendrichters am Amtsgericht Halle, ist eine jugendrichterliche Ermessensentscheidung, bei der etwaige , begonnene Therapie-, Behandlungs-, Ausbildungs- oder Fördermaßnahmen sowie die körperliche und geistige Reife und Entwicklung des Betreffenden Berücksichtigung finden. 2 In welche Justizvollzugsanstalt des Erwachsenenvollzuges die Verlegung nach einer Ausnahme aus dem Jugendvollzug erfolgt, richtet sich gemäß dem Vollstreckungsplan des Landes Sachsen-Anhalt nach der Reststrafenlänge, nach den Merkmalen Erst- oder Regelvollzug sowie dem Wohnsitz des Gefangenen. Möglich ist danach eine Verlegung in die Justizvollzugsanstalten Halle, Volkstedt, Dessau-Roßlau und Burg. Dies vorangestellt beantwortet die Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wo werden die männlichen Straftäter in Sachsen-Anhalt untergebracht, die das 24. Lebensjahr vollendet haben und noch eine Jugendstrafe verbüßen müssen? Wie viele Gefangene gibt es in Sachsen-Anhalt, die bereits das 24. Lebensjahr vollendet haben und die sich noch im Vollzug der Jugendstrafe befinden? In Sachsen-Anhalt befinden sich 50 Gefangenen, die das 24. Lebensjahr vollendet haben und eine Jugendstrafe verbüßen und in den unten aufgeführten Justizvollzugseinrichtungen untergebracht sind: Justizvollzugseinrichtung Anzahl der Gefangenen, die das 24. Lebensjahr vollendet haben und eine Jugendstrafe verbüßen Jugendanstalt Raßnitz 9 JVA Burg 15 JVA Dessau-Roßlau 4 JVA Halle 11 JVA Volkstedt 11 2. Wie wird bei diesem Personenkreis im weiteren Vollzug der Jugendstrafe außerhalb der Jugendanstalt Raßnitz eine Förderung sichergestellt, die insbesondere auf soziales Lernen und auf die Ausbildung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die einer künftigen beruflichen Integration dienen, ausgerichtet ist? Wie werden bei diesem Personenkreis im weiteren Vollzug die altersbedingten Bedürfnisse und Empfindlichkeiten des Gefangenen berücksichtigt? Soweit Gefangene noch in der Jugendanstalt Raßnitz untergebracht sind, stehen Ihnen die dortigen Fördermaßnahmen zur Verfügung. Neben der schulischen Ausbildung der jugendlichen Gefangenen, mit der Möglichkeit des Erwerbs von Schulabschlüssen, steht die Berufsausbildung im Fokus. Die Förderung folgender Ausbildungsberufe ist möglich: • Gärtner (Garten- und Landschaftsbau) • Teilezurichter • Bauten- und Objektbeschichter • Hochbaufacharbeiter • Tischler Darüber hinaus führt ein freier Bildungsträger eine modular aufgebaute Qualifizierungsmaßnahme durch, die aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert wird. Diese Maßnahme richtet sich insbesondere an jene Gefangene, die auf- 3 grund ihrer Defizite neben der Berufsvorbereitung einer umfangreichen sozialpädagogischen Betreuung bedürfen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass auch bei einer geringen Verweildauer des Gefangenen im Vollzug Qualifizierungsbausteine in den Berufsfeldern „Bauten- und Objektbeschichter /Maler/Lackierer/ Maurer“, „Metallbauer“, „Tischler“ und „Gebäudereiniger“ erworben werden können. Diese können ggf. nach Verbüßung der Haftstrafe auch in Freiheit fortgeführt werden. Somit kann auch bei Kurzstrafern ein positiver Beitrag zur erfolgreichen Resozialisierung geleistet werden. Die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) erfolgen in den Gewerken Holz und Garten- und Landschaftsbau. Ein besonderes Behandlungsangebot stellt die sozialtherapeutische Abteilung der Jugendanstalt dar. Hier wird der Fokus auf die weitere Persönlichkeitsentwicklung mit Hilfe von sozial- und psychotherapeutischen Maßnahmen gelegt. Im Vorfeld erfolgt auch hier eine detaillierte Feststellung des Bedarfs an derartigen Behandlungsmethoden für den Einzelnen. Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten der Behandlung, die den Gefangenen helfen ihre Kompetenzen auszubauen. Darunter zählen Suchtgefährdetenhilfe und –beratung, Soziales Kompetenztraining und Psychosoziale Gesprächsgruppen. Daneben muss durch die Jugendanstalt auch ein Bildungsangebot für die jugendlichen Strafgefangenen vorgehalten werden, die bedingt durch ihre persönliche Defizite nicht durch das dargestellte Schulungsangebot erreicht werden können. Hierfür bietet die Jugendanstalt Raßnitz einen Förderkurs, einen Motivationskurs sowie einen Alphabetisierungskurs. Zudem wird auch hier die Möglichkeit der Teilnahme an der Arbeitstherapie gegeben. Die weitere Behandlung und Förderung der aus dem Jugendvollzug ausgenommenen Gefangenen unter Berücksichtigung ihrer altersbedingten Bedürfnisse und Empfindlichkeiten richtet sich nach dem Angebot der jeweiligen Anstalt , in welche sie nach dem Vollstreckungsplan verlegt werden. Die Justizvollzugseinrichtungen für den Erwachsenenvollzug des Landes halten folgende Förderungs- und Behandlungsmaßnahmen für den betreffenden Personenkreis vor: Es gibt zunächst diverse Angebote im Bereich der schulischen Bildung: • Alphabetisierungskurs • Hauptschulkurs zur Erlangung des Hauptschulabschlusses (mit den jeweili- gen vorbereitenden Maßnahmen) • Realschulkurs zur Erlangung des Realschulabschlusses (mit den jeweiligen vorbereitenden Maßnahmen) • diverse Sprachkurse sowohl für deutsche als auch für ausländische Gefan- gene Zur Erlangung einer anerkannten Ausbildung werden Umschulungsmaßnahmen angeboten (z. B. zum Holzmechaniker und Fachlageristen/Fachkraft für Lagerlogistik ). Einen geregelten Tagesablaufes und eine geregelte Tagesstruktur zu vermitteln sind Ziele der Arbeitstherapie und in der Folge als Maßnahme zur weiteren be- 4 ruflichen Orientierung ESF-Maßnahmen „Holz/Metall“ und „Garten- und Landschaftsbau “, welche der Landesbetrieb für Beschäftigung und Bildung der Gefangenen anbietet. Weitere berufsorientierende Maßnahmen finden sich im Bereich der „Metalltechnik/ Metallbau“ und „Elektrotechnik“. Es besteht weiterhin die Option einer Teilnahme an einem achtwöchigen Ausbildungslehrgang des privaten Bildungsträgers INNOVA GmbH teilzunehmen, in dem die Gefangenen Grundkenntnisse der Holz- und Metallbearbeitung vermittelt bekommen sowie über internettaugliche Personalcomputer eigene Bewerbungsmappen fertigen können. Bestandteil dieses Lehrganges ist zugleich ein komplexes Bewerbungstraining nebst dem Erfahren individueller Stärken und Schwächen. Da innerhalb der in Rede stehenden Altersgruppe aber vor allem Drogen- und Alkoholabhängigkeiten festzustellen sind, wird diesen jungen Gefangenen insbesondere die anstaltsinterne Suchtberatung, verbunden mit der Vorbereitung einer Entwöhnungstherapie, nahegelegt. Auch in den Justizvollzugseinrichtungen für den Erwachsenenvollzug wird, bei entsprechender Indikation, eine sozialtherapeutische Behandlung ermöglicht. Um den Gefangenen zum Haftende die bestmögliche Wiedereingliederung zu bieten, werden außerdem Kurse zur Entlassungsvorbereitung und hier vor allem zur beruflichen Integration geboten. Diese Kurse umfassen insbesondere die Zusammenarbeit mit Arbeitgebern und das Bewerbungstraining.