Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1832 22.02.2013 (Ausgegeben am 25.02.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vernichtung von papiergebundenen Akten und elektronischen Dateien durch die Polizeibehörden und die Verfassungsschutzbehörde des Landes SachsenAnhalt Kleine Anfrage - KA 6/7748 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. In wie vielen Fällen haben seit dem Jahr 2000 Polizei- und Verfassungs- schutz-Dienststellen des Landes Sachsen-Anhalt jährlich jeweils wie viele Akten und sonstige dienstliche Unterlagen vernichtet, ohne diese zuvor dem zuständigen Landesarchiv zur Übernahme anzubieten? 2. In wie vielen Fällen wurden so - unterschieden nach Polizei und Verfas- sungsschutz - je Unterlagen vernichtet a) als Verschlusssachen welchen Grades? b) aus Sicherheitsüberprüfungen? c) über verdeckte Ermittlungsmaßnahmen, v. a. unter Beteiligung von verdeckten Ermittlern oder V- bzw. Gewährspersonen sowie über deren Vergütung? d) hiervon: VP/GP, die als solche und/oder privat im Phänomenbereich Rechtsextremismus tätig waren? e) bei Staats- und Verfassungsschutz je aus den Bereichen aa) Linksextremismus, -Autonome etc.? bb) Rechtsextremismus? f) mit Informationen über Personen, gegen die der Generalbundesanwalt nach dem 4. November 2011 als Verdächtigte oder Beschuldigte im Zusammenhang mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermittelt oder zu dessen Umfeld gerechnet hat (z. B. Thüringer Heimatschutz , Blood & Honour-Netzwerk und Folge-Bestrebungen)? 2 g) wie unter d) bis f) erfragt: noch nach dem 4. November 2011? h) hiervon: wie lauten die Einzelheiten jedes einzelnen Falls? Antwort auf die Fragen 1 und 2: Verfassungsschutz: Nach § 11 Abs. 2 VerfSchG-LSA hat die Verfassungsschutzbehörde die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. In diesem Fall sind auch die zu ihrer Person geführten Akten zu vernichten. Die gesetzliche Pflicht zur Vernichtung bestimmter Akten aufgrund von datenschutzrechtlichen Bestimmungen und grundgesetzlich verbrieften Rechten von Personen hat gemäß § 11 Abs. 2 VerfSchG-LSA Vorrang vor der Anbietung zur Archivierung an das Landeshauptarchiv nach § 9 ArchG-LSA. Akten und sonstige dienstliche Unterlagen, die in der Vergangenheit zur Vernichtung angestanden haben, sind dem Landeshauptarchiv nicht zur Übernahme angeboten worden (siehe Drs. 6/1726). Die Vernichtung erfolgte unter strikter Beachtung gesetzlicher Vorgaben. Alle weiteren Akten waren zur weiteren Aufgabenerfüllung noch erforderlich. Zur Zahl der vernichteten Akten und Unterlagen kann keine Aussage getroffen werden. Denn nur Verschlusssachen ab einem Geheimhaltungsgrad „VSVERTRAULICH “ und höher sind in VS-Bestandsverzeichnissen nachzuweisen. Ausschließlich deren Vernichtung ist zu dokumentieren, so dass es nicht möglich ist, belastbare Angaben zur Vernichtung aller bisher vernichteter papiergebundener Akten und elektronischen Daten zu machen. Da Verschlusssachen so zu vernichten sind, dass der Inhalt weder erkennbar ist noch erkennbar gemacht werden kann, könnten auch keine Aussagen zu Einzelheiten eines jeden Falles getroffen werden. Polizei: Die Polizei hat Datenträger nach § 32 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 oder Absatz 3 Satz 3 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) zu löschen oder zu vernichten. Nur soweit besondere archivrechtliche Regelungen dies vorsehen, können die zu löschenden bzw. vernichtenden Datenträger an ein Archiv abgegeben werden (§ 32 Abs. 9 SOG LSA). Aufgrund der besonderen Regelungen des Landesarchivgesetzes hat die Polizei daher für solche Unterlagen eine Abgabepflicht, die im Benehmen mit dem zuständigen Archiv als archivierungsbedürftig eingestuft wurden. Durch Verwaltungsvorschrift (§ 29 der Verschlusssachenanweisung für das Land Sachsen-Anhalt) sind die Polizeibehörden gebunden, nach § 32 SOG LSA zu löschende bzw. vernichtende Verschlusssachen dem zuständigen Archiv auch anzubieten. Solange die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur Aufbewahrung bzw. Übernahme von Verschlusssachen beim bzw. 3 durch das Landeshauptarchiv nicht vorliegen, war bzw. ist das Anliegen der Verwaltungsvorschrift allerdings aus tatsächlichen Gründen nicht umsetzbar. Eine belastbare Aussage zur Beantwortung der Fragen 1 und 2 ist nicht möglich , da in der Vergangenheit die Vernichtung von Akten und sonstigen dienstlichen Unterlagen durch die Polizeibehörden nicht bzw. nicht vollständig im Sinne der Fragestellung dokumentiert wurde. Wie unter 2.g) und h) gefragt, sind seit dem 4. November 2011 von den Polizeibehörden keine Akten aus dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - rechts“, einschließlich VE-/VP-Akten, vernichtet worden. Sofern eine Vernichtung von Akten und sonstigen dienstlichen Unterlagen, die nach § 32 SOG LSA zu löschende oder zu vernichtende personenbezogene Daten beinhalteten, von den Polizeibehörden protokolliert wurde, ergeben sich aus dieser Protokollierung grundsätzlich keine Einzelheiten zum Fall, so dass sich insoweit keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung gewinnen lassen. 3. Durch welche Weisungen und organisatorischen Maßnahmen hat das Mi- nisterium für Inneres und Sport je wann sicherzustellen versucht, dass dienstliche Unterlagen von Polizei und Verfassungsschutz a) je gehörig dem Landesarchiv zu Übernahme angeboten werden müs- sen und zuvor nicht vernichtet/gelöscht werden dürfen? b) mit den unter 2 f) erfragten Bezügen nach dem 4. November 2011 kei- nesfalls vernichtet bzw. gelöscht werden dürfen? Polizei: Zur Beantwortung der Frage 3.a) für den Bereich der Polizei hat das Ministerium für Inneres und Sport mit Nr. 7.3 der Anlage 1 zum Runderlass vom 10. Februar 1994 (MBl. LSA S. 1343, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 20. Oktober 2000, MBl. LSA S. 1339) angewiesen, dass vor der Löschung von Unterlagen (kriminalpolizeiliche Sammlungen, Kriminalakten) zu prüfen ist, ob die Unterlagen zeitgeschichtlich bedeutsam sind. Im Übrigen wird hinsichtlich der Erforderlichkeit der Anbietung von Unterlagen mit personenbezogenen Daten, die auf der Grundlage des SOG LSA gespeichert werden, auf die Antwort zu Frage 1 und 2 verwiesen. Bezüglich der Antwort auf Frage 3.b) für den Bereich der Polizei hat das Ministerium für Inneres und Sport mit (nicht veröffentlichtem) Runderlass vom 29. August 2012 die Polizeibehörden angewiesen, im Fall einer aufgrund gesetzlicher Bestimmungen anstehenden Löschung oder Vernichtung von Akten oder Daten in Dateien mit Bezug zum Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - rechts“ zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Sperrung für Zwecke der Sicherstellung parlamentarischer Kontrolle vorliegen und eine Vernichtung oder Löschung nicht ohne Zustimmung des Ministeriums für Inneres und Sport vorzunehmen. Bisher haben die Polizeibehörden keine Ersuchen auf Zustimmung zur Vernichtung oder Löschung vorgelegt. Verfassungsschutz: Mit Verfügung vom 14. September 2012 wurde in der Verfassungsschutzabteilung angewiesen, keine Daten in Dateien zu löschen oder Akten zu vernichten.