Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1849 04.03.2013 (Ausgegeben am 04.03.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hans-Jörg Krause (DIE LINKE) Urbaner Ballungsraum/Colbitz-Letzlinger-Heide Kleine Anfrage - KA 6/7701 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Bauvorhaben „Urbaner Ballungsraum“ (Colbitz-Letzlinger-Heide) stellt einen erheblichen Eingriff in die Natur und Landschaft dar. Mit der Antwort der Landesregierung zur Großen Anfrage (Drs. 6/1339) verweist die Landesregierung darauf, dass die Ermittlung der erforderlichen Kompensationsmaßnahmen auf der Grundlage der Richtlinie über die Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen im Land Sachsen-Anhalt erfolgt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen Vorbemerkung: Das Bundesministerium der Verteidigung, vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung (WBV) Ost, plant auf dem Truppenübungsplatz (TrÜbPl) Altmark die Weiterentwicklung des Gefechtsübungszentrums Heer (GefÜbZH). Es ist vorgesehen, auf dem Gelände des TrÜbPl ein urbanes Übungsfeld zu errichten. Die WBV Ost beantragte am 21. Mai 2012 beim Landesverwaltungsamt (LVwA) gemäß § 37 Abs. 2 BauGB die Zustimmung zu dem geplanten Vorhaben „Urbaner Ballungsraum“ auf dem TrÜbPl Altmark. Die Hochbauverwaltung des Landes Sachsen-Anhalt ist im Rahmen der Organleihe für den Bund auf der Grundlage des Verwaltungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Sachsen-Anhalt tätig, wie bereits mit der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE (Drs. 6/1339) mitgeteilt wurde (Drs. 6/1584). 2 Das geplante Bauvorhaben stellt grundsätzlich nach § 14 BNatSchG i. V. m. § 7 NatSchG LSA einen Eingriff in Natur und Landschaft dar. Dieser ist durch den Verursacher gemäß § 15 Abs. 2 BNatSchG auszugleichen oder zu ersetzen. Verursacher von Eingriffen in die Natur auf dem TrÜbPl Altmark ist der Bund in seiner Eigenschaft als Eigentümer der Liegenschaft und Auftraggeber. Die erforderlichen naturschutzfachlichen Prüfungen und die Ermittlung der erforderlichen Kompensationsmaßnahmen erfolgten im Rahmen der Planung der Baumaßnahme . Sie bildeten auch die Grundlage für den Zustimmungsbescheid des LVwA gemäß § 37 Abs. 2 BauGB vom 26. Juli 2012. 1. Wie hat die Landesregierung den Eingriff in Natur und Landschaft auf der Grundlage der Richtlinien des Landes bewertet? Bitte den Eingriff flächenmäßig, finanziell und ökologisch quantifiziert darstellen. Das Bauvorhaben gliedert sich in fünf Bauabschnitte. Das Eingriffsgebiet umfasst insgesamt rd. 169 ha. Die Eingriffsflächen für die einzelnen Bauabschnitte und deren Bewertung nach dem Bewertungsmodell Sachsen-Anhalt* sind nachfolgender Tabelle zu entnehmen. Eine finanzielle Darstellung des Eingriffs ist nicht möglich. Wertpunktdefizite für die Bauabschnitte des Vorhabens Bauabschnitt Eingriffsfläche (ha) Wertentwicklung (WP) 0 - Verkehrsinfrastruktur 16,72 -2.384.048 1 - Altstadt 9,35 -1.755.950 2 - Industriegebiet 102,96 -3.548.332 3 - Neustadt 14,05 -2.262.076 4 - sonstige Flächen 25,86 -2.004.291 Gesamt 168,94 -11.954.697 2. Welche objektkonkreten Maßnahmen wurden mit dem Bund festgelegt? Bitte nach Einzelmaßnahmen und finanziellem Umfang auflisten. Mit dem Antrag der WBV Ost auf Zustimmung gemäß § 37 Abs. 2 BauGB wurden der Landschaftspflegerische Begleitplan (LBP) und der Artenschutzbeitrag eingereicht. Im LBP wurde der für den Eingriff notwendige Kompensationsbedarf ermittelt. Zur praktikablen und nachvollziehbaren Ermittlung des Kompensationsbedarfes wurde die gesamte bau- und anlagebedingt beanspruchte Fläche in insgesamt 282 Teilflächen bzw. Bewertungseinheiten untergliedert. Für diese erfolgte nach den Vorgaben des Bewertungsmodells Sachsen-Anhalt eine Bewertung der Biotoptypen im Bestand und nach Realisierung des Bauvorhabens . Grundlage hierfür bildeten die aktuelle Biotopkartierung aus dem Jahr 2011 und die Planungsunterlagen für das Vorhaben. Geplante landschaftsge- * Richtlinie über die Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen im Land Sachsen-Anhalt (Bewertungsmodell Sachsen-Anhalt), Gem. RdErl. des MLU, MBV, MI und MW vom 16.11.2004 (MBl. LSA S. 685), geändert durch RdErl. des MLU vom 24.11.2006 (MBl. LSA S. 743) und durch RdErl. des MLU vom 12.3.2009 (MBl. LSA S. 250) 3 staltende Maßnahmen (Baum-, Heckenpflanzungen, Rasenansaat) auf den Bauflächen sind mit in die Einschätzung des Zielzustandes eingeflossen. Aus der Gesamtbewertung ergibt sich, dass das ca. 169 ha große Eingriffsgebiet einen Bestandsbiotopwert von 40.669.827 Wertpunkten aufweist. Dieser Wert vermindert sich infolge der Realisierung des Bauvorhabens um 11.954.697 Wertpunkte, für die Kompensationsmaßnahmen festgelegt worden sind. Insgesamt wurden 12 Maßnahmen in folgende vier Maßnahmetypen zur Kompensation des vorhabensbedingten Eingriffs als naturschutzfachlich und technisch geeignet eingestuft und im LBP festgelegt: - Neuanlage von Heide-Lebensräumen 997.547 m² - Reaktivierung und Verbesserung des Erhaltungsbestandes von Heide-Lebensräumen 568.715 m² - Schaffung anderer Offenland-Lebensräume 119.378 m² - Entsiegelung von bebauten und versiegelten Bodenflächen 28.168 m² Die vorgesehenen Einzelmaßnahmen sind aus der Anlage ersichtlich. Der ermittelte Kostenaufwand für die Umsetzung der Maßnahmen von insgesamt rd. 3,0 Mio. € wird durch den Bund im Rahmen der Baumaßnahme bereitgestellt . 3. Wurden auch Kompensationsmaßnahmen außerhalb des Truppen- übungsplatzes vereinbart? Wenn ja, in welchem finanziellen Umfang sind welche konkreten Maßnahmen vorgesehen? Nein, außerhalb des TrÜbPl werden keine Kompensationsmaßnahmen durchgeführt . 4. Hat die Landesregierung objektkonkrete Kenntnisse über die vom Bund vorgesehenen Entsiegelungen von bebauten Flächen? Wenn ja, bitte die Flächen auflisten, den Ist-Zustand erläutern und Maßnahmen unter ökologischem Gesichtspunkt bewerten. Im LBP ist die Entsiegelung von bebauten und versiegelten Flächen Bestandteil der geplanten landschaftspflegerischen Maßnahmen. Zum Rückbau bzw. zur Entsiegelung stehen nicht mehr benötigte, ehemals militärisch genutzte Gebäude sowie Verkehrs- und Abstellflächen zur Verfügung. Die Flächen werden vollständig beräumt und mit einer Deckschicht aus natürlichem Bodenmaterial versehen, auf der durch Sukzession oder durch Heideansaat gefördert eine Vegetationsentwicklung stattfinden kann. Dies führt zur Entwicklung von naturschutzfachlich wertvollen Lebensräumen. Betroffen sind die Flächen der in der Anlage aufgeführten Maßnahmen M 2, 5, 6, 7, 13, 14 und 16 mit insgesamt 28.168 m². 4 Gegenüberstellung der Wirkungen des Vorhabens und der geplanten landschaftspflegerischen Maßnahmen für das Gesamtvorhaben Eingriff Kompensation Bezeichnung Umfang (ha) Wert- entwicklung (WP) Bezeichnung Umfang (ha) Wert- entwicklung (WP) Beanspruchung und ökologische Entwertung von Heide (HCD) sowie Magerrasen (RSY), Versiegelung natürlich gewachsenen Bodens durch Gebäude und Verkehrswege 168,94 -11.954.697 Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) und anderen Offenland -Lebensräumen, Entsiegelung von ehemals militärisch genutzten Flächen 311,26 11.543.002 Das Bewertungsmodell schließt die differenzierte Anwendung von Erhaltungszuständen bei der Planwertzuordnung für FFH-Lebensraumtypen (LRT) explizit aus. Damit wird eine diesem Einzelfall gerecht werdende Wiedergabe der Kompensationswirkungen von solchen Maßnahmen, die eine Verbesserung des Erhaltungszustandes von FFH-LRT bewirken, mit dem Regelverfahren des Bewertungsmodells unmöglich. Somit führt das Regelverfahren hier zu einer erheblich unvollständigen Bewertung bzw. Bilanzierung, so dass die verbal-argumentative Zusatzbewertung zur Anwendung kommt (Punkt 3.2.3 des Bewertungsmodells Sachsen-Anhalt). Durch die auf mehreren Maßnahmeflächen vorgesehene Entfernung von Gehölzund Strauchaufwuchs aus bestehenden Heideflächen (HCD bzw. HCA) bzw. aus Heidenflächen-Gehölzmosaiken wird die grundlegende Voraussetzung dafür geschaffen , dass der derzeitig zumeist ungünstige Erhaltungszustand der FFH-LRT eine signifikante Verbesserung (mindestens Erhaltungszustand B) erfährt. Dies ist zugleich ein Beitrag zur Umsetzung des Schutzzwecks und der Erhaltungsziele des FFH-Gebietes DE 3535-301 „Colbitz-Letzlinger Heide“. Im Zustimmungsbescheid vom 26. Juli 2012 stellt das LVwA fest, dass mit den im LBP dargestellten Kompensationsmaßnahmen davon ausgegangen werden kann, dass die durch das Vorhaben verursachten unvermeidbaren Eingriffe vollständig ausgeglichen werden können. Anlage Landschaftspflegerische Maßnahmen zur Kompensation des Eingriffs in Natur und Landschaft zur Baumaßnahme „Urbaner Ballungsraum“ auf dem TrÜbPl Altmark Nr. Lage Fläche (m2) Landkreis Maßnahmeninhalt Biotopwert Bestand (WP) Planung Wert- Entwicklung (WP) M 2 ehem. Infanterieschieß - stand 12.727 BK Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) durch • Rückbau von Gebäuden und anderen baulichen Einrichtungen (Laufgräben) des ehemaligen Schießstandes , • stellenweise Entfernen von Baum- Jungwuchs , • stellenweise Einebnung des Geländes, • Plaggen der Ruderalflächen, • Ansaat von Heide 132.712 260.517 127.805 M 5 Scheibenhof nördlich Hillersleben 4.724 BK Wiederherstellung von avifaunistisch wertvollen Lebensräumen durch • Rückbau von Gebäuden und Mauerresten, • Entfernen von alten, teilweise abgestorbenen Pap- pelreihen, • Überlassen der Fläche für eine ungesteuerte Suk- zession 39.544 68.498 28.954 M 6 Betonfläche an der Hauptstraße nördlich Hillersleben 648 BK Wiederherstellung von Grünland durch • Rückbau der geschützten Stellung und der angrenzenden Betonflächen, • sukzessive Entwicklung und Pflege von mesophilem Grünland 0 10.368 10.368 Nr. Lage Fläche (m2) Landkreis Maßnahmeninhalt Biotopwert Bestand (WP) Planung Wert- Entwicklung (WP) M 7 Garagen- komplex und Gebäude nördlich Hillersleben 73.705 BK Wiederherstellung von Grünland und kleineren Gehölzinseln durch • Rückbau von Gebäuden und versiegelte Freiflächen des ehemaligen Kfz- und Wirtschaftsareals, • Entfernen der Pappelreihen, • stellenweise Einebnung des Geländes, • sukzessive Entwicklung und Pflege von mesophi- lem Grünland • sukzessive Gehölzentwicklung am Übergang zum Feuchtgebiet im Südteil 558.050 1.179.280 621.230 M 11 Freifläche westlich Fliederberge 2.027.492 BK Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) durch • Beseitigung von sukzessivem Aufwuchs (Kiefern, Pappeln, Birke), • Plaggen der Gras- und Ruderalflächen, • Ansaat von Heide 36.590.358 43.201.404 6.611.045 M 13 Panzerwippe West 5.569 BK Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) durch • Rückbau von versiegelten Flächen, • stellenweise Entfernen von Baum-Jungwuchs • Plaggen der Ruderalflächen, • Ansaat von Heide 5.772 89.104 83.332 M 14 Hubschrauberlandeplatz nördlich Pfahlberg 2.651 SAW Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) durch • Rückbau von versiegelten Freiflächen, • Ansaat von Heide 0 55.671 55.671 Nr. Lage Fläche (m2) Landkreis Maßnahmeninhalt Biotopwert Bestand (WP) Planung Wert- Entwicklung (WP) M 16 Weg süd- westlich Eichensoll 450 SAW Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) durch • Rückbau von versiegelten Freiflächen • teilweiser Geländeausgleich an der Stützmauer 0 9.450 9.450 M 17 Freifläche nordöstlich Zitadelle 598.473 SAW Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) durch • Beseitigung von sukzessivem Aufwuchs (Kiefern, Pappeln, Birke), • Plaggen der Gras- und Ruderalflächen, • Ansaat von Heide 10.455.626 12.450.692 1.995.066 M 20 Freiflächen südlich 5000 m-Bahn, westlich Teekanne 27.506 BK Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) durch • Ansaat von Heide 440.091 577.619 137.528 M 21 Fläche westlich Försters Wiesen 202.934 BK Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) und anderen OffenlandLebensräumen durch • Entfernen von sukzessivem Gehölzaufwuchs auf Teilflächen, • Plaggen der Graslandflächen, • Ansaat von Heide 3.645.948 4.239.063 593.115 M 22 Fläche östlich Panzerwippe Ost 216.894 BK Wiederherstellung von Heideflächen (LRT 4030 Trockene europäische Heiden) durch • Entfernen von sukzessivem Gehölzaufwuchs auf Teilflächen, • Plaggen der Graslandflächen, • Ansaat von Heide 3.097.036 4.366.473 1.269.437