Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1930 21.03.2013 (Ausgegeben am 22.03.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Christoph Erdmenger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Prüfung einer Baugenehmigung in Elsdorf Kleine Anfrage - KA 6/7811 Vorbemerkung des Fragestellenden: Laut Mitteldeutscher Zeitung vom 4. September 2012 hat das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt eine von der Stadt Köthen erteilte Baugenehmigung im Ortsteil Elsdorf überprüft und ist zu dem Schluss gelangt, dass diese rechtswidrig erteilt wurde. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung: Nach den Darstellungen der Stadt Köthen ist das in Rede stehende Bauvorhaben grundsätzlich nach § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig. Insbesondere ist vorliegend der öffentliche Belang nach § 35 Abs. 2 Nr. 7 BauGB der Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung nicht beeinträchtigt. Wie die Stadt Köthen ausführt, wies das in Rede stehende Grundstück durch eine vorhandene Mauer und eine ehemalige Garage und Nebenanlage ohnehin bereits bauliche Anlagen auf. Eine Vorbildwirkung und die Entstehung einer Splittersiedlung sind schon deswegen nicht zu befürchten, da das Baugrundstück in der Örtlichkeit von den angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen klar abgegrenzt ist. Die notwendige Erschließung des Baugrundstücks ist über die Klietzener Straße gesichert. Insoweit sind die Anforderungen an eine Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB erfüllt. Allerdings ist die förmliche Festsetzung des Baugrundstücks als „Grünland“ im Flächennutzungsplan der Stadt Köthen mit dem Bauvorhaben grundsätzlich nicht vereinbar. Die Stadt Köthen betrachtet jedoch die 16 Jahre alte Festsetzung im Flächennutzungsplan aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten tatsächlichen Nutzungsänderungen als funktionslos und damit nicht als entgegenstehenden öffentlichen Belang i. S. d. § 35 BauGB. 2 Unabhängig davon, ob vorliegend bereits die Schwelle des nach der Rechtsprechung insoweit notwendigen Widerspruchs der Festsetzungen im Flächennutzungsplan zu den tatsächlichen Verhältnissen erreicht ist, beabsichtigt die Stadt Köthen die Darstellung im Flächennutzungsplan zu korrigieren (Vorlage-Nr. 2012152/2: 33. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Köthen (Anhalt) „Elsdorf - westlich der Klietzener Straße“). Nach Auskunft der Stadt Köthen hat der Bauausschuss diesem Aufstellungsbeschluss zugestimmt. Da mit der angekündigten Änderung des Flächennutzungsplanes das Vorhaben auch im Hinblick auf dessen förmliche Festsetzungen genehmigungsfähig wäre, kann schon unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die von der Stadt Köthen im Rahmen ihrer Ermessensausübung getroffene Entscheidung, von einer Aufhebung der Baugenehmigung abzusehen, aufsichtlich nicht beanstandet werden. 1. Sieht es die Landesregierung als ihre Aufgabe an, die Anwendung und Durchsetzung geltenden Baurechts sicherzustellen? Wenn nein, in welchen Fällen sieht die Landesregierung hier Ausnahmen und wie begründet sie diese? Ja. 2. Welchen naturschutzfachlichen Stellenwert haben nach Erkenntnis der Landesregierung Streuobstwiesen und Hecken am Siedlungsrand in offenen Agrarlandschaften? Welche Hinweise hat die Landesregierung, dass es sich nicht um ein nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 NatSchG LSA geschütztes Biotop handelt? Bitte die Einschätzung auch für mehrere Jahre der ungepflegten Bestände angeben. In Sachsen-Anhalt unterliegen Streuobstwiesen und Hecken aus überwiegend heimischen Arten seit Inkrafttreten des ersten Landesnaturschutzgesetzes im Jahre 1992 dem gesetzlichen Biotopschutz. Der gesetzliche Biotopschutz dient dem Erhalt des Bestandes an ökologisch wertvollen Biotopen und soll dessen Rückgang entgegenwirken. Nach Mitteilung der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Anhalt-Bitterfeld handelt es sich bei dem auf dem Flurstück 14/3 der Flur 34 in der Gemarkung Köthen vor der Baufeldfreimachung vorhandenen Gehölzbestand nach Auswertung vorhandener Unterlagen nicht um eine Streuobstwiese im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 7 NatSchG LSA. Es befanden sich auch keine anderen gesetzlich geschützten Biotope (Hecken) auf dem genannten Flurstück. 3. Trifft es zu, dass dem Bürger, der die Überprüfung veranlasst hat und da- mit die Aufdeckung des rechtswidrigen Handelns ermöglicht hat, eine Widerspruchsgebühr von 200 Euro auferlegt wurde? Trifft es zu, dass dies damit begründet wird, dass der Bürger keine Eigeninteressen an der Aufhebung der Baugenehmigung geltend machen kann? Der anwaltlich vertretene Nachbar legte Widerspruch gegen die Baugenehmigungen der Stadt Köthen vom 09.09.2011 und vom 03.01.2012 ein. Mit Bescheid vom 29.08.2012 wies das Landesverwaltungsamt den Widerspruch zurück und setzte Kosten in Höhe von 200 € fest. 3 Die Kostenentscheidung für die Erteilung des zurückweisenden Widerspruchsbescheids beruht auf § 13 Abs. 2 Verwaltungskostengesetz Sachsen-Anhalt (VwKostG LSA). Danach beträgt die Gebühr für die Entscheidung über den Widerspruch 10 bis 500 €, soweit der Widerspruch erfolglos geblieben ist. Der Widerspruch ist vom Landesverwaltungsamt zurückgewiesen worden. Ein erfolgreicher Nachbarwiderspruch gegen eine Baugenehmigung setzt auch eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten voraus. Ein Nachbar kann sich dabei nur auf solche Rechte berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht. Vorliegend sind jedoch keine solchen nachbarschützenden Vorschriften verletzt, so dass der Widerspruch zu Recht zurückgewiesen wurde. Von der Möglichkeit der Klageerhebung gegen den Widerspruchsbescheid wurde kein Gebrauch gemacht. 4. Trifft es zu, dass das Landesverwaltungsamt festgestellt hat, dass die Baugenehmigung dem gültigen Flächennutzungsplan widerspricht und es als „Lösung" ansieht, dass die Stadt Köthen nunmehr den Flächennutzungsplan ändern soll? In o. g. Widerspruchsbescheid vom 29.08.2012 stellte das Landesverwaltungsamt fest, dass der Flächennutzungsplan für das streitige Flurstück 14/3, der Flur 34 in der Gemarkung Köthen die Festsetzung „Grünfläche“ ausweist. Die Stadt Köthen betrachtet jedoch die 16 Jahre alte Festsetzung im Flächennutzungsplan aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten tatsächlichen Nutzungsänderungen als funktionslos und beabsichtigt, ihren Flächennutzungsplan diesbezüglich zu ändern. So soll die in Rede stehende Fläche nicht mehr als „Grünfläche “, sondern künftig als „gemischte Baufläche“ dargestellt werden. Nach Umsetzung der beabsichtigten Änderung würde das Vorhaben den künftigen Darstellungen des Flächennutzungsplanes formell entsprechen (s. Vorbemerkungen ). 5. Hat es vor der hier genannten Baugenehmigung bereits Bauvoranfragen oder Bauanträge zu dem betreffenden Grundstück oder seiner Nachbargrundstücke gegeben? Wann sind diese wie beschieden worden? Für das Flurstück 14/3 der Flur 34 in der Gemarkung Köthen wurden folgende Anträge gestellt und folgende Bauvorbescheide/Baugenehmigungen erteilt: Anträge: 1. Antrag auf Vorbescheid vom 10.06.2009 - Neubau eines EWH und einer Garage 2. Antrag auf Baugenehmigung vom 09.12.2010 - Neubau Einfamilienhaus mit Nebengelass 3. Antrag auf Baugenehmigung vom 24.11.2011 - Neubau Einfamilienhaus mit Nebengelass (Der zweite Antrag auf Baugenehmigung erfolgte, da der Bauherr seine Planungen änderte.) 4 Bauvorbescheide/Baugenehmigungen: 1. Bauvorbescheid Nr. 2009/040 vom 22.06.2009, AZ: 2009-00232 - Neubau Einfamilienhaus mit Garage 2. Baugenehmigung Nr. 2011/662 vom 09.09.2011, AZ: 2010-00662 - Neubau Einfamilienhaus mit Garage 3. Baugenehmigung Nr. 2012/494 vom 03.01.2012, AZ: 2011-00494 - Neubau Einfamilienhaus mit Nebengelass In unmittelbarer Nachbarschaft wurde zuletzt mit Datum vom 12.04.1999 die Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem Flurstück 13, der Flur 34 in der Gemarkung Köthen erteilt. Die Baugenehmigung Nr. 1999/38, AZ: 1999-016 für dieses Bauvorhaben wurde mit Datum vom 04.06.1999 entsprechend der eingereichten Unterlagen erteilt. 6. Welche dienstaufsichtlichen oder strafrechtlichen Verfahren wurden ge- gen die an der rechtswidrigen Baugenehmigung beteiligten Verwaltungsmitarbeiter durchgeführt bzw. werden noch durchgeführt? Nach Mitteilung der Stadt Köthen wurden keine dienstaufsichtlichen Schritte gegenüber dem Mitarbeiter durch die Stadt Köthen eingeleitet. Das beteiligte zuständige Ministerium für Justiz und Gleichstellung teilte mit, dass Strafanzeige gegen einen an der Erteilung der Baugenehmigung beteiligten Mitarbeiter bei der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau gestellt wurde und bestätigte, dass dieses Verfahren eingestellt wurde. Weitere einschlägige Verfahren seien dem Leitenden Oberstaatsanwalt in Dessau-Roßlau nicht bekannt. 7. Zu welchem Zeitpunkt hat die Landesregierung von dem Verdacht erfah- ren, dass die Baugenehmigung widerrechtlich erteilt wurde und welche Schritte hat die Landesregierung ggf. mittels des Landkreises eingeleitet, um die widerrechtliche Baugenehmigung wieder aufzuheben, bevor mit dem Bau des Gebäudes begonnen wurde? Wenn keine Schritte eingeleitet wurden, warum? Die Landesregierung erfuhr im November 2011 durch eine Eingabe des Nachbarn von dem Sachverhalt. Dieser behauptete, die Baugenehmigung der Stadt Köthen vom 09.09.2011 sei rechtswidrig erteilt worden. Nach den Darstellungen der Stadt Köthen ist das in Rede stehende Bauvorhaben grundsätzlich nach § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig. Insbesondere ist die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung nicht zu befürchten. Zudem steht die förmliche Festsetzung des Baugrundstücks als „Grünland“ im Flächennutzungsplan der Stadt Köthen nicht entgegen. Da mit der angekündigten Änderung des Flächennutzungsplanes das Vorhaben auch im Hinblick auf dessen förmliche Festsetzungen genehmigungsfähig wäre, konnte schon unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die von der Stadt Köthen im Rahmen ihrer Ermessensausübung getroffene Entscheidung, von einer Aufhebung der Baugenehmigung abzusehen, aufsichtlich nicht beanstandet werden.