Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2073 08.05.2013 (Ausgegeben am 13.05.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Guido Henke (DIE LINKE) Zweckentfremdung von sozial gebundenem Wohnraum Kleine Anfrage - KA 6/7852 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Zweckentfremdung von sozial gebundenem Wohnraum sorgt in anderen Bundesländern vermehrt für Probleme in der Wohnungsversorgung. Dort denkt man darüber nach, Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass von so genannten Zweckentfremdungsverbotsverordnungen zu erlassen oder hat die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen bereits geschaffen. Wie der Landtagsdrucksache 3/1893 zu entnehmen ist, hat die Landesregierung auf Grundlage des Landtagsbeschlusses 3/18/1353 B in ihrer Sitzung am 4. Mai 1999 die ersatzlose Aufhebung der Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zum 1. Juni 1999 beschlossen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung: Die Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum der Landesregierung von Sachsen-Anhalt beinhaltete, dass in bestimmten Gemeinden SachsenAnhalts Wohnraum nur mit Genehmigung der Gemeinde bzw. des Landkreises zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden konnte. Soweit nachfolgend zu „Zweckentfremdung von sozial gebundenem Wohnraum“ ausgeführt wird, erfolgt dies unter dem Gesichtspunkt der Nutzung zu anderen als Wohnzwecken. Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass es sich in Sachsen-Anhalt beim geförderten Wohnungsbau nicht um sozial gebundenen, sondern um geförderten Wohnraum handelt. 2 Die Zweckbestimmung wird zwischen Investitionsbank und Zuwendungsempfänger in einer gesonderten Vereinbarung für den geförderten Wohnraum festgeschrieben. 1. Wie und in welchem Umfang wurde die weiterhin nicht auszuschließende Zweckentfremdung von sozial gebundenem Wohnraum durch das Land und die Kommunen seit dem 1. Juni 1999 beobachtet, kontrolliert, erfasst und dokumentiert? Gemäß Artikel 2 Pkt. 2b des Ersten Funktionalreformgesetzes vom 22. Dezember 2004 wurde die Zuständigkeit für Freistellungen von Belegungsbindungen nach § 30 des Wohnraumfördergesetzes (WoFG) vom 13. September 2001 den Landkreisen und kreisfreien Städten übertragen. Die Einhaltung der Zweckbestimmung der geförderten Wohnungen wird durch die Landkreise und kreisfreien Städte geprüft und erteilte Freistellungsgenehmigungen werden der Investitionsbank mitgeteilt. Nach Mitteilung des Landesverwaltungsamtes erfolgen hinsichtlich der Kontrolle und Dokumentation zur Einhaltung von Belegungs- und Mietpreisbindungen in den Landkreisen und kreisfreien Städten jährliche Abgleiche der Daten zu erteilten Wohnberechtigungsscheinen bzw. Freistellungen anhand abgeforderter Mieterlisten der jeweiligen Vermieter und Vertragspartner. Des Weiteren wird kontrolliert, ob sozial gebundene Wohnungen tatsächlich an den berechtigten Personenkreis vermietet wurden. Aus den Meldungen der Landkreise und kreisfreien Städte ergab sich Folgendes : ● Im Burgenlandkreis wird die Belegungsbindung durch Abforderung der Mie- terdateien von Vermietern /Verwaltern kontrolliert. Hier erfolgte die Kontrolle der Wohnungsbauförderstelle bis 2008 jährlich und danach stichprobenartig. ● Die Stadt Halle-Saale kontrolliert jährlich ein Drittel der Vermieter und Ver- tragspartner. ● Im Landkreis Wittenberg erfolgte die Kontrolle jedoch nur im Zusammenhang mit der Prüfung der Überlassungsmitteilungen (Erteilung von Wohnberechtigungsbescheinigungen ) bei erfolgter Vermietung mit Datenabgleich bei Verwalter - bzw. Eigentümerwechsel sowie bei Freistellungsanträgen. Weitere detaillierte Angaben der Landkreise und kreisfreien Städte hinsichtlich der Kontrolle und Dokumentation zur Zweckentfremdung im geförderten Wohnungsbau liegen dem MLV bzw. dem Landesverwaltungsamt nicht vor. 2. Wie viele Fälle der Zweckentfremdung von sozial gebundenem Wohnraum wurden in welchem Jahr in welchen Gemeinden und Städten erfasst und dokumentiert. Die Antwort bitte tabellarisch in Jahresscheiben zusammenfassen sowie jeweils nach Landkreisen und kreisfreien Städten gliedern. In den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld, Landkreis Börde, Landkreis Harz, Landkreis Jerichower Land, Landkreis Saalekreis, Altmarkkreis Salzwedel, Salzland- 3 kreis, Landkreis Stendal, Landkreis Wittenberg und die kreisfreien Städten Halle -Saale und Dessau-Roßlau lagen keine Fälle von Zweckentfremdung sozial gebundenem Wohnraums vor. Freistellungen von den Belegungsbindungen nach § 30 WoFG zu anderen als zu Wohnzwecken wurden von den genannten Landkreisen und kreisfreien Städten nicht erteilt. Die Angaben der Landkreise Mansfeld-Südharz und Burgenlandkreis zur Freistellung gemäß § 27 Absatz 7 WoFG gehen aus nachstehender Übersicht hervor : Landkreis/kreisfreie Stadt Jahr Vorgänge Burgenlandkreis 2000 – 2007 2013 7 Fälle 1 Fall Landkreis Mansfeld-Südharz 2008 2011 1 Fall 1 Fall 3. Welche Fälle der Zweckentfremdung von sozial gebundenem Wohnraum traten seit dem 1. Juni 1999 am häufigsten auf? Bitte beschreiben Sie die fünf häufigsten Fälle. Im Burgenlandkreis handelte es sich bei den unter Nr. 2 genannten 8 Fällen der Zweckentfremdung um - Selbstnutzung, - soziale Einrichtungen sowie - Nutzungsänderungen (Heilpraxis für Physiotherapieeinrichtungen). Im Landkreis Mansfeld-Südharz handelte es sich in beiden Fällen der Zweckentfremdung um gewerbliche Nutzung. 4. Welche Sanktionsmöglichkeiten der öffentlichen Hand gibt es im Fall der Zweckentfremdung von sozial gebundenem Wohnraum heute? Welche rechtlichen Regelungen änderten sich diesbezüglich wann in welcher Weise seit dem 1. Juni 1999? Die Zweckbestimmung der Wohnungen ist zwischen Investitionsbank und Zuwendungsempfänger in einer gesonderten Vereinbarung festgeschrieben. Werden vom Zuwendungsempfänger die in der Vereinbarung enthaltenen Verpflichtungen , insbesondere Zweckbestimmung, nicht eingehalten, so wird für die Dauer des Verstoßes eine Vertragsstrafe (z. B. bei Nichtvorlage WBS) erhoben bzw. ist im Bewilligungsbescheid das Recht vorbehalten, diesen bei Nichteinhaltung der übernommenen Verpflichtungen aus der Vereinbarung zu widerrufen (z. B. bei dauerhafter Fremdnutzung). Die Entscheidung bei Verstößen obliegt bei Förderung in Sachsen-Anhalt nach den Wohnungsbauprogrammen bis 2002 bei der Investitionsbank SachsenAnhalt . 4 Die Zweckbestimmungen im geförderten Wohnungsbau sind zeitlich befristet und laufen sukzessive aus. Förderungen für Mietwohnungen gab es letztmalig im Jahr 2002 mit einer Belegungsbindung von 15 Jahren ab Vorhabensabschluss . Die Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Sachsen-Anhalt haben in der Vergangenheit Sanktionsmöglichkeiten nicht in Betracht ziehen müssen. Vereinzelte Zweckentfremdungen - Nutzung zu anderen als Wohnzwecken - wurden auf Antrag durch Freistellungsbescheide genehmigt. Bei nach dem Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) geförderten Wohnungen ergäben sich Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Zweckbestimmung aus § 52 WoFG vom 13.09.2001. Aufgrund ihres Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 und 6 zusammen beantwortet. 5. Wie bewertet die Landesregierung die derzeitige Versorgungssituation mit sozial gebundenem Wohnraum im Vergleich zu anderen Bundesländern vor dem Hintergrund, dass der Bedarf an kleinen, preisgünstigen Wohnungen in Sachsen-Anhalt zunehmend steigt? 6. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf, um der Zweckenfremdung von sozial gebundenem Wohnraum in Sachsen-Anhalt vorzubeugen? Wie begründet sie ihre diesbezügliche Position? Der geförderte Wohnungsbau hat in Sachsen-Anhalt stark an Bedeutung verloren . Hintergründe sind das generelle Überangebot an Wohnungen sowie die Umstellung der Wohnungspolitik von der Objekt- auf die Subjektförderung, die mehr räumliche und preisliche Flexibilität verschafft. Von den einst rd. 64.000 belegungsgebundenen Wohnungen waren im Jahr 2010 noch rd. 36.000 und 2011 knapp 33.000 auf dem Markt1. Allein im Zeitraum 2010/2011 sind über 7.500 Wohneinheiten aus der Belegungsbindung gefallen. Dies wird bis zum Jahr 2022 für alle bisherigen mit Zweckbestimmungen versehenen Wohnungen der Fall sein. Einer Mietpreisbindung unterlagen im Jahr 2010 noch 545 und im Jahr 2011 nur noch 403 Wohnungen. Nach den Angaben der Landkreise , die durch das Landesverwaltungsamt erhoben wurden, wird es in Sachsen -Anhalt ab dem Jahr 2014 keine Wohnungen mit Mietpreisbindung mehr geben. Die aktuelle Wohnungsmarktsituation im Land ist durch hohe Leerstände und ein eher niedriges Mietpreisniveau2 gekennzeichnet, weshalb belegungsgebundene Wohnungen zum Teil nur vermietet werden können, wenn - als häufigster Grund - eine Freistellung von der Einhaltung der Einkommensgrenze sowie auch der Wohnungsgröße und/oder des Belegungsvorranges erfolgt. Eine derartige Freistellung erfolgt stets zeitlich befristet für die Dauer des Mietvertrags mit dem jeweiligen Mieter. Zieht dieser aus, fällt die Wohnung wieder in die Be- 1 Bericht zur Stadtentwicklung und zum Stadtumbau Ost sowie zur Mieten- und Wohnungsmarktentwicklung im Land Sachsen-Anhalt (Berichtsjahre 2010/2011) 2 Monatlich durchschnittlich 4,48 Euro/m2 5 legungsbindung zurück, so dass bei einer Neuvermietung an eine weitere Person aus dem Kreis der nicht Verfügungsberechtigten erneut ein Freistellungsantrag gestellt werden muss. Zusammenfassend wird festgestellt, dass sich der Wohnungsmarkt in SachsenAnhalt in einer entspannten Lage befindet und dass - unabhängig von der Wohnungsgröße - von keinerlei Versorgungsschwierigkeiten auszugehen ist. Dank des niedrigen Mietpreisniveaus wird sich auch das bereits dargestellte Auslaufen der Belegungsbindungen nicht negativ auf die Wohnungsmarktlage auswirken. Sowohl arbeitsmarktbedingte Abwanderungstendenzen als auch negative demografische Entwicklungen lassen die Einwohnerzahlen fast aller Regionen in Sachsen-Anhalt sinken. Trotz der deutlichen Reduzierung des absoluten Wohnungsbestandes ist dieser gemessen je Einwohner weiter gestiegen , da der Bevölkerungsrückgang schneller von statten ging, als das Bauabgangsgeschehen . Vor dem Hintergrund vorgenannter Ausführungen sieht die Landesregierung derzeit keinen Handlungsbedarf, um der Zweckentfremdung von gefördertem Wohnraum in Sachsen-Anhalt vorzubeugen.