Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2076 13.05.2013 (Ausgegeben am 13.05.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Kay Barthel (CDU) Ermittlung Grundsteuer B Kleine Anfrage - KA 6/7858 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Bewertungsstelle der Finanzämter erstellt die so genannte Ertragswertermittlung von Grundstücken als Grundlage für die Berechnung der Grundsteuer B. Der dazu herangezogene Feststellungszeitpunkt und die daran geknüpften Datensammlungen, wie gezahlte Mieten und Kosten für Normbauteile und Normbauweisen, stammen per Bewertungsgesetz aus dem Jahr 1964. In den neuen Bundesländern nutzen die Behörden sogar die Werte von 1935. Obwohl diese Daten längst überholt sind, verfahren die Ämter immer noch nach diesem Schema. Der Bundesfinanzhof hat in seinen Urteilen entschieden, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens jedenfalls bis zum 1. Januar 2007 noch verfassungsgemäß sind. Derzeit befasst sich das Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren 2 BvR 287/11 mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer, insbesondere mit der Verfassungsmäßigkeit des Bewertungsgesetzes auch für spätere Stichtage. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium der Finanzen 1. Für wie viele Immobilien haben deren Besitzer in Sachsen-Anhalt wegen des beim BVerfG anhängigen Verfahrens Einsprüche gegen die Grundsteuerfestsetzung eingelegt? Die Festsetzung der Grundsteuer erfolgt durch die Gemeinden. Wird ein Grundsteuerbescheid einer Gemeinde angefochten, so kann sich der Widerspruch lediglich auf den Hebesatz und seine Anwendung auf den Steuermessbetrag beziehen. Der Grundsteuermessbetrag wird durch das zuständige Finanz- 2 amt beschieden. Es handelt sich um einen Grundlagenbescheid, der für die Gemeinde bindend ist. Bei Einwänden gegen die Wertermittlung sind Grundsteuerpflichtige daher gehalten, sich an das Finanzamt zu wenden. Aufgrund der Fragestellung geht die Landesregierung davon aus, dass sich die Frage auf Einsprüche gegen die Grundsteuermessbeträge bezieht. Die Finanzämter haben gemeldet, dass unter Berufung auf das beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren (2 BvR 287/11) die nachfolgend aufgeführte Zahl von Rechtsbehelfen/Anträgen der Grundstückseigentümer vorliegt : • 281 Einsprüche gegen Einheitswert-/Grundsteuermessbescheide • 6.700 Anträge auf Aufhebung des Einheitswerts-/Grundsteuermessbetrags. 2. Gibt es eine einheitliche Regelung für die Finanzämter, mit diesen Einsprü- chen umzugehen? Wenn ja, welche? Um eine einheitliche Vorgehensweise der Finanzämter bei der Bearbeitung dieser Rechtsmittel zu gewährleisten, wurde eine Regelung in ZOFF (Zentraler Onlinedienst für die Finanzämter) getroffen. Mit der in ZOFF veröffentlichten Kurzinformation zum Bewertungsrecht 03/2011 wurden sämtliche Finanzämter des Landes Sachsen-Anhalt informiert, dass zulässige Einsprüche Einheitswert-/Grundsteuermessbescheide gemäß § 363 Absatz 2 Satz 2 Abgabenordnung kraft Gesetz bis zu einer Entscheidung des BVerfG ruhen. Die Anträge auf Aufhebung eines Einheitswerts-/Grundsteuermessbetrags sollen mit Zustimmung der Antragsteller bis zu einer Entscheidung des BVerfG ausgesetzt werden. Besteht der Antragsteller in diesen Fällen auf eine Entscheidung, ist der Antrag förmlich abzulehnen. Sofern dagegen ein Einspruch eingelegt wird, ruht das Verfahren gemäß § 363 Absatz 2 Satz 2 Abgabenordnung. 3. Welche Meinung hat die Landesregierung zu der geforderten Anpassung und Aktualisierung der Wertverhältnisse als Grundlage der Einheitsbewertung , um die in den Jahren 1935 bzw. 1964 festgelegten Daten den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen? Welche Korrekturen dieser noch unbereinigten Situation zieht sie in Erwägung? Das System der geltenden Einheitsbewertung mit der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1935 und 1964 ist grundsätzlich darauf angelegt, dass gemäß § 21 Absatz 1 Nummer 1 Bewertungsgesetz (BewG) Hauptfeststellungen in Zeitabständen von je sechs Jahren stattfinden. Hierauf wurde bisher bundesweit wegen des enormen Aufwands verzichtet. Eine umfassende Erklärungspflicht über eine Vielzahl von wirtschaftlichen Einheiten ist allein der Durchführung einer Hauptfeststellung gewidmet (§ 28 BewG). Von daher ist es nicht zulässig, bei Fehlen einer bundesgesetzlich neu geregelten Hauptfeststellung eine vergleichbare Maßnahme in den Ländern durchzuführen . 3 Die Durchführung von Fortschreibungen der Einheitswerte baut wegen der regelmäßigen Hauptfeststellungen allein auf Mitteilungen anderer Behörden (§§ 22 i. V. m. 29 Absatz 3 BewG) auf. Eine ausdrückliche Mitteilungs- oder Erklärungspflicht der Steuerpflichtigen zur Durchführung von Fortschreibungen ist nicht vorgesehen . Will man alle Änderungen tatsächlicher Art erfassen, so müssten in allen Fällen des Grundvermögens und der wie Grundvermögen zu bewertenden Grundstücke des Betriebsvermögens Erklärungen zur Feststellung des Einheitswerts übersandt werden. Dies käme einer Hauptfeststellung gleich und ist deshalb vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Erklärungen zur Feststellung des Einheitswerts sollen nur versandt werden, wenn angezeigte Änderungen tatsächlicher Art möglicherweise zu einer Fortschreibung führen (§ 28 Absatz 2 Satz 3 BewG). Die Landesregierung hält für eine Lösung der Probleme eine grundlegende Reform der Grundsteuer für erforderlich. Deren Notwendigkeit ist zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden unbestritten und angesichts der in den Entscheidungen vom 30. Juni 2010 (II R 60/08 und II R 12/09) geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel des Bundesfinanzhofs geboten. Die Finanzministerkonferenz (FMK) hat am 28. Januar 2010 eine länderoffene Arbeitsgruppe unter der Federführung des Landes Nordrhein-Westfalen und unter Beteiligung des Bundesministeriums der Finanzen beauftragt, Reformansätze zu bewerten. Mit Beschluss vom 27. Januar 2011 hat die FMK die Verprobung und Ermittlung der Administrationskosten von drei Reformmodellen angeregt. Die FMK wird nach derzeitigem Stand Entscheidungen über den weiteren Reformprozess frühestens Mitte Oktober 2013 treffen. Im Hinblick darauf, dass die Würdigung der Reformmodelle durch die Arbeitsgruppe noch nicht vollständig abgeschlossen ist, hat die Landesregierung bislang davon abgesehen, eine Vorfestlegung für eines der Modelle zu treffen. 4. Wie viel Grundsteuer B gehen im Einzelnen den Kommunen schätzungsweise verloren, aufgrund der Verwendung überalterter Datengrundlagen? Zu den Mindereinnahmen bei der Grundsteuer aufgrund der nach den Wertverhältnissen von 1935 ermittelten Besteuerungsgrundlagen kann (auch von den hebeberechtigten Gemeinden) keine Aussage getroffen werden, da Vergleichswerte anhand aktueller Wertermittlungsmethoden nicht vorliegen. Die Bezeichnung „überaltert“ ist irreführend, weil keine aktuelleren Daten existieren . Die Landesregierung weist darauf hin, dass aktuell vorhandene Daten verwendet werden, die in dieser Form zumindest noch von der Rechtsprechung akzeptiert werden (vgl. die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 30. Juni 2010, II R 60/08 und II R 12/09). 4 5. Welche Handlungsoptionen haben die Finanzämter bei Anträgen von Gemeinden , Einheitswerte neu und aktuell zu berechnen? Anträge von Gemeinden können durch die Finanzämter nur dann für eine Fortschreibung der Einheitswerte verwendet werden, wenn sie durch Baugenehmigungen bzw. Bauanzeigen hinreichend belegt sind. 6. Wie gedenkt die Landesregierung, die unterschiedliche Belastung der Grundstückseigentümer durch die Grundsteuer B bei nicht erfolgter oder nach Sanierungen nicht aktualisierter Einheitswertbestimmung entgegen des nach einem Neubau aktuell ermittelten Einheitswertes zu heilen? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Aufgrund der laufenden Erörterungen zu den Reformmodellen hält die Landesregierung es nicht für ratsam, als erstes Bundesland eine hauptfeststellungsähnliche Maßnahme auf der Grundlage einer potentiell verfassungswidrigen Einheitsbewertung durchzuführen.