Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2082 16.05.2013 (Ausgegeben am 17.05.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Jürgen Stadelmann (CDU) Gesundheitsgefahren durch den Eichenprozessionsspinner Kleine Anfrage - KA 6/7874 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Eichenprozessionsspinner gewinnt nicht nur als Schädling für den Forst, sondern auch durch zunehmenden Kontakt mit dem Menschen an Bedeutung. Gerade im Norden Sachsen-Anhalts wird berichtet, dass immer mehr Bäume in den Kommunen vom Eichenprozessionsspinner befallen sind. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales 1. Wer ist zuständig für die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners im Zusammenhang bebauter Ortsteile? 2. Wer ist zuständig für die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners außerhalb bebauter Ortsteile? Zuständig für die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners sind die Eigentümer oder anderen Verfügungsberechtigten der Grundstücke, auf denen die mit dem Eichenprozessionsspinner befallenen Bäume stehen. Für die Bekämpfung in Waldbeständen ist die Forstverwaltung zuständig, sofern dies zum Schutz der Waldbestände notwendig ist. 3. Wer ist zuständig für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung bezüglich des Eichenprozessionsspinners? Die Zuständigkeit für Maßnahmen zum Schutz vor Gesundheitsgefährdungen durch den Eichenprozessionsspinner obliegt der allgemeinen Sicherheitsbehör- 2 de (Kreisfreie Stadt, Einheitsgemeinde, Verbandsgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft ). 4. Welche Auswirkungen hat der Kontakt des Eichenprozessionsspinners mit dem Menschen bzw. welche Beeinträchtigung der Gesundheit ist im Einzelfall zu erwarten? Durch den Kontakt mit den Brennhaaren der Raupen des Eichenprozessionsspinners , die mit Widerhaken versehen sind und das Nesselgift Thaumetopoein enthalten, können bei Berührung, Einatmung oder versehentlichem Einbringen in die Augen gesundheitliche Beschwerden verursacht werden. Bei direktem Kontakt mit den Brennhaaren wird die Haut sowohl mechanisch durch die Widerhaken als auch chemisch durch das Nesselgift gereizt. Es kommt zu einem sehr unangenehmen Juckreiz mit nachfolgender Entzündung der Haut in Form von Quaddeln und Bläschen (Raupendermatitis). Durch den Kontakt mit in der Luft schwebenden Haaren können bei Einatmung Reizungen im Rachen bzw. der Atemwege (Atemwegsbeschwerden bis zum Asthma) und bei Kontakt mit den Augen eine Reizung der Bindehaut oder auch eine Bindehautentzündung ausgelöst werden. Ferner sind Allgemeinsymptome wie Schwindelgefühl und Fieber sowie allergische Reaktionen möglich. 5. Gibt es besondere Gefahren bzw. Beeinträchtigungen der Gesundheit für Kindergärten, Schulen und Senioreneinrichtungen? Grundsätzlich gehören zum gefährdeten Personenkreis alle, die sich in direkten Befallsbereichen des Eichenprozessionsspinners oder in deren Nähe ständig oder auch nur vorübergehend aufhalten. Einzelne gesundheitlich vorgeschädigte Personen können unter Umständen besonders gefährdet sein. 6. Wie viele Fälle von Beeinträchtigungen der Gesundheit beim Menschen sind der Landesregierung bekannt (seit 2010, pro Jahr, je Landkreis)? Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 7. Wie wird das künftige Gefährdungspotenzial des Eichenprozessionsspin- ners auf die menschliche Gesundheit eingeschätzt im Hinblick auf die zu erwartende Populationsentwicklung? Die gesundheitliche Gefahr, die vom Eichenprozessionsspinner ausgeht, ist sehr ernst zu nehmen. Bisherige Entwicklungen wie seine zunehmende Verbreitung in Deutschland weisen darauf hin, dass sich die Probleme im Zuge der Klimaänderung verschärfen können. 8. Unter welchen Bedingungen kann im Zusammenhang mit dem Eichenpro- zessionsspinner von einer Gefährdung der Bevölkerung gesprochen werden und unter welchen Bedingungen von Katastrophenschutzmaßnahmen ? Grundsätzlich stellen die Raupenhaare des Eichenprozessionsspinners, die ab dem 3. Larvenstadium ausgebildet werden, eine gesundheitliche Gefährdung 3 dar. Die Höhe der Gefährdung ist von der Intensität der konkreten Exposition abhängig. Es ist nicht davon auszugehen, dass im Zusammenhang mit dem Eichenprozessionsspinner die Bedingungen erfüllt sind, die zur Feststellung des Katastrophenfalls führen. Ein Katastrophenfall im Sinne des Katastrophenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KatSG-LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 2002, GVBl. LSA S. 339, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Juni 2005, GVBl. LSA S. 320, ist ein Notstand, bei dem Leben, Gesundheit oder die lebenswichtige Versorgung einer Vielzahl von Personen oder erhebliche Sachwerte gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt werden und zu dessen Abwehr oder Eindämmung der koordinierte Einsatz der verfügbaren Kräfte und Mittel unter einer gemeinsamen Gesamtleitung erforderlich ist. 9. Ist derzeit geplant, auf den Befall von Eichenprozessionsspinnern im Zu- sammenhang bebauter Ortsteile aufmerksam zu machen? Wenn ja, wie? Das Aufstellen von Warnschildern und ggf. das Absperren befallener Bereiche sowie sonstige Informationsmaßnahmen sind von der aktuellen Situation vor Ort abhängig. Inwieweit die für den Gesundheitsschutz Zuständigen (siehe Antwort zu Frage Nr. 3) dies planen, ist nicht bekannt. Im Auftrag der Ministerien für Arbeit und Soziales sowie für Landwirtschaft und Umwelt wurde im April 2013 ein Informationsblatt zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren durch den Eichenprozessionsspinner veröffentlicht. Es richtet sich primär an die für Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen Zuständigen und gibt u. a. Hinweise zu möglichen Gesundheitsgefahren, zu vorbeugenden Maßnahmen sowie zu zugelassenen Bekämpfungsmitteln und Verfahren. 10. Wie viel Mittel sind im Haushalt für die Bekämpfung des Eichenprozes- sionsspinners in welchem Einzelplan und in welcher Titelgruppe für 2013 generell eingeplant und welche Mittel davon ggf. im Zusammenhang bebauter Ortsteile? Im Einzelplan 09, Kapitel 09 02, Titel 533 10 sind insgesamt 220.300 € eingeplant (für Schutzmaßnahmen zur Erhaltung des Waldes, nicht für Gesundheitsschutz , nicht im Zusammenhang bebauter Ortsteile). 11. Welche Genehmigungsverfahren sind für den Einsatz von Pflanzen- schutzmitteln zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners erforderlich ? Derzeit haben Dimilin 80WG und Dipel ES eine Zulassung zur Ausbringung mit Bodengeräten im Forstbereich. Im Gegensatz zu Dipel ES besteht für Dimilin 80WG zudem eine Genehmigung zur Ausbringung mit Luftfahrzeugen. Dieses Mittel ist aber angesichts der Dichte der Population des Eichenprozessionsspinners und der fehlenden Blattmasse nicht geeignet und baut sich weiterhin sehr langsam im Bestand ab. 4 Das Mittel „Karate Forst flüssig“ hat weder eine Zulassung zur Ausbringung mit Bodengeräten im Forstbereich noch eine Zulassung zur Ausbringung mit Luftfahrzeugen . Das Ausbringen von „Dipel ES“ und „Karate Forst flüssig“ mit Luftfahrzeugen ist deshalb durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Rahmen einer Notfallzulassung1 zu genehmigen. Der Antrag für beide Mittel wurde durch die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt Anfang März beim BVL gestellt. Zusätzlich ist eine Genehmigung nach Pflanzenschutzgesetz von der zuständigen Stelle des Landes notwendig. 12. Wie bzw. durch welche Maßnahmen und mit welchem Mittel wird der Eichenprozessionsspinner im Zusammenhang bebauter Ortsteile bekämpft ? Zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners können mechanische bzw. chemische Maßnahmen ergriffen werden. Die sicherste Methode der mechanischen Bekämpfung sind das Verkleben und das Absaugen der Gespinstnester von den Bäumen durch Fachfirmen. Die chemischen Bekämpfungsmaßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit müssen mit gemäß Chemikaliengesetz i. V. m. der Biozid-ProduktRichtlinie 98/8/EG zugelassenen Biozidprodukten erfolgen. Derzeit steht zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners nur ein vorläufig zugelassenes Biozidprodukt zur Verfügung (Handelsname: „Dipel ES“). Darüber hinaus sind aufgrund von Übergangsbestimmungen mehrere Biozidprodukte verkehrsfähig und auch zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners verwendbar, die das formale Zulassungsverfahren noch nicht durchlaufen haben (Handelsnamen: „Diflubenzuron 80 %“, „Neem Protect“). Die Verwendung von Biozidprodukten soll Fachfirmen überlassen werden; für „Dipel ES“ ist ausschließlich der professionelle Verwender zulässig. Die Bekämpfung ist nur im 1. und 2. Larvenstadium sinnvoll und muss ggf. in den betroffenen Bereichen mehrere Jahre in Folge durchgeführt werden. 13. Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, dass Maßnahmen zum Ge- sundheitsschutz im Zusammenhang mit dem Eichenprozessionsspinner außerhalb der Bebauung stattfinden oder finden diese lediglich innerhalb bebauter Ortsteile statt? In der Regel finden Maßnahmen gegen den Eichenprozessionsspinner zum Schutz der menschlichen Gesundheit innerhalb bebauter Ortsteile, d. h. im direkten Lebensumfeld statt. Jedoch auch Maßnahmen, die außerhalb bebauter Ortsteile im Interesse des Waldschutzes durchgeführt werden, verfolgen Aspekte des Gesundheitsschutzes, insbesondere bei angrenzenden Siedlungsbereichen aufgrund der Windverbreitung der Brennhaare. 1 § 29 PflSchG in Verbindung mit Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr.1107/2009; Zulassung für max. 120 Tage