Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2164 12.06.2013 Hinweis: Die Anlage ist als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick im Netz den Acrobat Reader. (Ausgegeben am 12.06.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Genehmigung einer Erweiterung der Kläranlage in Weißenfels Kleine Anfrage - KA 6/7905 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 29. November 2012 genehmigte das Landesverwaltungsamt dem Zweckverband für Abwasserentsorgung Weißenfels den dreistufigen Ausbau der Kläranlage Weißenfels . Nach Aussagen des Zweckverbandes beteiligt sich das Land mit Fördermitteln an den Kosten der Errichtung der Klärwerkserweiterung. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Trifft es zu, dass sich das Land am Ausbau der Kläranlage Weißenfels be- teiligt? Wenn ja, wie hoch ist der Betrag, den das Land bereitstellt? Wie hoch sind die Gesamtkosten des Projektes, die veranschlagt wurden? Woher kommen die restlichen finanziellen Mittel? Der Investitionsbank Sachsen-Anhalt liegt ein Antrag der Abwasserbeseitigung Weißenfels - Anstalt öffentlichen Rechts (vormals Zweckverband für Abwasserentsorgung Weißenfels) auf Förderung des Investitionsvorhabens „Erweiterung der Kläranlage Weißenfels, 1. Ausbaustufe“ aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsförderung (GRW)“ vor. Das Investitionsvolumen beträgt 7.378.031 €, der beantragte GRW-Zuschuss 4.176.998 € (56,61 %). Die restlichen Mittel wären durch den Antragsteller als Eigenmittel zu erbringen. Diese werden aus Beiträgen und Gebühren, die nach dem kommunalen Satzungsrecht zu erheben sind, refinanziert. Die Bearbeitung des Antrages ist noch nicht abgeschlossen. 2 2. Beteiligen sich auch von der Erweiterung profitierende Unternehmen an der Finanzierung der Kläranlage? Wenn ja, welche sind das? Die Kläranlage Weißenfels gehört zu einer öffentlichen Einrichtung, die vom kommunalen Aufgabenträger unterhalten wird und kostendeckend zu betreiben ist. Die Nutzer der öffentlichen Einrichtung sind nach den Vorschriften des kommunalen Satzungsrechts im Rahmen der Vorgaben des Kommunalabgabenrechts an den Aufwendungen für die Errichtung und den laufenden Betrieb dieser öffentlichen Einrichtung zu beteiligen. Nutzer sind auch alle an die öffentliche Einrichtung angeschlossenen Unternehmen . In der ab dem 1. Dezember 2012 in Kraft getretenen 3. Änderung der Satzung über die Erhebung von Gebühren und Erstattung von Kosten für die Abwasserbeseitigung vom 13. November 2012 ist zusätzlich zur Mengengebühr ein sog. Starkverschmutzerzuschlag eingeführt worden, der den erhöhten Aufwand bei der Reinigung stark verschmutzter Abwässer berücksichtigt. 3. Auf welchen Bedarfsanmeldungen basiert die Genehmigung der Erweite- rung? Welche Unternehmen haben zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Bedarfe angemeldet? Bitte entsprechend auflisten. Bei der Dimensionierung seiner Abwasseranlagen und den dafür zugrunde liegenden Prognosen über Mengen und Beschaffenheit handelt der zuständige kommunale Aufgabenträger im Rahmen seiner Selbstverwaltung. In den vom Vorhabensträger am 30. November 2011 zur Prüfung eingereichten Unterlagen war eine Grundlagenermittlung (siehe Anlage) enthalten, die Angaben zur erwarteten Zusammensetzung der Zulauffracht enthielt. Die Grundlagenermittlung war Bestandteil der öffentlich ausgelegten Unterlagen und Gegenstand des später durchgeführten Erörterungstermins. Diese Prognose unterscheidet nach einem schrittweise entstehenden erhöhten Abwasseranfall. Auf dieser Grundlage beantragte der Vorhabenträger den Ausbau der Kläranlage in drei Stufen. Es entspricht dem einschlägigen technischen Regelwerk (ATV-DVWK A 198), bei der Auslegung einer Kläranlage die vorhandene Belastung zugrunde zu legen , wie sie sich aus der Betriebsdatendokumentation, von Untersuchungen der Abwassermengen und –beschaffenheit relevanter Indirekteinleiter sowie dem Abwasserbeseitigungskonzept ergibt. Zusätzlich ist abzuschätzen, welche Auswirkungen sich aus der erwarteten demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung ergeben. Die auf dieser Grundlage vom Vorhabenträger erstellte Prognose war nach der Auffassung der Genehmigungsbehörde vertretbar und vom Einschätzungsspielraum des kommunalen Aufgabenträgers gedeckt. Die Genehmigungsbehörde konnte zudem vor dem Hintergrund der im Landesentwicklungsplan enthaltenen Ausweisungen und der Besonderheiten der an diesem Standort stark vertretenen Lebensmittelindustrie die Prognose des Vorhabenträgers für einen stufenweisen Ausbau und die im Hinblick darauf künftig benötigte (Reserve-) Kapazität nachvollziehen. Gewisse Sicherheitsre- 3 serven bei der Bemessung öffentlicher Einrichtungen und damit scheinbare (zeitweise) Überkapazitäten dürfen im Übrigen selbst nach den Vorschriften des Kommunalabgabenrechts veranschlagt werden (sog. „Leerkosten“, vgl. § Abs. 1 Satz 3 KAG-LSA). 4. Stimmen die Bedarfsanmeldungen, die Grundlage für das Genehmi- gungsverfahren waren, noch mit den aktuellen Bedarfen überein? Gab es im Laufe des Verfahrens eine Aktualisierung der Bedarfsanmeldungen? Auf den Antrag des Vorhabenträgers hat die Genehmigungsbehörde am 29. November 2012 die Genehmigung zur Erweiterung der Kläranlage - unter Nebenstimmungen - erteilt. Eine Aktualisierung der Bedarfsmeldung ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht erfolgt und nicht notwendig. 5. Wurde geprüft, ob auf den Ausbau der Kläranlage verzichtet werden könn- te, wenn bei den angeschlossenen Industrieunternehmen entsprechende Kapazitäten zur Vorklärung der Abwässer geschaffen werden? Wurde abgefragt , ob seitens der betreffenden Unternehmen die Bereitschaft besteht , entsprechende Kapazitäten zur Vorklärung zu schaffen? Gab bzw. gibt es seitens der Unternehmen, die Bedarfe angemeldet haben, Bereitschaftserklärungen , eigene Vorbehandlungsanlagen zu errichten? Gibt es darüber hinaus die Bereitschaft anderer wesentlicher Einleiter, die bisher keinen Bedarf angemeldet haben, etwaige Vorklärungskapazitäten zu schaffen? Der Vorhabenträger hat mehrere Varianten für die Erweiterung der Behandlungskapazität der Kläranlage untersucht. Dabei hat er im Rahmen seines Satzungsrechts zu entscheiden, ob und welche Vorgaben er an die Beschaffenheit des ihm zwingend zu überlassenen Abwassers macht. Es wurde u. a. geprüft, ob Abwasser aus der Fleischindustrie ggf. einer anderen Kläranlage zugeführt werden könnte. Eine deutlich verbesserte Vorbehandlung des Abwassers des Schlachthofgeländes war Grundlage der Annahmen für die in der Grundlagenermittlung enthaltene Prognose. Es ist durchaus möglich, dass der Anlagenbetreiber selbst bei relativ hoch belastetem Abwasser generell oder im Wege der Einzelfallentscheidung auf eine Vorbehandlung im Sinne einer Entfrachtung verzichtet. Dies ist von seinem Entscheidungsspielraum gedeckt, solange die Behandlungskapazität der Kläranlage ausreichend ist. Der Aufgabenträger könnte sogar eine Vorbehandlung untersagen, z. B. wenn sich die daraus ergebende Beschaffenheit des Abwassers für den Klärprozess nachteilig verändern sollte. 4 6. In der Verbandsversammlung im Dezember 2012 berichtete die Geschäftsführung , dass die bestehende Anlage stabil laufe und im aktuellen Jahr keine Grenzwertüberschreitungen bei der Einleitung gemessen worden seien. Gleichzeitig ist der Bau von zwei Regenüberlaufbecken zur Erhöhung der Sicherheit der Kläranlage bei Starkregenereignissen geplant. Worin liegt nach Ansicht der Landesregierung dann noch der Grund für die Erweiterung? Die derzeit scheinbar stabile Fahrweise der Kläranlage Weißenfels ändert nichts daran, dass die Kläranlage anhaltend über die Bemessungskapazität der Größenklasse 4 hinaus mit Schmutzfracht belegt ist. Eine derartige Überlastung birgt zudem stets die Gefahr, dass bei ungünstigen Betriebszuständen die für eine bestimmte Behandlungskapazität festgelegten Überwachungswerte überschritten werden. Der Bau von zwei Regenüberlaufbecken dient dazu, vorhandene Abschlagsbauwerke der Mischwasserkanalisation zu ersetzen. Der Aufgabenträger unterliegt - wie dargestellt - der Verpflichtung, die notwendigen Abwasseranlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten und zu betreiben. Die Regenüberlaufbecken dienen der Speicherung und kontrollierten Ableitung des in dieser Kanalisation zusammengefassten Niederschlags- und Schmutzwassers. Eine Synchronisation der Fahrweise des Kanalnetzes und der Kläranlage ist möglich, um so einen großen Anteil des Mischwassers auch bei Regenereignissen in der Kläranlage behandeln zu können. Der Bau dieser Regenüberlaufbecken ist im Generalentwässerungsplan der Stadt Weißenfels seit dem Jahr 1993 vorgesehen. Diese Maßnahme dient der Verringerung der Schmutzfrachteinleitung in den Vorfluter Saale. Die Behandlungskapazität der Kläranlage wird dadurch nicht erhöht. 7. Für die erweiterte Kläranlage wird laut Genehmigungsbescheid das Über- schreiten der Geruchsschwelle auf maximal 4 % der Jahresstunden festgelegt . Gleichzeitig ist eine Vorbehandlungsanlage in direkter Nähe geplant , für die laut Antrag auch 4 % vorgesehen sind. Darüber hinaus befinden sich weitere Geruchsquellen (Schlachthof mit Zerlegung und Darmbearbeitung, Viehtransportverkehr, Bäckerei, Wäscherei) in der Umgebung , die eine deutliche Vorbelastung darstellen. Wie bewertet die Landesregierung vor diesem Hintergrund die zu erwartende Gesamtgeruchsbelastung für die Anwohner, die an keinem umgebenden Wohn- /Mischgebietsstandort 10 % der Jahresstunden (GIRL) überschreiten sollte , wobei zahlreiche Emittenten zur hedonisch unangenehmsten Wahrnehmungskategorie gehören? Im Genehmigungsbescheid für die Erweiterung der Kläranlage Weißenfels wie im noch anhängigen Änderungsgenehmigungsverfahren sind die vorhandenen relevanten Geruchsquellen erfasst worden. Nach den Aussagen des Gutachters, der sich die Behörde unter Einschaltung des Fachverstands der oberen Immissionsschutzbehörde angeschlossen hat, ist die Einhaltung der in der GIRL zulässigen Belastung der Anwohner von max. 10 % der Jahresstunden zu erwarten. Hierbei ist gerade die hedonische Bewertung der einzelnen Geruchsquellen berücksichtigt worden. Durch entsprechen- 5 de Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid ist sichergestellt, dass die als Zusatzbelastung für die Wahrnehmungshäufigkeit der Gerüche an der Erkennungsschwelle ausgewiesenen Prognosewerte an den im Einwirkbereich der Anlage liegenden Immissionsorten nicht überschritten werden. Überdies ist festgelegt, dass nach Realisierung des Vorhabens entsprechende Messungen vorgenommen werden, die unter Beteiligung der Genehmigungsbehörde auszuwerten sind. Die Genehmigung wurde im Übrigen auch deswegen unter dem Vorbehalt weiterer nachträglicher Anordnungen hinsichtlich der Vorkehrungen gegen die Belästigung der Nachbarschaft durch Geruch erteilt. Die Fleischwerk Weißenfels GmbH beantragte gemäß § 16 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes den Bau und die Errichtung einer Abwasservorbehandlungsanlage in einem neu zu errichtenden Gebäude und eines Misch- und Ausgleichsbeckens sowie die Errichtung und den Betrieb einer Abluftreinigungsanlage (Biofilter). Die Antragstellerin hat den Einsatz einer zweistufigen Abluftreinigungsanlage (Biofilter) der Fa. Schulz Systemtechnik vorgesehen. Vom Hersteller wird ein Wirkungsgrad in Bezug auf Geruch von 300 Geruchseinheiten im Reingas und kein Rohgasgeruch wahrnehmbar garantiert. Das Landesamt für Umweltschutz hat die ausreichende Wirksamkeit der geplanten Abluftreinigungsanlage durch Angabe von Mindestminderungsgraden geprüft und bestätigt.