Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2330 01.08.2013 (Ausgegeben am 01.08.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dagmar Zoschke (DIE LINKE) Umsetzung Behindertengleichstellungsverordnung BGGVO LSA Kleine Anfrage - KA 6/7899 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Verordnung regelt u. a. die Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetschern in Verwaltungsverfahren etc. und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der in der UN-Behindertenrechtskonvention verankerten Verpflichtungen zur inklusiven Entwicklung der Gesellschaft. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales 1. In welchem Umfang wurden seit Inkrafttreten der BGGVO LSA insgesamt Leistungen nach Abschnitt 1 der Verordnung für Gebärdensprachdolmetscher und Kommunikationshelfer erbracht? Abschnitt 1 der Behindertengleichstellungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BGGVO LSA) gilt für alle natürlichen Personen, die als Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens wegen einer Hör- und Sprachbehinderung zur Wahrnehmung eigener Rechte für die mündliche und schriftliche Kommunikation eine/n Dolmetscher/in beanspruchen können. Hör- und sprachbehinderte Menschen haben bereits aufgrund zahlreicher Vorschriften in den Sozialgesetzbüchern das Recht auf Verständigung in Gebärdensprache. Aufwendungen für Dolmetscherleistungen sind von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen. Dolmetschende und Übersetzende erhalten nach § 19 Abs. 2 Satz 4 SGB X auf Antrag eine Vergütung in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes; die Behörde kann aber auch eine andere Vergütung vereinbaren. Bei der Ausführung von Sozialleistungen haben hörbehinderte Menschen nach § 17 Abs. 2 SGB I das 2 Recht, Gebärdensprache zu verwenden. Die für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger sind verpflichtet, die durch die Verwendung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen entstehenden Kosten zu tragen. § 19 Abs. 2 Satz 4 SGB X gilt entsprechend. Über das Sozialrecht hinaus sind inzwischen in vielen weiteren Rechtsgebieten z. B. im Beurkundungsrecht, Zivilprozessrecht, Strafprozessrecht oder im Bereich der Ordnungswidrigkeiten die Nutzung der Gebärdensprache, der Einsatz von Gebärdensprachdolmetschenden und Regelungen zur Kostenübernahme verankert. Aus vorstehenden Gründen sind bisher Leistungen auf der Rechtsgrundlage des Abschnitts 1 BGGVO LSA nur in wenigen Fällen in Anspruch genommen worden. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung zum 01. März 2012 wurden insgesamt Leistungen in Höhe von 1.306,63 Euro erbracht. 2. In welchen Haushaltstiteln werden die entsprechenden Leistungen ver- bucht? Die in der Antwort zu Frage Nr. 1 aufgeführten Kosten wurden aus dem Landeshaushalt Kapitel 0310 Titel 526 02 - Sachverständige - erstattet. 3. In welchen Ressorts wurden in wie vielen Fällen a) Gebärdensprachdolmetscher und b) Kommunikationshelfer in Anspruch genommen? Im Ministerium für Arbeit und Soziales wurden Gebärdensprachdolmetschende und Kommunikationshilfen nach Abschnitt 1 der BGGVO LSA in Anspruch genommen. Das Landesverwaltungsamt hat im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung für das Ministerium für Arbeit und Soziales im Haushaltsjahr 2012 die Kosten für Gebärdensprachdolmetschereinsätze in 3 Fällen und im Haushaltsjahr 2013 bis zum Stichtag 10. Juni 2013 die Kosten für Gebärdensprachdolmetschereinsätze in 4 Fällen übernommen . Es sind keine Fälle von Einsätzen anderer Kommunikationshilfen bekannt. 4. Welche Kosten sind dabei jeweils entstanden? Im Haushaltsjahr 2012 sind hierfür Kosten in Höhe von 815,75 Euro und im Haushaltsjahr 2013 sind bis zum Stichtag 10. Juni 2013 Kosten in Höhe von 490,88 Euro entstanden. 5. Welche berufsqualifizierenden Maßnahmen sind für die Tätigkeit eines Kom- munikationshelfers nachzuweisen, welche Abschlüsse werden anerkannt? In § 3 Abs. 2 Nr. 1 a bis d BGGVO LSA werden als Kommunikationshelferinnen und - helfer insbesondere Schriftdolmetschende, Simultanschriftdolmetschende, Oraldolmetschende und Kommunikationsassistentinnen und -assistenten benannt. Diese können nach Nr. 2 der Anlage 1 der BGGVO LSA eine höhere Vergütung erhalten, wenn sie eine abgeschlossene berufsqualifizierende Maßnahme für das Tätigkeitsfeld nachweisen. Dabei kommt es im Rahmen einer Einzelfallentscheidung darauf an, ob die berufsqualifizierenden Maßnahmen den speziellen Einsatz als Kommunikationshelferin bzw. Kommunikationshelfer für Menschen mit Behinderungen fördern. 3 Wie in der Antwort zu Nr. 3 bereits ausgeführt, sind bisher keine Kommunikationshelfereinsätze bekannt. Erfahrungen über anzuerkennende berufsqualifizierende Maßnahmen liegen daher zurzeit nicht vor. Allerdings haben der Deutsche GehörlosenBund e. V. sowie der Deutsche Schwerhörigenbund e. V. für die einzelnen Kommunikationshelferinnen und -helfer Standards und Qualifikationsanforderungen beschrieben . Hieran kann eine erste Orientierung erfolgen, um die o. g. Eignung zur Förderung des Einsatzes als Kommunikationshelferin oder Kommunikationshelfer zu beurteilen. 6. In welchem Umfang wurden seit Inkrafttreten der Verordnung insgesamt Leistungen nach Abschnitt 2 erbracht? Abschnitt 2 der BGGVO LSA gilt für alle natürlichen Personen, die als Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens wegen Blindheit oder einer anderen Sehbehinderung zur Wahrnehmung eigener Rechte einen Anspruch darauf haben, dass ihnen Dokumente (z. B. Bescheide, öffentlich rechtliche Verträge, Vordrucke) in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Die Geltendmachung dieses Anspruches bedarf keines formellen Antrages, sondern es genügt auch ein mündlicher Hinweis der anspruchsberechtigten Personen. Die Umwandlung eines herkömmlichen Dokuments in eine behindertengerecht wahrnehmbare Fassung ist als eine Dienstleistung zu verstehen. Der Anspruch auf eine derartige Dienstleistung wird nach derzeitigem Kenntnisstand innerhalb der Landesverwaltung kaum von den Berechtigten in Anspruch genommen. 7. Wie viele Personen haben Anträge auf Leistungen nach dieser Verordnung gestellt, wie viele haben Leistungen erhalten? Eine Erhebung der Personenzahl, für die Dienstleistungen nach dieser Verordnung erbracht werden, erfolgt nicht. Die Gewährung von finanziellen Leistungen erfolgte in 7 Fällen (siehe Antwort zu Frage Nr. 3). 8. In welchem Umfang sind bisher Maßnahmen nach Abschnitt 3 der Verord- nung ergriffen worden? Auf Landesebene wurden zahlreiche Maßnahmen zur Umsetzung des Abschnitts 3 der BGGVO LSA in Angriff genommen, die einen barrierefreien Zugang der verfügbaren Informationstechnik gewährleisten sollen. Die redaktionelle Gesamtverantwortung für das Landesportal ist der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt übertragen worden. Innerhalb einer gebildeten Arbeitsgruppe wirken auch Vertreterinnen und Vertreter aus den anderen Ressorts bei der Gestaltung und Umsetzung des Landesportals mit. So wurde zur Umsetzung der BGGVO LSA ein Leitfaden erarbeitet, der den Redakteurinnen und Redakteuren des Landesportals als Grundlage für deren Arbeit zur Verfügung steht. 4 Exemplarisch geht es um die Beachtung folgender redaktioneller Hinweise: • leicht verständliche Sprache, Texte und Grafiken, möglichst wenige Fremdwörter, kein Behördendeutsch, • übersichtliche und schlüssige Navigationsmechanismen und -strukturen, mög- lichst wenige Links, verständlich beschriftete Links, • alle audio- und visuellen Inhalte sind stets mit geeigneten äquivalenten Texten zu versehen, • sprachliche Besonderheiten, wie Wechsel der Sprache oder Abkürzungen sind erkennbar zu machen, • Tabellen sind ausschließlich zur Darstellung tabellarischer Daten zu verwenden, • keine aktiven Inhalte (Laufschrift oder Blinkende Bilder unterlassen). Die Umsetzung der Regelungen der BGGVO LSA ist in diesem Jahr eine Schwerpunktaufgabe der Zentralredaktion für das Landesportal. Die Redakteurinnen und Redakteure des Landesportals werden in den regelmäßig stattfindenden Zusammenkünften auf die Umsetzung der Verordnung und des Leitfadens hingewiesen und gegebenenfalls um Berichterstattung gebeten. Es erfolgt eine ständige Kontrolle und Überarbeitung bestehender Seiten im Landesportal unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Verordnung sowie die Neugestaltung der Startseite des Landesportals mit vereinfachter und übersichtlicher Struktur unter Anwendung der Gesichtspunkte der BGGVO LSA. Im Oktober 2012 wurde eine Prüfung ausgesuchter Seiten des Landesportals auf Barrierefreiheit durch einen externen Dienstleister in Auftrag gegeben. Die Testergebnisse zeigten, dass das Landesportal in Hinblick auf Barrierefreiheit keine gravierenden Mängel erkennen lässt. Auch die Videobotschaften des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt im YouTube-Kanal des Landes sind mittels Gebärdensprache für Gehörlose und schwerhörige Menschen zugänglich und damit in diesem Bereich barrierefrei. Darüber hinaus sind im Hochschulbereich im Land Sachsen-Anhalt die nachfolgenden Maßnahmen zur Gestaltung eines barrierefreien Zugangs zur Informationstechnik ergriffenen worden: Hochschule Merseburg: Der Webauftritt der Hochschule Merseburg wurde im Jahr 2009 neu gestaltet. Dabei wurden die zu dieser Zeit geltenden Vorgaben der Barrierefreiheit bereits berücksichtigt . Hochschule Anhalt: Der Web-Auftritt wird schrittweise neu gestaltet, auch unter Berücksichtigung von Vorgaben der Barrierefreiheit. Folgende Aspekte sind angedacht: • Verzicht auf Tabellen für Layoutzwecke, • Verbesserung des Kontrastes zwischen Text und Hintergrund, • Navigation semantisch korrekt, • Nutzung von Alternativtexten bei Bildern und Titeltexten bei Links, • „sprechende URLs“ geben Hinweise auf den Inhalt der Seiten, 5 • semantisch korrekte Auszeichnung des Contents, • keine Verwendung von Bildern für Layoutzwecke, • Funktionsfähigkeit ohne JavaScript, • Verzicht auf Captchas. Hochschule Magdeburg-Stendal: Mit der Neugestaltung des Hochschulauftritts werden die grundsätzlichen Anforderungen einer barrierefreien Informationstechnik geschaffen. Als Grundlage und Orientierung dienen die Kriterien des BIENE-Awards, eine Initiative der „Aktion Mensch“ und der Stiftung „Digitale Chancen“. Dabei geht es um die Realisierung wichtiger Eckpunkte wie: • einheitliches Layout, • intuitive Navigation, • einfache, verständliche Sprache, • Kontrastschärfe der Bildsprache und Typografie, • Bedienbarkeit und Wahrnehmbarkeit von Elementen, • standardisierte Programmierung. Martin-Luther-Universität: Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat nach einjähriger Projektlaufzeit im März 2008 den universitären Internetauftritt und das zugrunde liegende zentrale Content -Management-System entsprechend den Anforderungen der Barrierefreie-Informationstechnik -Verordnung (BITV, Priorität I und - soweit relevant für die Inhalte der MLU-Website - Priorität II) neu aufgesetzt. Ebenso wurden und werden seitdem weitere wichtige solitäre Internetauftritte und Navigationsangebote der Universität unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit konzipiert und realisiert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist daher ein sehr hohes Niveau der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu konstatieren. Entsprechend den technischen Weiterentwicklungen erfolgt in Abhängigkeit von den jeweils zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen und finanziellen Mitteln eine sequentielle Anpassung der aktuellen und zukünftigen Lösungen ; Schulungen und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeschlossen . In Zusammenarbeit des neu eingerichteten Zentrums für multimediales Lehren und Lernen und der Forschungsstelle für Menschen mit kommunikativer Behinderung (FST) wurde eine Überprüfung der für Studierende der MLU relevanten ITAnwendungen auf Barrierefreiheit besprochen und - soweit erforderlich - deren Umgestaltung geplant.