Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2344 09.08.2013 (Ausgegeben am 12.08.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dagmar Zoschke (DIE LINKE) Soziale, juristische und wirtschaftliche Bilanz des Schwarzfahrens in SachsenAnhalt Kleine Anfrage - KA 6/8006 Vorbemerkung des Fragestellenden: Ein wesentlicher Ausdruck für soziale Integration ist die Mobilität. Die Frage nach den Kosten für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nimmt hierbei eine Schlüsselstellung ein. Unstrittig ist, dass hohe Preise und niedrige Einkommen Faktoren sind, die das gesellschaftliche Phänomen des Schwarzfahrens deutlich erhöhen . Insofern sind strenge Konsequenzen, die sozial Benachteiligte durch hohe Strafgelder oder sogar Haftstrafen erfahren, umstritten. Presseberichte über Justizvollzugsanstalten in Großstädten wie Berlin oder Hamburg, in denen bis zu einem Drittel der Inhaftierten aufgrund des Deliktes der „Beförderungserschleichung“ Haftstrafen verbüßen, haben diese Frage ebenso aufgeworfen, wie Einzelmeldungen über 16-jährige Jugendliche in Rostock und Magdeburg oder einer 86-jährigen Rentnerin in Nordrhein-Westfalen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr: Vorbemerkung: In Sachsen-Anhalt sind die Landkreise und kreisfreien Städte gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Sachsen-Anhalt (ÖPNVG LSA) Aufgabenträger für den Straßenpersonennahverkehr. Gemäß § 7 ÖPNVG LSA obliegt dem Land Sachsen-Anhalt die Aufgabenträgerschaft für den Schienenpersonennahverkehr. Um diese Verkehre möglichst gut aufeinander abzustimmen , haben sich gebietsübergreifende Zusammenschlüsse von Aufgabenträgern wie auch von Verkehrsunternehmen (Verbünde) gebildet. 2 In Sachsen-Anhalt existieren zwei Verkehrsverbünde. Dabei handelt es sich um den Mitteldeutschen Verkehrsverbund (Raum Halle/Leipzig), der auch Teile von Sachsen und Thüringen erfasst und um den seit 2010 bestehenden Verkehrsverbund marego im Raum Magdeburg. Beide Verbünde zusammen erfassen nur ein Teilgebiet des Landes. Die Verbünde entscheiden selbständig über die Erhebung von Statistiken. Teilweise werden solche, wenn überhaupt, von den einzelnen Mitgliedsunternehmen für ihren jeweiligen Bereich geführt, aber nicht zusammengeführt. Eine Verpflichtung zur Führung von entsprechenden Statistiken sowie eine Auskunftspflicht gegenüber der Landesverwaltung bestehen nicht. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: 1. Wie viele Fahrgäste wurden zwischen 2000 und 2012 in den jeweiligen kommunalen Verkehrsverbünden im ÖPNV in Sachsen-Anhalt befördert? Bitte aufschlüsseln nach Verkehrsverbünden und Jahren. Fahrgäste pro Jahr in Mio MDV marego 2002 137,7 2003 135,3 2004 138,1* 2005 163,7** 2006 172,5 2007 170,3 2008 168,4 2009 171,2 2010 173,2 63.3 2011 175,1*** 66.2 2012 172,1 66.5 * - Verbunderweiterung 2004 um Burgenlandkreis, WSF, MTL, TO, DL ** - Verbunderweiterung 2005 um Altenburg *** - ab 08/2011 Austritt Alt-Landkreis Döbeln aus dem MDV (Übergangstarif) 2. Wie viele Fahrgäste wurden in den Jahren zwischen 2000 und 2012 bei Kon- trollen des ÖPNV in Sachsen-Anhalt ohne gültigen Fahrschein angetroffen? Bitte aufschlüsseln nach Verkehrsverbünden und Jahren. Daten zu so genannten Schwarzfahrern werden nicht verbundweit erfasst. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 3 3. Bei wie vielen der in Frage zwei genannten Personen war die Strafzahlung nicht einzutreiben? Bitte aufschlüsseln nach Verkehrsverbünden und Jahren . Zur Zahl der Fahrgäste ohne gültigen Fahrschein, bei denen das erhöhte Beförderungsentgelt nicht einzutreiben war, liegen den Verkehrsunternehmen in der Regel keine Daten vor. Dies liegt auch daran, dass häufig Inkassounternehmen mit der Verfolgung beauftragt werden (Forderungsverkauf) oder Daten über solche Verfahren aufgrund des unterschiedlichen Verlaufs und der teilweisen langen Verfahrensdauer nicht erhoben werden. Außerdem wird hierin von den Unternehmen/Verbünden keine Möglichkeit zur Erfolgsoptimierung gesehen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 4. Wie viele Personen wurden zwischen 2000 und 2012 in Sachsen-Anhalt we- gen Schwarzfahrens/„Beförderungserschleichung“ verurteilt: a) zu einer Geldstrafe? b) zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung? c) zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, sowie den Personendaten: Alter und Geschlecht . Verurteilungen wegen „Beförderungserschleichung“ werden in der Strafverfolgungsstatistik nicht gesondert ausgewiesen. Statistisch erfasst werden nur Verurteilungen wegen Erschleichens von Leistungen (§ 265 a StGB) insgesamt. Das Erschleichen der Beförderung durch ein Verkehrsmittel ist lediglich eine von insgesamt vier Tatbestandsvarianten des § 265a StGB. Zur Beantwortung der Frage wäre daher eine manuelle Auswertung des gesamten Aktenbestandes der Staatsanwaltschaften erforderlich, die angesichts ihrer vordringlichen Aufgaben, eine effektive Strafverfolgung sicherzustellen, nicht geleistet werden kann. 5. Wie viele Personen, die wegen Schwarzfahrens/„Beförderungserschleichung “ verurteilt wurden, haben zwischen 2000 und 2012 in SachsenAnhalt : a) eine Haftstrafe verbüßt? Wie viele Personen, die wegen „Beförderungserschleichung“ verurteilt wurden, in Sachsen-Anhalt eine Freiheitsstrafe verbüßt haben, weist die Strafvollzugsstatistik nicht aus. 4 b) Ersatzstunden geleistet? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, sowie den Personendaten: Alter und Geschlecht . Eine separate Erfassung nach Delikten, Alter, Geschlecht wird bei der Erhebung der Daten zum Programm „ Schwitzen statt Sitzen“ auf das sich diese Frage beziehen dürfte, nicht durchgeführt. 6. Wie viele Personen wurden zwischen 2000 und 2012 in Sachsen-Anhalt wegen Betrugs bestraft, weil sie im Besitz eines falschen, nicht gültigen oder nur für bestimmte Zeit gültigen Fahrscheins waren: a) zu einer Geldstrafe? b) zu einer Haftstrafe? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, sowie den Personendaten: Alter und Geschlecht . 7. Wie viele der in Frage sechs genannten Personen verbüßten zwischen 2000 und 2012 eine Haftstrafe: a) von unter sechs Monaten? b) zwischen sechs und zwölf Monaten? c) von mehr als zwölf Monaten? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, sowie den Personendaten: Alter und Geschlecht . Betrugsstraftaten im Zusammenhang mit Besitz bzw. Vorzeigen eines falschen, nicht gültigen oder nur für eine bestimmte Zeit gültigen Fahrscheins werden statistisch nicht gesondert erfasst. 8. Wie hoch beziffert die Landesregierung die Kosten, die in Sachsen-Anhalt zwischen 2000 und 2012 in den einzelnen Jahren durch die juristischen Konsequenzen des Schwarzfahrens entstanden sind (ggf. nur nach Schätzung ) inklusive Behördenaufwand, Strafverfahren usw.? Zu Frage 8 liegen keine Erkenntnisse vor.