Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2355 15.08.2013 (Ausgegeben am 15.08.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dagmar Zoschke (DIE LINKE) Barrierefreie Zugänglichkeit der Wahllokale in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8005 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Antwort einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 27. Mai 2009 (Drs. 5/1988) hieß es: „Nach Ansicht der Landesregierung kann die Barrierefreiheit lediglich schrittweise, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Kommunen verwirklicht werden.“ Zu diesem Zeitpunkt war die UN-Behindertenrechtskonvention gerade seit zwei Monaten in Kraft. Für die zurückliegenden Wahlen aus den Jahren 2005 (Bundestag) und 2006 (Landtag) wurde angegeben, dass lediglich ca. 38 % der Wahllokale barrierefrei zugänglich waren. Von Interesse ist nun, wie sich die als „schrittweise“ bezeichnete Entwicklung darstellt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Wahllokale sind nach Kenntnis der Landesregierung a) zur Eu- ropa- und Kommunalwahl im Juni 2009, b) zur Bundestagswahl im September 2009 sowie c) zur Landtagswahl im März 2011 eingerichtet worden und wie viele waren für mobilitätseingeschränkte Bürgerinnen und Bürger barrierefrei zugänglich? In Sachsen-Anhalt waren zur Europawahl am 7. Juni 2009 insgesamt 2 395 Wahllokale und zur Bundestagswahl am 27. September 2009 insgesamt 2 389 Wahllokale eingerichtet. Die Anzahl der für mobilitätseingeschränkte Bürgerinnen und Bürger barrierefrei zugänglichen Wahllokale ist der Landesregierung nicht bekannt. Hinsichtlich der zeitgleich mit der Europawahl durchgeführten Kommunalwahlen liegen der Landesregierung keine Angaben zu den eingerich- 2 teten Wahllokalen vor. Zur Landtagswahl am 20. März 2011 waren insgesamt 2 350 Wahllokale eingerichtet. Nach dem Ergebnis einer Erhebung, die der Beauftragte der Landesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen vor der Landtagswahl durchgeführt hat, waren 964 Wahllokale, also rund 41 % der landesweit eingerichteten Wahllokale, barrierefrei. 2. Mit welchen Maßnahmen (Informationen, Investitionshilfen oder Sonsti- ges) hat die Landesregierung sichergestellt bzw. wird die Landesregierung sicherstellen, dass zur Bundestagswahl im September 2013 alle wahlberechtigten Menschen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt ihr Wahlrecht möglichst ohne fremde Hilfe am Wahltag wahrnehmen können? Die Landesregierung hat im Rahmen der vom Landeswahlleiter nach dem Bundeswahlgesetz (BWG) und der Bundeswahlordnung (BWO) durchzuführenden Bundestagswahl am 22. September 2013 keine Zuständigkeiten. Die Beantwortung der Fragen 2 bis 4 erfolgt daher im Einvernehmen mit dem Landeswahlleiter des Landes Sachsen-Anhalt. Für die Auswahl von Wahlräumen sind gemäß § 46 BWO ausschließlich die Gemeinden zuständig. Danach haben die Gemeinden, soweit möglich, Wahlräume in Gemeindegebäuden zur Verfügung zu stellen. Die Wahlräume sollen nach den örtlichen Verhältnissen so ausgewählt und eingerichtet werden, dass allen Wahlberechtigten, insbesondere behinderten und anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. Die Gemeindebehörden teilen frühzeitig und in geeigneter Weise mit, welche Wahlräume barrierefrei sind. Vorgaben für die von den Gemeinden zu versendenden Wahlbenachrichtigungen enthalten § 19 Absatz 1 BWO sowie die Musterwahlbenachrichtigung für die Bundestagswahl in Anlage 3 zur BWO. Danach ist für jeden Wahlraum anzugeben, ob er barrierefrei oder nicht barrierefrei ist. Darüber hinaus müssen in der Wahlbenachrichtigung erstmalig zur Bundestagswahl 2013 die Telefonnummern, unter der die Wahlberechtigten Auskünfte zu barrierefreien Wahlräumen und zu Hilfsmitteln für Blinde und Sehbehinderte erhalten, angegeben werden. Damit können alle wahlberechtigten Menschen mit Behinderungen selbst entscheiden, ob sie ein behindertengerechtes Wahllokal aufsuchen (gegebenenfalls mit einem Wahlschein) oder per Briefwahl an der Bundestagswahl teilnehmen. Blinde oder sehbehinderte Wählerinnen und Wähler, die sich bei der Stimmabgabe nicht der Hilfe einer anderen Person bedienen wollen, können sich bei der Bundestagswahl zur Kennzeichnung des Stimmzettels auch einer Stimmzettelschablone (Wahlschablone) bedienen (§ 57 Absatz 4 BWO). Die Stimmzettel, die von den Kreiswahlleitern für die Bundestagswahl zu beschaffen sind, sollen den vom Bundeswahlleiter empfohlenen Standardmaßnahmen entsprechen, damit bundesweit einheitliche Stimmzettelschablonen hergestellt werden können . Die Stimmzettel sollen daher durch ein eingestanztes Loch am oberen rechten Rand landesweit identisch gekennzeichnet werden, um blinden und sehbehinderten Wählerinnen und Wählern das selbständige und passgenaue Einlegen des Stimmzettels in eine Wahlschablone zu ermöglichen und den Stimmzettel unbeobachtet und eigenständig auszufüllen. Wahlschablonen werden vom Blinden- und Sehbehinderten-Verband Sachsen-Anhalt e. V. verteilt 3 und können dort kostenfrei angefordert werden. Die Herstellung und die Verteilung der Stimmzettelschablonen werden vom Bund finanziert. Hinsichtlich der Gestaltung der Stimmzettel fordert die Bundeswahlordnung in § 45 Absatz 5 darüber hinaus, dass Schriftart, Schriftgröße und Kontrast auf den Stimmzetteln so gewählt werden sollen, dass für Wählerinnen und Wähler mit eingeschränkter Sehfähigkeit die Lesbarkeit erleichtert wird. Der Landeswahlleiter hat auf Bitte des Kompetenzzentrums für Barrierefreiheit in Sachsen-Anhalt die Kreiswahlleiter für die Bundestagswahl mit Schreiben vom 26. Juli 2013 gebeten, die Gemeinden in ihren Wahlkreisen (Wahlkreise 66 bis 74) über die vom Kompetenzzentrum geplante Fragebogenaktion zur Barrierefreiheit der Bundestagswahl in Kenntnis zu setzen. In dem Fragebogen zur Barrierefreiheit der Bundestagswahl 2013, der inhaltlich mit dem Landeswahlleiter abgestimmt worden ist, geht es im ersten Teil um die Barrierefreiheit der Informationen zur Stimmabgabe (Wahlbenachrichtigung, barrierefreie Wahllokale, Briefwahlunterlagen, Stimmzettel und Wahlschablonen für blinde und sehbehinderte Menschen). Der zweite Teil des Fragenkatalogs betrifft die Barrierefreiheit im Wahllokal. Der dritte Teil des Fragebogens enthält allgemeine Hinweise zum Hintergrund der Fragebogenaktion sowie die Kontaktdaten des Kompetenzzentrums. Die Kreiswahlleiter wurden gebeten, darauf hinzuwirken, dass die Wahlvorstände vor Ort ebenfalls rechtzeitig über die Fragebogenaktion informiert werden. Der Landeswahlleiter hat außerdem praktische Hinweise gegeben , damit zum einen die Fragebogenaktion durch das alleinverantwortliche Kompetenzzentrum reibungslos durchgeführt werden kann und gleichzeitig sichergestellt ist, dass die Bundestagswahl, die nicht mit der Fragebogenaktion verknüpft ist, in den Gemeinden und Wahllokalen ordnungsgemäß durchgeführt wird. 3. Welche Maßnahmen waren oder sind darüber hinaus aus Sicht der Lan- desregierung mit den Kommunen zu ergreifen, damit bis zur Bundestagswahl im September die Wahllokale barrierefrei (sowohl für mobilitäts- als auch für sinnesbehinderte Bürgerinnen und Bürger) nutzbar sind? Die Wahllokale für eine Bundestagswahl müssen im Regelfall nur alle vier Jahre bereitgestellt werden. Dazu werden Räume in Gebäuden genutzt, die ansonsten eine andere Zweckbestimmung haben (zum Beispiel Schulen, Rathäuser). Die Gemeinden sind grundsätzlich bemüht - auch in Abstimmung mit den Behindertenbeauftragten vor Ort - barrierefreie Wahlräume zur Verfügung zu stellen . Die Durchführung von Baumaßnahmen einschließlich der Maßnahmen zur Verbesserung des barrierefreien Zugangs in Gemeindegebäuden kann durch die Gemeinden aber nur im Rahmen der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel erfolgen. Aufgrund dieser finanziellen Grenzen wird die Schaffung der Barrierefreiheit , insbesondere in Altbauten, auch weiterhin nur schrittweise und über einen längeren Zeitraum, keinesfalls aber bis zur Bundestagswahl am 22. September 2013 umzusetzen sein. Die Landesregierung wirkt im Rahmen ihrer Zuständigkeit darauf hin, dass sich der Anteil barrierefreier Wahllokale schrittweise erhöht. Das Kriterium der Barrierefreiheit wurde in der Bauordnung und im Behindertengleichstellungsgesetz des Landes verankert. Dieser Rechtsrahmen gilt für die Herstellung der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr sowie für die Bereitstellung von barrierefreien Wahlräumen. 4 In Vorbereitung der Bundestagswahl im September erfolgt eine Sensibilisierung der Kommunen sowohl im Hinblick auf die Auswahl barrierefreier Wahlräume als auch zum möglichen Einsatz von Wahlschablonen. Hinweise hierzu hat der Landeswahlleiter in seiner Bekanntmachung vom 12. Juni 2013 (MBl. LSA S. 283) zur Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl 2013 gegeben . Im Übrigen wird auf die Fragebogenaktion des Kompetenzzentrums für Barrierefreiheit in Sachsen-Anhalt verwiesen (vgl. Frage 2). 4. Welche Pläne bzw. Ziele für weitere Schritte zum Abbau von Barrieren hat sich die Landesregierung für die Europa- und Kommunalwahlen 2014 sowie für die Landtagswahl 2016 erarbeitet bzw. gesetzt? Die Landesregierung wird entsprechend der Zielformulierung im Landesaktionsplan Sachsen-Anhalt zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorgehen (Beschluss der Landesregierung vom 15. Januar 2013). Danach wird das für Wahlen zuständige Ministerium gemeinsam mit dem Landeswahlleiter den Kommunen als Wahlbehörden einen aktualisierten Runderlass zur Vorbereitung und Durchführung der Europawahl 2014 und der gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen zur Verfügung stellen. Vor der Landtagswahl 2016 wird die Landesregierung prüfen, inwieweit das Wahlrecht im Land gewährleistet, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben können. Neben den Maßnahmen zur Sicherstellung des aktiven Wahlrechts arbeitet sie daran, barrierefrei zugängliche Informationen bereitzustellen , die Menschen mit Behinderungen über ihr passives Wahlrecht aufklären und sie bei der Wahrnehmung dieses Rechts unterstützen. Der Landeswahlleiter wird die langjährige Zusammenarbeit mit dem Blindenund Sehbehinderten-Verband Sachsen-Anhalt e. V. sowie die in diesem Jahr begonnene Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum weiter fortsetzen.