Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2358 20.08.2013 (Ausgegeben am 20.08.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Christoph Erdmenger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordneter Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aufenthalts- und Niederlassungsgenehmigungspraxis in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8014 Vorbemerkung des Fragestellenden: Aufgrund der negativen demographischen Entwicklung besitzt Zuwanderung einen zentralen Stellenwert für Sachsen-Anhalt. Insbesondere für Zuwanderung aus NichtEU -Ländern (Drittstaaten) bestehen jedoch Vorbedingungen, die mit erheblichen finanziellen Hürden verbunden sind sowie oftmals eine Zuwanderung erschweren oder sogar verhindern. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Aufgrund der negativen demographischen Entwicklung besitzt Zuwanderung einen zentralen Stellenwert für Sachsen-Anhalt. Insbesondere für Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern (Drittstaaten) bestehen jedoch Vorbedingungen, die mit erheblichen finanziellen Hürden verbunden sind sowie oftmals eine Zuwanderung erschweren oder sogar verhindern. 1. In wie vielen Fällen wurden seit 2008 Anträge auf eine Aufenthalts- bzw. Niederlassungsgenehmigung bei den zuständigen Behörden in SachsenAnhalt gestellt? Bitte in Jahresscheiben sowie nach Herkunftsländern für Sachsen-Anhalt aufführen. 2. In wie vielen Fällen und mit welchem Ergebnis wurden seit 2008 Anträge auf eine Aufenthaltserlaubnis, -gewährung oder Niederlassungserlaubnis nach den §§ 16, 17, 18, 18a, 18b, 18c, 19, 19a, 20, 21, 22, 23, 23a, 24 2 und 25 des AufenthG (Aufenthaltsgesetz) bei den zuständigen Behörden in Sachsen-Anhalt gestellt? Bitte in Jahresscheiben nach Landkreisen bzw. kreisfreien Städten sowie nach Herkunftsländern aufführen. 3. In wie vielen Fällen wurden seit 2008 Antragsstellerinnen und Antragstel- lern eine Aufenthalts- bzw. Niederlassungsgenehmigung von den zuständigen Ausländerbehörden versagt bzw. abgelehnt, da die Sicherung des Lebensunterhaltes (z. B. mangels eigenen Einkommens oder fehlender Bürgschaft) nicht gewährleistet war und deshalb die Gefahr attestiert wurde, dass dadurch eine Last für die Grundsicherungskassen entsteht? Bitte in Jahresscheiben sowie nach Herkunftsländern für SachsenAnhalt aufführen. 4. In wie vielen Fällen wurden seit 2008 Antragstellerinnen und Antragstel- lern eine Aufenthalts- bzw. Niederlassungsgenehmigung von den zuständigen Ausländerbehörden gewährt, in denen die Sicherung des Lebensunterhaltes nachgewiesen war? Bitte in Jahresscheiben sowie nach Herkunftsländern in Sachsen-Anhalt aufführen. 5. In wie vielen der unter Ziffer 4 genannten Fälle waren die Bürgen das Land Sachsen-Anhalt, Kommunen, öffentliche Institutionen/Einrichtungen , Kirchen, Verbände, Unternehmen, Familienangehörige sowie sonstige Privatpersonen? Bitte im Einzelnen differenzieren sowie das Herkunftsland angeben. Antwort auf die Fragen 1 bis 5: Darüber liegen keine statistischen Daten vor. Eine Ermittlung der erfragten Sachverhalte könnte daher nur im Wege einer umfangreichen Einzelauswertung der entsprechenden Ausländerakten bei sämtlichen Ausländerbehörden des Landes erfolgen, wovon mit Blick auf den damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen wurde. Darüber hinaus wäre aufgrund von Fluktuation (Umzüge, Ausreisen) und damit einhergehender Aktenabgabe bei längst nicht mehr allen im erfragten Zeitraum im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörden registrierten Ausländern der aufenthaltsrechtliche Werdegang nachvollziehbar . 6. Welche Regelungsnormen (Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und Erlasse) bestehen im Einzelnen in Bezug auf die Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland und Sachsen-Anhalt und was ist ihr wesentlicher Regelungsinhalt? Eine geregelte Zuwanderung erfolgt durch legale Einreise, also Einreise im Visumverfahren oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach erlaubter visumfreier Einreise . Daneben erfolgt eine ungeregelte Zuwanderung durch den Verbleib von Flüchtlingen aufgrund der Anerkennung als politisch Verfolgter, der Zuerkennung von Abschiebungsschutz oder durch Bleiberechtsregelungen des Bundes und der Länder. Darüber hinaus kann sich ein Verbleib auch aufgrund aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen (z. B. aufgrund des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie) ergeben . 3 Die Voraussetzungen für Einreise und Verbleib sind im Wesentlichen in dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) und den auf der Grundlage des Gesetzes beschlossenen Verordnungen, insbesondere der Aufenthaltsverordnung und der Beschäftigungsverordnung , geregelt. Der Vollzug des Aufenthaltsgesetzes wird bundeseinheitlich durch die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz gesteuert. Das Aufenthaltsgesetz eröffnet den Bundesländern in § 23 AufenthG die Möglichkeit zur Aufenthaltsgewährung bei besonders gelagerten politischen Interessen und in Härtefällen. Auf dieser Grundlage hat die Innenministerkonferenz Aufnahme- und Bleiberechtsregelungen für mehrere Personengruppen beschlossen. Das Bundesministerium erteilte jeweils sein erforderliches Einvernehmen. Das Land hat die Aufnahme - und Bleiberechtsregelungen durch Erlasse umgesetzt. Die seit 2005 beschlossenen und im Wesentlichen noch fortgeltenden Erlassregelungen zu dieser Thematik sind in der nachfolgenden Übersicht zusammengestellt: - Personengruppe Regelungsinhalt Jüdische Zuwanderer Aufnahme jüdischer Zuwanderer und ihrer Familienangehö- rigen aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der baltischen Staaten. Ehemalige Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina , Serbien und Montenegro Anschlussregelung für ehemalige Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro, denen bereits ein Bleiberecht gewährt worden war. Abgelehnte Spätaussiedlerbewerber Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ehemalige Spätaussiedlerbewerber , denen keine Bescheinigung nach § 15 BVFG ausgestellt wurde. Bleiberecht für ausländische Flüchtlinge Bleiberecht für ausländische Flüchtlinge und ihre Familienangehörigen , die sich am 17. November 2006 ununterbrochen mindestens 6 bzw. 8 Jahre im Bundesgebiet aufhielten. Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ Aufenthaltsrecht für ausländische Flüchtlinge und ihre Familienangehörigen , die die Verlängerungsvoraussetzungen für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ nach der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG nicht erfüllen. Irakische Flüchtlinge Aufnahme von 2500 in Syrien und Jordanien aufhältigen besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen aus dem Irak in Deutschland im Jahr 2009. Ehemalige „unechte Ortskräfte“ Bleiberecht für die nicht entsandten Mitglieder des Verwaltungs - und technischen Personals einer fremden Mission und ihrer Familienangehörigen. Nach Malta geflüchtete Personen Aufnahme von 100 nach Malta geflüchteter Personen, die in Malta als Flüchtlinge anerkannt waren oder dort subsidiären Schutz genossen in Deutschland im Jahr 2010. Im Flüchtlingslager Shousha/Tunesien aufhältige Personen Resettlement-Aufnahme von 200 Personen in Deutschland, die aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Jahr 2011 in Libyen nach Tunesien geflüchtet waren und sich im Flüchtlingslager Shousha aufhielten im Jahr 2012. 4 Irakische Flüchtlinge Resettlement-Aufnahme von 200 irakischen Personen, die sich in der Türkei aufhielten, vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannt waren und von diesem für die Aufnahme vorgeschlagen worden sind in den Jahren 2012 und 2013 (Aufnahme noch nicht abgeschlossen). Syrische Studierende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG an syrische Studierende, die sich bereits seit spätestens 1. Februar 2013 mit einer Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken in Deutschland aufhielten, wenn ihr Lebensunterhalt nicht mehr gesichert war. Schutzbedürftige aus Syrien und den Anrainerstaaten Syriens Vorübergehende Aufnahme von 5000 im Wesentlichen im Libanon aufhältigen besonders schutzbedürftigen syrischen Flüchtlingen für die Dauer des Konflikts in Syrien im Jahr 2013 (Aufnahmeaktion noch nicht abgeschlossen). Daneben hat das Land durch die Härtefallkommissionsverordnung die Möglichkeit des Verbleibs dann eröffnet, wenn die Härtefallkommission für ausreisepflichtige Ausländer aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen ein Härtefallersuchen beschließt und den Innenminister um Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG ersucht. 7. In wie vielen Fällen seit 2008, in denen Antragsstellerinnen und Antragstellern eine Aufenthalts- bzw. Niederlassungsgenehmigung von den zuständigen Ausländerbehörden gebilligt worden ist, wurden die Grundsicherungskassen im Nachhinein belastet? Wie hoch waren diese finanziellen Belastungen der Grundsicherungskassen insgesamt sowie pro Person? In wie vielen Fällen wurden dabei die öffentlichen Kassen mit Rückführungskosten belastet? Bitte in Jahresscheiben sowie nach Herkunftsländern für Sachsen-Anhalt aufführen. Es wird auf die Ausführungen zu den Fragen 1 bis 5 verwiesen. 8. Welche Gründe führen über den Nachweis der Lebensunterhaltssicherung hinaus regelmäßig zur Ablehnung einer Aufenthalts- bzw. Niederlassungsgenehmigung ? Bitte im Einzelnen nach Fallzahlen differenzieren . Weitere regelmäßige Gründe für die Ablehnung einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis sind z. B. Ausweisungsgründe (u. a. Straftaten), ungenügende Sprachkenntnisse, ungeklärte Identitäten sowie unzureichende Voraufenthaltszeiten. Eine Ermittlung von Fallzahlen könnte nur im Wege einer umfangreichen Einzelauswertung der entsprechenden Ausländerakten bei sämtlichen Ausländerbehörden des Landes erfolgen, wovon mit Blick auf den damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen wurde. 9. In welcher betragsmäßigen Höhe und in welcher Form (z. B. Einkommens -/Vermögensnachweise, Bürgschaftserklärungen, eidesstattliche Erklärungen) wird in der Regel der Nachweis der Lebensunterhaltssiche- 5 rung als Zuwanderungsvoraussetzung gefordert? Bitte ggf. Fallkonstellationen unterscheiden. Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben das Kindergeld, der Kinderzuschlag, das Elterngeld und das Betreuungsgeld sowie Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und öffentliche Mittel außer Betracht, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (z. B. Stipendien). Die betragsmäßige Höhe ist abhängig vom Einzelfall und kann nicht pauschal beziffert werden. In der Regel sind Berechnungsgrundlage die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - festgelegten Regel- und Mehrbedarfe sowie Unterkunftskosten. Darüber hinaus sind sonstige Aufwendungen - z. B. Unterhaltszahlungen - zu berücksichtigen . Bei Aufenthalten zu Studien- oder Forschungszwecken gelten separate Regelungen . Für diese Personengruppen gibt das Bundesministerium des Innern jährlich im Bundesanzeiger Mindestbeträge bekannt. Diese belaufen sich im Kalenderjahr 2013 auf 659,00 € (Studenten) bzw. 1516,67 € (Forscher in den neuen Bundesländern ). Die Form des Nachweises ist abhängig von Aufenthaltszweck und beabsichtigter Aufenthaltsdauer sowie weiteren persönlichen Umständen. Denkbar sind z. B. Lohnabrechnungen , Einkommenssteuerbescheide, Vermögensnachweise, Arbeitsverträge und Sperrkonten. Bürgschaften Dritter sind in Form einer Verpflichtungserklärung abzugeben (§ 68 Aufenthaltsgesetz). Die Verpflichtung beinhaltet die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden müssen, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. 10. Für welchen Zeitraum ist die Lebensunterhaltssicherung nachzuweisen? Wann endet die Nachweispflicht zur Lebensunterhaltssicherung, z. B. durch Aufnahme einer Erwerbsarbeit oder Zahlung von Steuern? Die Fähigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts darf nicht nur vorübergehend sein. Demnach ist vor der Erteilung eines Aufenthaltstitels eine Prognoseentscheidung erforderlich, ob der Lebensunterhalt des Ausländers für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts gesichert ist. Dafür sind geeignete Nachweise vorzulegen. Zudem finden auf die Verlängerung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich die gleichen Vorschriften Anwendung wie bei der Erteilung. Eine Nachweispflicht besteht daher solange fort, wie die im Einzelfall einschlägige aufenthaltsrechtliche Regelung eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes voraussetzt. Die Nachweispflicht zur Lebensunterhaltssicherung endet mit der Erteilung der (unbefristeten ) Niederlassungserlaubnis.