Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/238 19.07.2011 (Ausgegeben am 20.07.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Guido Henke (DIE LINKE) Erhaltungsaufwendungen beim selbstgenutzten Wohneigentum als Bestandteil der Kosten der Unterkunft Kleine Anfrage - KA 6/7057 Vorbemerkung des Fragestellenden: Leistungsbezieher nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) erhalten auch Geldleistungen für die Kosten der Unterkunft. Zu den Kosten der Unterkunft gehören bei einem selbstgenutzten vermögensgeschützten Wohneigentum die Kosten der Instandsetzung und -haltung (vgl. u. a. Beschluss Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 6. Juli 2010, AZ: L 5 AS 136/10 B ER). Diese müssen notwendig und angemessen sein und dürfen nicht zur Wertsteigerung des Wohneigentums führen. Als notwendige Kosten bewertet das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt auch Aufwendungen für bauliche Veränderungen der Abwasserbeseitigungsanlagen, wenn die Nutzung des Wohneigentums ohne diese baulichen Maßnahmen - etwa durch eine behördliche Nutzungsuntersagung - unmöglich würde. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales Vorbemerkung: Der in der Vorbemerkung des Abgeordneten Henke zitierte Beschluss des Landessozialgerichts beruht auf alter Rechtslage. In der seit dem 1. April 2011 geltenden Fassung des hier einschlägigen § 22 SGB II hat der Gesetzgeber in Abs. 2 einige Klarstellungen im Hinblick auf die anzuerkennenden Kosten der Unterkunft bei Wohneigentümern vorgenommen. Danach ist nunmehr ausdrücklich festgeschrieben , dass als Bedarf für die Unterkunft bei selbst bewohntem, angemessenem Wohneigentum auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur anerkannt werden, soweit die Aufwendungen ihrerseits ebenfalls angemessen sind. Soweit diese Aufwendungen die Angemessenheit übersteigen, kann der kommunale 2 Träger nach dieser Vorschrift ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Die bisherigen, von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind daher nur bedingt übertragbar. Weiterführende Rechtsprechung zur Neufassung des § 22 Abs. 2 SGB II liegt aufgrund der Kürze des verstrichenen Zeitraums noch nicht vor. Frage Nr.1: Inwieweit sind Aufwendungen für bauliche Maßnahmen zur Sicherung der ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung beim selbstgenutzten Wohneigentum von Leistungsbeziehern nach dem SGB II als Kosten der Unterkunft zu bewerten und wie wird diese Auffassung begründet? Nach § 22 Abs. 2 SGB II werden bei selbst bewohntem Wohneigentum Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur anerkannt, soweit diese dem Grunde nach unabweisbar und der Höhe nach angemessen sind. Wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen , die zu einer Verbesserung des Standards führen, zählen dabei regelmäßig nicht zu den anzuerkennenden Instandhaltungs- und Reparaturkosten nach § 22 Abs. 2 SGB II, da es nicht Aufgabe der Transferleistungen ist, Vermögenszuwächse zu fördern (vgl. die einschlägige Gesetzesbegründung, BR-Drs. 661/10, S. 158; Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 3. März 2009, Az.: B 4 AS 38/08 R). Die Abgrenzung zwischen Instandhaltung/Reparatur und wertsteigernden Erneuerungsmaßnahmen gestaltet sich zum Teil schwierig, da das Wohneigentum häufig bereits durch die Instandhaltung/Reparatur einen gewissen Wertzuwachs erfährt. Die Beurteilung muss daher dem jeweiligen Einzelfall vorbehalten bleiben. Frage Nr. 2: Unter welchen Voraussetzungen sind Anschlussbeiträge für abwasserwirtschaftliche Investitionsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz Sachsen-Anhalt (auch mit Blick auf die zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt) als Kosten der Unterkunft beim selbstgenutzten Wohneigentum anzusehen, besteht doch in diesem Bereich ein Anschluss- und Benutzungszwang? Wie wird begründet, dass es sich hier eventuell nicht um Kosten der Unterkunft handelt. Die Frage des Anschluss- und Benutzungszwangs ist für die Einstufung als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II ohne Belang. Die erstmalige abwasserwirtschaftliche Erschließung eines Grundstücks wird daher aufgrund des Wertzuwachses im Regelfall keine Kostenübernahmepflicht des kommunalen Trägers auslösen . Wird durch die Maßnahme jedoch lediglich der bisherige Wohnstandard erhalten , wie dies beispielsweise bei der reinen Erneuerung bzw. dem Austausch bereits bestehender Abwasserkanäle der Fall ist, so kommt eine Übernahme dem Grunde nach in Betracht (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, Az.: B 14 AS 61/10 R). Maßgeblich sind letztlich jedoch immer die Umstände des Einzelfalls, wie in den in der Antwort zu Frage Nr. 1 angeführten Kriterien dargelegt. Frage Nr. 3: Unter welchen Voraussetzungen sind Aufwendungen für die Errichtung einer vollbiologischen grundstücksbezogenen Kleinkläranlage beim selbstgenutzten Wohneigentum von Leistungsbeziehern nach dem SGB II als Kosten der Unterkunft anzusehen, wenn die Errichtung dieser Anlage auf Grundlage des jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepts behördlich angeordnet wurde? 3 Im Regelfall scheidet eine Kostenübernahme für die Errichtung/Modernisierung einer Kläranlage aufgrund der damit verbundenen Verbesserung des Wohnstandards aus. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die Neuerrichtung einer abwasserwirtschaftlichen Anlage zur Aufrechterhaltung (nicht zur erstmaligen Herstellung) der Bewohnbarkeit des Wohneigentums erforderlich ist, z. B. weil die bisherige Anlage neue gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandards nicht (länger) erfüllt, ein Anschluss an das zentrale Abwassernetz nicht möglich oder nicht zumutbar ist und die behördliche Nutzungsuntersagung droht. In dieser Konstellation wird durch die Neuerrichtung lediglich die Bewohnbarkeit des Eigentums erhalten. Der damit ggf. verbundene Wertzuwachs ist zu vernachlässigen, sofern ein einfacher und grundlegender Wohnstandard nicht überschritten wird. Die Maßnahme selbst darf jedoch in ihrer konkreten Ausführung nicht über das unabweisbare Maß hinaus gehen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Kleinkläranlage im Rahmen des § 22 Abs. 2 SGB II besteht neben den vorgenannten Voraussetzungen daher nur, wenn es sich bei dieser Maßnahme um die kostengünstigste handelt. Existieren alternativ billigere Möglichkeiten, die den gesetzlichen Anforderungen an eine abwasserwirtschaftliche Anlage ebenso genügen, so sind diese vorrangig zu nutzen. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass neben der Unabweisbarkeit der Maßnahme zum Erhalt der Bewohnbarkeit auch die anfallenden Kosten für die Unterkunft insgesamt angemessen sein müssen. Übersteigen die - individuell unterschiedlichen - (Gesamt-) Aufwendungen für die Unterkunft die örtliche Angemessenheitsgrenze , so kann der kommunale Träger für den überschießenden Teil lediglich ein Darlehen erbringen. Auf die Antwort zu Frage Nr. 1 wird verwiesen. Frage Nr. 4: Inwieweit ändert sich der Sachverhalt, wenn der Grundstückseigentümer die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang beantragt hat und diesem Antrag stattgegeben wurde? Wie wird begründet, dass es sich hier eventuell nicht um Kosten der Unterkunft handelt und wie sollen dann die betroffenen SGB II-Bezieher die notwendige Abwasserinvestitionsmaßnahme aus Sicht der Landesregierung finanzieren? Es wird auf die Antwort zu Frage Nr. 3 verwiesen. Die Errichtung einer dezentralen Abwasserbeseitigungsanlage bei bestehendem Anschluss- und Benutzungszwang ist nicht unabweisbar im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II.