Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2398 06.09.2013 (Ausgegeben am 09.09.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Franziska Latta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fachkräftesicherung und Unternehmensnachfolge Kleine Anfrage - KA 6/8000 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Frage Nr. 1: Gibt es sogenannte Regionalbüros zur Fachkräftesicherung in Sachsen-Anhalt bzw. vergleichbare Institutionen? Im Rahmen der Projekte „Portal für interessierte und flexible Fachkräfte (PFIFF)“ und „NETWORK-KMU“ wurden Regionalbüros zur Fachkräftesicherung eingerichtet. Wenn ja, Frage Nr. 1.1: Wie viele solcher Büros an welchen Standorten gibt es? Im Projekt PFIFF, Fachkräfteportal des Landes Sachsen-Anhalt, gibt es sieben Büros (Regionalstellen) an den Standorten: Magdeburg, Dessau, Stendal, Salzwedel, Halberstadt , Halle und Naumburg. Im Projekt NETWORK-KMU wurden fünf Büros an den Standorten Stendal, Magdeburg , Wernigerode, Dessau-Roßlau und Merseburg eingerichtet. Frage Nr. 1.2: Mit wie vielen Stellen sind diese Büros jeweils besetzt? Im Projekt PFIFF sind die Regionalstellen in Magdeburg, Dessau und Halberstadt mit jeweils einer Stelle als Regionalberater/in besetzt. Die Regionalstellen in Stendal und Salzwedel sowie Halle und Naumburg sind jeweils mit einer halben Stelle besetzt. 2 Im Projekt NETWORK-KMU sind die Regionalbüros Magdeburg, Dessau-Roßlau und Merseburg mit jeweils zwei Beratern/innen und die Büros in Stendal und Wernigerode mit jeweils einem(r) Berater(in) besetzt. Frage Nr. 1.3: Wer ist Träger der jeweiligen Büros? Träger der Regionalstellen (Büros) des Projektes PFIFF sind das Bildungswerk der Wirtschaft Sachsen-Anhalt e. V. (BWSA) sowie die isw Gesellschaft für wissenschaftliche Beratung und Dienstleistung mbH (isw GmbH). Dem BWSA sind die Regionalstellen Magdeburg, Dessau, Stendal und Salzwedel zugeordnet. Das isw zeichnet für die anderen Standorte verantwortlich. Darüber hinaus obliegen dem BWSA die Projektleitung sowie der Bereich Öffentlichkeitsarbeit in der personellen Zuständigkeit. Träger des Projektes NETWORK-KMU ist die Förderservicegesellschaft der Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt. Frage Nr. 1.4: Wer ist mit welchen Anteilen Kostenträger dieser Büros? Beide Projekte werden aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) zu jeweils 75 % und Landesmitteln zu jeweils 25 % finanziert. Im Projekt NETWORK-KMU werden die anfallenden Raumkosten für die Büros von den jeweiligen Wirtschaftsförderungsgesellschaften getragen. Frage Nr. 1.5: Welche Vermittlungszahlen weisen die jeweiligen Büros für die Jahre 2007 bis 2012 auf? Bei dem Projekt PFIFF handelt es sich um kein Projekt mit einem Auftrag zur Vermittlung . Es ist nicht gleichzusetzen mit dem gesetzlichen Auftrag der Bundesagentur für Arbeit oder privater Arbeitsvermittler. Vielmehr bietet PFIFF Unterstützungsleistungen zur Zusammenführung von Erwerbspersonen und Unternehmen an. Dabei sind alle Aktivitäten der Fachkräfteservicedienstleistung über ein Internetportal abgebildet, d. h. einstellungswilligen Unternehmen in Sachsen-Anhalt steht eine leistungsfähige Fachkräftedatenbank zur Verfügung, mit deren Hilfe sie einfach und schnell geeignetes Personal finden und ansprechen können. Das Fachkräfteportal PFIFF ist unter www.pfiff-sachsen-anhalt.de einsehbar. Potenzielle Fachkräfte, die sich in einer beruflichen Aus- und Weiterbildung oder einer Hoch-/Fachschulausbildung befinden, Pendler und Fachkräfte, die SachsenAnhalt verlassen haben und ggf. auch längerfristig an einer Rückkehr nach SachsenAnhalt interessiert sind, haben darüber hinaus die Möglichkeit, ihr Fachkräfteprofil in die Datenbank einzustellen. Parallel dazu haben Unternehmen die Möglichkeit, ihre Stellenanzeigen im Portal einzustellen. Hier wird darauf Wert gelegt, dass dies nicht anonymisiert erfolgt. Vielmehr ist für die Fachkräfte klar erkennbar, in welchem Unternehmen und in welcher Region Sachsen-Anhalts die Stelle zu besetzen ist. Die Regionalberater/innen sind persönliche Ansprechpartner/innen für Unternehmen und Fachkräfte. Sie zeigen Fachkräften ihre beruflichen Perspektiven und Karrierechancen und Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Land auf und 3 knüpfen dafür Kontakte zu den relevanten regionalen Arbeitsmarktakteuren und -akteurinnen. Im Ergebnis wurden seit dem Start von PFIFF am 01.04.2008 von den Unternehmen über 4.500 Stellen als besetzt an PFIFF zurückgemeldet (Stand: 30.06.2013). Das Projekt NETWORK-KMU wurde erst im 2. Halbjahr 2012 um das sogenannte „RegioCoaching“ erweitert. Aufgabe von NETWORK-KMU ist nicht die Vermittlung von Arbeitnehmern/-innen, sondern die Unterstützung von Unternehmen zur Sicherung des Fachkräftebedarfs durch unterschiedliche Angebote wie • Bedarfsidentifikation, • Entwicklung von Handlungsoptionen, • Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten und • Vermittlung an andere Unterstützungsstrukturen (Bildungsträger, Agenturen für Arbeit, Private Arbeitsvermittler etc.). Bis zum 30. Juni 2013 konnten insgesamt 471 Unternehmen beraten werden. Nähere Informationen über Network-KMU können auf der Internet-Seite www.networkkmu .de bezogen werden. Frage Nr. 2: Inwieweit unterstützt das Land die Inhaberinnen und Inhaber von Unternehmen bei der Suche nach Unternehmensnachfolgerinnen und –nachfolgern? Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt im Zusammenwirken mit den gewerblichen Kammern betroffene Unternehmen bei Problemen des Generationenwechsels und bei der Suche nach geeigneten Nachfolgern. Mit den Projekten „Unternehmensnachfolge Sachsen-Anhalt“ und „Nachfolger-Club Sachsen-Anhalt“ wurde die Unternehmensnachfolge in Sachsen-Anhalt seit 2005 durch das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft förderseitig begleitet. Die modellhafte Förderung der Unternehmensnachfolge wurde im September 2012 in die Trägerschaft der Kammern übergeben. Frage Nr. 2.1: Welche diesbezüglichen Förderungen existieren in welcher Höhe und mit welchen Fördermodalitäten? Die Unternehmensnachfolge wird in der Regel als eine Form der Existenzgründung betrachtet. Für potenzielle Nachfolger stehen folgende Förderprogramme zur Verfügung : • Programm ego.-Start: Existenzgründer können über ego.-Start u. a. einen Zuschuss für die Beratung vor der Gründung oder Nachfolge z. B. Coachingleistungen für wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Fragen sowie zur Optimierung der Finanzsituation des Vorhabens mit max. 90 % des Beratungshonorars (max. 5.400,- €, im Ausnahmefall : max. 7.200,- €) erhalten. 4 • Programm ego.-Wissen: Gegenstand sind Hilfen für eine Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen zur Vermittlung von Kenntnissen bei der Führung eines Unternehmens. Der Förderhöchstbetrag beträgt maximal 3.125 Euro. Pro Woche mit jeweils acht Stunden Grundqualifizierung wird eine Förderung von 100 € gewährt, maximal jedoch für 200 Stunden Grundqualifizierung. Pro Woche mit jeweils acht Stunden individueller Zusatzqualifizierung wird eine ergänzende Unterstützung von 50 Euro gewährt, maximal jedoch für 100 Stunden Zusatzqualifizierung. Der Qualifizierungsbeginn muss innerhalb der ersten drei Jahre nach Existenzgründung liegen. • Programm Gründercoaching Deutschland: Bei diesem Programm des Bundes erfolgt die Begleitung von jungen Unternehmen durch einen Berater. Die Förderung ist bis zu fünf Jahre nach einer Gründung oder Übernahme möglich. Die Förderung erfolgt als Anteilsfinanzierung. Existenzgründer /-innen in den neuen Bundesländern erhalten 75 % des Beraterhonorars als Zuschuss, höchstens aber insgesamt 4.500 Euro, zuvor arbeitslose Existenzgründer /-innen erhalten bundesweit einen erhöhten Zuschuss von 90 % des Beraterhonorars , höchstens aber insgesamt 3.600 Euro. Pro Beratungstag sind maximal 800 € (netto) der Beratungskosten förderfähig. • Beratungshilfeprogramm: Im Rahmen des Beratungshilfeprogramms des Landes werden Zuschüsse für die Beratung von Existenzgründern/Nachfolgern bzw. Übergebenden gewährt. Die Beratung soll Innovations- und Rationalisierungspotenziale aufzeigen und den Aufbau effizienter innerbetrieblicher Abläufe unterstützen. Die Förderung erfolgt als Anteilsfinanzierung. Es wird ein Zuschuss in Höhe von bis zu 50 % der förderfähigen Beraterkosten geleistet. Förderfähig sind Beraterkosten von bis zu 600 Euro pro Tag (netto) und bis zu 20 Beratertagen. Frage Nr. 2.2: Gibt es Anlaufstellen für die Suche nach Unternehmensnachfolgern? Potenzielle Unternehmensnachfolger können sich an das Netzwerk Unternehmensnachfolge der gewerblichen Kammern bzw. direkt an die Kammern wenden. Hier werden sie während des gesamten Nachfolgeprozesses unterstützt und begleitet. Frage Nr. 2.3: Inwieweit stellt sich aus Sicht der Landesregierung die Suche nach Unternehmensnachfolgern in Sachsen-Anhalt als problematisch dar? Nach Berechnungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und Hochrechnung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM-Materialien Nr. 198) werden im Zeitraum 2010 bis 2014 in Deutschland insgesamt 110.000 Unternehmen zur Übergabe anstehen. Davon brauchen in Ostdeutschland insgesamt rund 18.000 und in Sachsen-Anhalt ca. 2.200 Unternehmen einen Nachfolger. Aus Sicht der gewerblichen Kammern Sachsen-Anhalts liegt die Zahl möglicher Unternehmensnachfolgen allerdings noch höher, denn deren Recherchen gehen davon aus, dass im Zeitraum von 2010 bis 2014 etwa 3.000 Unternehmer/-innen das Rentenalter errei- 5 chen werden. Damit ist aber nicht in jedem einzelnen Fall eine Unternehmensnachfolge verbunden. Denn für sehr kleine Unternehmen bedeutet ein notwendiger Generationswechsel nicht selten die Betriebsaufgabe, vor allem wenn die Renditeerwartungen sehr schmal ausfallen. Nach den Ergebnissen einer von der IHK HalleDessau in ihrem Kammerbezirk durchgeführten und 2013 veröffentlichten Befragungi haben 80 % von rund 500 antwortenden Teilnehmern Schwierigkeiten bei der Nachfolgersuche angegeben. Als wichtige Probleme bei der Suche nach einem externen Nachfolger werden laut Befragungsergebnis insbesondere die Scheu der betroffenen Unternehmen benannt, mit der Suche nach einem Nachfolger an die Öffentlichkeit zu gehen (um ihre Kunden und Lieferanten nicht zu verunsichern) sowie einen geeigneten Nachfolger zu gewinnen. Darin spiegelt sich aus Sicht der Befragten in der Nachfolgesuche ein Fachkräftemangel wider. Zusätzlich als für die Unternehmensübernahme erschwerend benannt wurden allgemeine Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit , wie zunehmende Finanzierungsprobleme nach dem Inkrafttreten von Basel III, ein arbeitnehmerseitiger Fachkräftemangel, steuerliche Belastungen etc. Ein zentrales Ergebnis der Befragung ist auch, dass sich mehr als die Hälfte der Unternehmer erst nach dem Erreichen des 60. Lebensjahres auf die Nachfolgersuche begeben . Damit sie nicht zu spät kommt, muss aber ein ausreichender zeitlicher Vorlauf kalkuliert werden. Auch werden zum Teil zu hohe Kaufpreisvorstellungen als Problem benannt. Nicht immer ist die Nachfolgersuche aber mit einem Verkauf verbunden . 42 % der Befragten streben Nachfolgeregelungen in der Familie an. Mit alle dem steht die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt nicht allein, sondern vor den gleichen Problemlagen wie allgemein in Deutschland. Erschwerend dürfte sich für eine Nachfolgesuche in Sachsen-Anhalt allerdings auswirken, dass der demografische Wandel stärker als im Bundesdurchschnitt ausfällt. Seit 2005 setzt sich die Landesregierung mit Förderprogrammen und zusammen mit den Kammern für Unternehmensnachfolgen in Sachsen-Anhalt ein (vgl. bereits die Antwort zu Frage 2). Für alle Beteiligten einer Unternehmensnachfolge besteht in aller Regel angesichts der Fülle an Problemkreisen und Gestaltungsmöglichkeiten ein großer Beratungs- und Informationsbedarf sowie nicht selten auch Finanzierungsbedarf . Die Landesregierung und Kammern können mit ihren Maßnahmen nur flankierende Angebote für Unternehmensnachfolgen unterbreiten. Handeln muss der einzelne Unternehmer selbst. Die Nachfolgesuche liegt in der Eigenverantwortung der Unternehmen, in erster Linie durch eine rechtzeitige Nachfolgersuche. i Quelle: IHK Halle Dessau, Kein Nachfolger in Sicht, veröffentlicht im März 2013