Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2485 09.10.2013 (Ausgegeben am 10.10.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Radfreundlichkeit im Bereich des modernisierten Merseburger Bahnhofs Kleine Anfrage - KA 6/8057 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Bahnhof Merseburg ist in den vergangenen Jahren modernisiert worden. Hierfür sind u. a. auch Fördermittel des Landes aus dem Schnittstellenprogramm genutzt worden. Kurz vor dem vollständigen Abschluss der Arbeiten ist erkennbar, dass für Radfahrerinnen und Radfahrer, insbesondere für Radtouristen, weiterhin keine uneingeschränkte Nutzung der Zuwegungen in den Tunnel und der Aufgänge zu den Bahnsteigen möglich ist. Zwar wurden (derzeit noch funktionsunfähige) Fahrstühle eingebaut. Diese sind für Gruppen von Radfahrerinnen und Radfahrern jedoch nicht nutzbar, weil immer nur ein Fahrrad transportiert werden kann. Radlaufrinnen an den Treppen sind direkt unterhalb der Handläufe angeordnet, sodass sie nicht benutzbar sind. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung: Das Land Sachsen-Anhalt als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und die DB Station & Service AG als Betreiberin der Personenbahnhöfe sind bestrebt, die Attraktivität im Schienenpersonenverkehr (SPV) zu erhöhen. Die Personenbahnhöfe der DB Station & Service AG bilden als Zu- und Abgangsstellen sowie als Verknüpfungspunkte zu anderen Verkehrsträgern hierbei eine wesentliche Grundlage . Die Modernisierungs- und Ausbaumaßnahmen an den Personenbahnhöfen der DB Station & Service AG umfassen insbesondere deren barrierefreie Erschließung. Hierzu gehört vor allem die Anpassung der Bahnsteighöhen, um im Zusammenspiel mit den Fahrzeugen den ÖPNV-Nutzern einen möglichst niveaugleichen Ein- und Aus- 2 stieg zu ermöglichen, sowie die Ausstattung der Verkehrsstationen mit Rampen und Aufzügen. Weiterhin gehören die Verbesserung der Aufenthaltsqualität u. a. durch Erneuerung der Bahnsteigausstattung sowie der Kundeninformation insbesondere an kleineren Bahnhöfen zu den Ausbaumaßnahmen. Im Bahnhof Merseburg erfolgte im Rahmen des Bahnhofsprogramms des Landes Sachsen-Anhalt mit Finanzierung aus der gemeinsamen Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und der DB Station & Service AG die Erneuerung bzw. der Ausbau der Bahnsteige und des Treppenzugangs mit Einbau von Reisendenaufzügen zur barrierefreien Ausgestaltung. Zwischen der DB Station & Service AG als Bauherr und dem Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die NASA GmbH, als Fördermittelgeber erfolgten im Vorfeld der Baumaßnahme Abstimmungen u. a. zur Gestaltung der Bahnsteigzugänge der Verkehrsstation Merseburg. 1. Ist die barrierefreie Nutzung des Merseburger Bahnhofs u. a. für Radfah- rerinnen und Radfahrer im Vorfeld der Modernisierung Gegenstand von Gesprächen, inhaltlichen Erörterungen und Planungen gewesen, an denen sich die Landesregierung oder von ihr beauftragte Dritte (z. B. die Nasa) beteiligt haben? Wenn ja, durch wen ist sie wann thematisiert worden ? Ist in oben genannten Planungsrunden und/oder Gesprächen explizit auf alternative Gestaltung der Radlaufrinnen hingewiesen worden? Falls ja, warum sind entsprechende Hinweise in die Planung und Bauausführung nicht eingeflossen? Die Projekte des Bahnhofsprogramms werden - so auch im vorliegenden Fall - gemeinsam mit der DB Station & Service AG entwickelt. Dies beginnt mit der Entwicklung einer Aufgabenstellung, in der die spätere Ausführung der Baumaßnahme festgelegt wird. Diese Aufgabenstellung ist Grundlage für die spätere Planung. Bereits bei der Erstellung der Aufgabenstellung sind die gemeinsam festgelegten Ausstattungsmerkmale gemäß des Ausstattungskonzepts für Verkehrsstationen im Land Sachsen-Anhalt zu beachten. Darin ist auch die Ausstattung von bestimmten Verkehrsstationen mit Aufzügen oder Rampen und die Ausstattung von Treppen mit Fahrradschieberinnen geregelt. Im Rahmen der Projektberatung im Dezember 2009 sowie der Stellungnahme zur Vorplanung im Januar 2010 wurden durch die NASA GmbH explizit zusätzlich zu den geplanten Aufzügen die Anlage von regelkonformen, seitlichen Radschieberinnen unterhalb der Handläufe gefordert. Dies geschah vor dem Hintergrund, die Nutzbarkeit für Reisende mit Fahrrädern zu erhöhen, da Aufzüge allein bei einer erhöhten Nachfrage, z. B. bei Reisendengruppen, aufgrund Ihrer Kapazitätseinschränkungen nicht die optimale Lösung sind. Grundlage für die Gestaltung der Radschieberinnen ist die „Technische Spezifikation für die Interoperabilität bezüglich „eingeschränkt mobiler Personen“ im konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystem und im transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystem“ (TSI PRM) vom 21. Dezember 2007 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, welche auf die gültigen europäischen sowie nationalen Regeln zur Gestaltung verweist. In Deutschland sind dies neben der DIN 18024-1:1998-01 (Barrierefreies Bauen - Teil 1: Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze; Pla- 3 nungsgrundlagen) die Module der Bahnnorm 813 (Personenbahnhöfe planen), welche die vorgenannten Normen umsetzt. Da sich der Bahnhof Merseburg im Geltungsbereich der Norm „TSI PRM“ befindet , müssen die Treppen über Handläufe in zwei Höhen verfügen. Dementsprechend ist der obere Handlauf 85 cm bis 100 cm über der Fußbodenoberfläche der Treppe anzubringen, der untere Handlauf 50 cm bis 75 cm über dem Fußboden. Die Handläufe sind insofern vorschriftenkonform beidseitig an den Treppenwangen mit Halterungen an der Unterseite befestigt worden. Im Zuge der baulichen Realisierung erfolgte die Anbringung der Handläufe dabei unter Ausnutzung des gebotenen Toleranzbereiches mit dem Mindestwert, wodurch die Nutzbarkeit der zusätzlich angebrachten Fahrradschieberinnen eingeschränkt ist. Hier wird gegenwärtig seitens DB Station & Service AG geprüft , den oberen Grenzwert auszunutzen und die Handläufe entsprechend höher anzubringen. Andere technologische Möglichkeiten, die in der Vergangenheit gefordert worden sind (Radschieberinne in der Treppenmitte, breitere Radschieberinnen o. ä.) entsprechen nicht den technischen Vorschriften und stellen vom Grundsatz her Gefahrenpotenziale für andere Nutzergruppen (z. B. Sehbehinderte) dar. Sie sind daher nicht Gegenstand der Vorbereitung und Planung gewesen, und es wurden auch keine entsprechenden Hinweise gegeben. 2. Ist die barrierefreie Nutzung des Bahnhofs für Radfahrerinnen und Rad- fahrer Fördertatbestand oder Voraussetzung der Förderung im Rahmen des Schnittstellenprogramms gewesen? Eine Förderung der Anlagen der DB AG im Bahnhof Merseburg (Verkehrsstation ) erfolgte nicht im Rahmen des Schnittstellenprogramms. Der Ausbau der Verkehrsstation Bahnhof Merseburg wurde vielmehr über das Bahnhofsprogramm des Landes Sachsen-Anhalt mit Finanzierung aus der gemeinsamen Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und der DB Station & Service AG realisiert. Neben der Erneuerung bzw. dem Ausbau der Bahnsteige und des Treppenzugangs mit Einbau von Reisendenaufzügen zur barrierefreien Ausgestaltung gehörte dazu auch die Einrichtung von Radschieberinnen als Fördertatbestand/-voraussetzung. 3. Beabsichtigt die Landesregierung, auf die Bahn hinzuwirken, eine barrie- refreie Nutzung des Bahnhofes Merseburg, insbesondere im Hinblick auf die Radlaufrinnen an den Treppen, sicherzustellen? Gemeinsam mit der DB Station & Service AG als Bauherr wird durch die NASA GmbH gegenwärtig nach Lösungen gesucht, wie im Rahmen des anzuwendenden Vorschriftenwerkes eine Verbesserung gegenüber der bestehenden Lösung erreicht werden kann (Erhöhung der Handläufe um bis zu 15 cm, vgl. Antwort zu Frage 1). 4 4. Wird die Landesregierung die abschließende Ausreichung von Fördermit- teln insbesondere auch an die Herstellung der Barrierefreiheit für Radfahrerinnen und Radfahrer koppeln? Durch den Einbau der Reisendenaufzüge ist die barrierefreie Nutzung des Bahnhofs auch für Fahrradfahrer gegeben. Die oben beschriebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen sind eingehalten, das Bauwerk wurde insoweit regelkonform erstellt. Das Versetzen der Handläufe nach oben (vgl. Antwort zu Frage 1) stellt die einzige Möglichkeit dar, die Nutzungsmöglichkeit der Treppen für Radfahrer auch bei Einhaltung des Regelwerks zu verbessern. Andere technische Lösungen sind, auch wegen der insoweit konkurrierenden o. g. Vorschriften , nicht bekannt. Die Herstellung von Barrierefreiheit ist eines der Hauptanliegen beim Ausbau der Verkehrsstationen über das o. g. Bahnhofsprogramm des Landes SachsenAnhalt . Hierzu gehört auch der Einbau von Radschieberinnen, wenn dies sachgerecht und baulich möglich ist. Die Einhaltung der geforderten Mindestausstattungsmerkmale und –standards ist Voraussetzung für die Gewährung der Fördermittel. Diese Voraussetzung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften erfüllt worden. Es bestehen daher weder Veranlassung noch Handhabe, Fördermittel zurückzuhalten oder zurückzufordern .