Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2497 16.10.2013 (Ausgegeben am 16.10.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 zur steuerlichen Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Ehegatten Kleine Anfrage - KA 6/8044 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 7. Mai 2013 (- 2 BvR 909/06 -, - 2 BvR 1981/06 - und - 2 BvR 288/07-) entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern in den Vorschriften der §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG zum Ehegattensplitting mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist. Durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013(BT Drs. 17/13870 vom 11. Juni 2013 und BR Drs. 532/13 vom 28. Juni 2013) sind sämtliche Regelungen des EStG zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden (§ 2 Absatz 8 EStG n. F.). Diese neue Regelung soll sicherstellen , dass Verheiratete und eingetragene Lebenspartner bei der Einkommensteuer gleich zu behandeln sind. Die Vorschriften sind für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle rückwirkend ab dem Jahr 2001 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Lebenspartnerschaftsgesetzes - anzuwenden (§ 52 Abs. 2a EStG n. F.). Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium der Finanzen 1. Durch welche Maßnahmen gewährleisten die Landesregierung und die Fi- nanzverwaltung die praktische Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 sowie des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom Juni dieses Jahres? 2 Wegen der erforderlichen Abstimmung der Rahmenbedingungen auf Bundesebene und der im Anschluss daran erfolgenden umfangreichen Programmänderungen , die noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden, ist die systemkonforme Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 sowie des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013, welches am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist, im technischen Umfeld kurzfristig nicht möglich. Dennoch kann für die Durchführung der Zusammenveranlagung mit den vorhandenen Programmen gearbeitet werden; das Ergebnis muss zurzeit noch manuell für beide Lebenspartner/Lebenspartnerinnen nachbearbeitet werden. Die hierfür erforderlichen Anweisungen wurden den Finanzämtern des Landes Sachsen-Anhalt durch zwei nur für den Dienstgebrauch bestimmte Verfügungen der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 19. Juli 2013 und vom 17. September 2013 bekanntgegeben. 2. Wie behandelt die Finanzverwaltung Anträge auf Durchführung einer Zu- sammenveranlagung und Anwendung des Splittingverfahrens für Veranlagungszeiträume (VZ), für die beide Lebenspartner bisher nicht veranlagt wurden? Den Anträgen wird in diesen Fällen stattgegeben. 3. Wie behandelt die Finanzverwaltung Anträge auf Durchführung einer Zu- sammenveranlagung und Anwendung des Splittingverfahrens für Veranlagungszeiträume , für die beide Lebenspartner bereits veranlagt wurden? Und zwar in den Fällen, a) in denen die Einkommensteuer(änderungs)bescheide von Lebenspart- nern/Lebenspartnerinnen noch nicht formell bestandskräftig sind. Den Anträgen auf Zusammenveranlagung mit Anwendung des Splittingtarifs wird in diesen Fällen entsprochen. b) in denen der Einkommensteuer(änderungs)bescheid des/der einen Le- benspartners/Lebenspartnerin formell noch nicht bestandskräftig ist, der/die andere Lebenspartner/Lebenspartnerin aber bestandskräftig veranlagt ist. Den Anträgen auf Zusammenveranlagung mit Anwendung des Splittingtarifs wird in diesen Fällen entsprochen. c) in denen die Einkommensteuer(änderungs)bescheide von beiden Le- benspartnern/Lebenspartnerinnen bestandskräftig sind. In diesen Fällen sind die Anträge auf Zusammenveranlagung mit Anwendung des Splittingtarifs unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung abzulehnen . 3 4. Wie behandelt die Finanzverwaltung Anträge auf Durchführung einer Zusammenveranlagung und Anwendung des Splittingverfahrens für Veranlagungszeiträume , für die ein Lebenspartner bisher nicht veranlagt wurde (sog. Mischfälle)? Und zwar in den Fällen a) in denen ein/eine Lebenspartner/Lebenspartnerin bisher nicht veran- lagt wurde, der Einkommensteuer(änderungs)bescheid des/der anderen Lebenspartners/Lebenspartnerin formell nicht bestandskräftig ist. In diesen Fällen ist - unabhängig vom Ablauf der Festsetzungsfrist des/der bislang nicht veranlagten Lebenspartner/Lebenspartnerin - den Anträgen auf Zusammenveranlagung mit Anwendung des Splittingtarifs stattzugeben. b) in denen ein/eine Lebenspartner/Lebenspartnerin bisher nicht veran- lagt wurde, der Einkommensteuer(änderungs)bescheid des/der anderen Lebenspartners/Lebenspartnerin aber bestandskräftig ist. Ist die Festsetzungsfrist beim nicht veranlagten Lebenspartner/Lebenspartnerin bereits abgelaufen und die Steuerfestsetzung für den bereits veranlagten Lebenspartner/Lebenspartnerin bestandskräftig, sind die Anträge auf Zusammenveranlagung mit Anwendung des Splittingtarifs abzulehnen. Ist beim nicht veranlagten Lebenspartner/Lebenspartnerin noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, kann den Anträgen auf Durchführung der Zusammenveranlagung mit Anwendung des Splittingtarifs entsprochen werden . 5. Wie erfolgen der Erlass und die Bekanntgabe zusammengefasster Steuer- bescheide und die Auszahlung von Erstattungsansprüchen nach Zusammenveranlagung ? Der Bescheid über die Zusammenveranlagung ist einzeln an jeden Lebenspartner /Lebenspartnerin bekannt zugegeben. Von der Bekanntgabevereinfachung des § 122 Abs. 7 AO kann nicht Gebrauch gemacht werden, da diese Regelung in der derzeitigen Fassung nicht für Partner/Partnerinnen einer Lebenspartnerschaft gilt. Sind Lebenspartner/Lebenspartnerinnen mit der Bekanntgabe einer Bescheidausfertigung an eine gemeinsame Anschrift einverstanden, kann die wirksame Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6 AO an die gemeinsame Anschrift erfolgen . Ein verbleibendes Guthaben wird auf das von den Lebenspartnern/Lebenspartnerinnen benannte gemeinsame Erstattungskonto ausgezahlt. 6. Wie erfolgt die Festsetzung der Kirchensteuer? Bitte unterscheiden nach a) glaubensverschiedener Lebenspartnerschaft Bei glaubensverschiedener Ehe besteht die Möglichkeit der Festsetzung und Erhebung des besonderen Kirchgelds (§ 4 Abs. 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Kirchensteuergesetz Sachsen-Anhalt - KiStG LSA), wenn nur ein Ehegatte Mitglied in einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft ist. Wegen dieser 4 und anderer noch ungeklärter Fragen zur Bemessung der Kirchensteuer bei Lebenspartnern/Lebenspartnerinnen wird die maschinelle Festsetzung der Kirchensteuer für glaubensverschiedene Partner/Partnerinnen einer Lebenspartnerschaft zurzeit noch unterbunden. Dieses Vorgehen wird im Bescheid wie folgt personell erläutert: „Die Kirchensteuerfestsetzung wird wegen der zurzeit noch fehlenden Rechtsgrundlage im Kirchensteuergesetz Sachsen-Anhalt zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.“ b) konfessionsgleicher Lebenspartnerschaft Konfessionsgleiche Partner/Partnerinnen einer Lebenspartnerschaft werden analog zu den Ehegatten gemeinsam zur Kirchensteuer herangezogen. Dies erfolgt im Rahmen des maschinellen Festsetzungsverfahrens. c) konfessionsverschiedener Lebenspartnerschaft Bei konfessionsverschiedener Ehe gilt der sog. Halbteilungsgrundsatz. Hierbei wird der Kirchensteuersatz jeweils auf die Hälfte der nach § 51a EStG ermittelten gemeinsamen Steuer angewandt. Der Halbteilungsgrundsatz hat seinen Ursprung in § 4 Abs. 2 KiStG LSA und findet nach dessen Wortlaut nur bei Ehegatten Anwendung. Wegen dieser und anderer noch ungeklärter Fragen zur Bemessung der Kirchensteuer bei Lebenspartnern/ Lebenspartnerinnen wird die maschinelle Festsetzung der Kirchensteuer für konfessionsverschiedene Partner/Partnerinnen einer Lebenspartnerschaft zurzeit noch unterbunden. Dieses Vorgehen wird im Bescheid wie folgt personell erläutert : „Die Kirchensteuerfestsetzung wird wegen der zurzeit noch fehlenden Rechtsgrundlage im Kirchensteuergesetz Sachsen-Anhalt zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.“ 7. Wie erfolgt die Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen? Die Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen erfolgt bei zusammen zu veranlagenden Lebenspartnern/Lebenspartnerinnen nach den allgemeinen Grundsätzen. 8. Wie erfolgt die Behandlung von Anträgen auf Berücksichtigung der Steu- erklassen III/V bzw. IV/IV mit Faktor von Lebenspartnern? Kann in diesem Zusammenhang auf Wunsch gewährleistet werden, dass der Arbeitgeber hierdurch über das Vorliegen einer Lebenspartnerschaft keine Kenntnis erlangt? Anträgen auf Eintragung der Steuerklassenkombinationen III/V bzw. IV/IV mit und ohne Faktor wird entsprochen. Die Steuerklassen III, IV oder V sind jedoch - systembedingt - bereits Indiz für das Vorliegen einer Ehe bzw. einer Lebenspartnerschaft , sodass bei deren antragsgemäßer Berücksichtigung eine Kenntnis des Arbeitgebers unvermeidbar ist. Bei Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) werden dem Arbeitgeber jedoch keine tatsächli- 5 chen Lebenssachverhalte (wie zum Beispiel „in eingetragener Lebenspartnerschaft lebend“), sondern nur die von den Steuerpflichtigen beantragten Steuerklassen übermittelt. Der Arbeitgeber kann daraus nicht erkennen, ob es sich um familiengerechte Steuerklassen bei Ehegatten oder bei Lebenspartnern /Lebenspartnerinnen handelt. Die Lebenspartner/Lebenspartnerinnen können aber auch die Berücksichtigung einer ungünstigeren Steuerklasse (z. B. Steuerklasse I) oder die Sperrung des Arbeitgebers für den Abruf der ELStAM beantragen. Bei der Wahl der - ungünstigeren - Steuerklasse I ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Ehe/Lebenspartnerschaft, allerdings um den Preis des Steuerklassenvorteils . Eine Sperrung des Arbeitgebers zum Abruf der ELStAM (zwecks Vermeidung der Kenntnis der Steuerklassenkombinationen IV/IV oder III/V) hat zur Folge, dass der Arbeitgeber gar keine ELStAM zur Verfügung gestellt bekommt und somit den Arbeitslohn mit der Steuerklasse VI zu besteuern hat. Insofern würde die Eintragung der Steuerklassenkombinationen IV/IV oder III/V ins Leere gehen . Die Entscheidung hierüber obliegt - wie auch bei Ehegatten - allein den Lebenspartnern /Lebenspartnerinnen. 9. Gibt es zu den aufgeworfenen Fragen entsprechende Verfügungen/Er- lasse/Leitfaden an die Finanzämter oder sind diese beabsichtigt? Wenn ja, bitte im Einzelnen benennen und inhaltlich darstellen. Zu den aufgeworfenen (und anderen) Fragen gibt es eine nur für den Dienstgebrauch bestimmte Verfügung der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 17. September 2013, welche den Finanzämtern am 25. September 2013 über das Zentrale Onlinesystem für die Finanzämter bekannt gegeben wurde. Die Verfügung enthält neben den Ausführungen zu den rechtlichen Fragen auch Anweisungen , insbesondere zum technischen und organisatorischen Ablauf bei der Bescheiderteilung. Des Weiteren enthält diese Verfügung u. a. Aussagen zur Zuständigkeit, zur Vergabe neuer Steuernummern, zu neu einzurichtenden Speicherkonten, zur Anforderung an die Steuererklärung, zu Besonderheiten bei der Arbeitnehmer-Sparzulage und zur Lohnsteuerermäßigung. Zu den lohnsteuerrechtlichen Fragen steht den Finanzämtern die nur für den Dienstgebrauch bestimmte OFD-Verfügung vom 19. Juli 2013 zur Verfügung, welche insbesondere zur Umsetzung der Steuerklassenwahl Stellung nimmt (vgl. insoweit auch die Antwort zur Frage 8.).