Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2530 25.10.2013 (Ausgegeben am 28.10.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Einsatz von Peilsendern durch Sicherheitsbehörden des Landes SachsenAnhalt (I) Kleine Anfrage - KA 6/8049 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Tageszeitung taz berichtete am 28. April 2013 unter dem Titel „Verpeilte Suche an der Küste“ über den Einsatz von Peilsendern gegen mehrere Personen aus Schleswig-Holstein, die über Neonazis recherchierten. In der Vergangenheit kam derartige Technik auch in Thüringen zum Einsatz. So sollen Thüringer Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren fast 130 Fahrzeuge von Verdächtigen mit Peilsendern ausgestattet haben. In den rund 100 Maßnahmen der Polizei seit 2005 ging es zumeist um Rauschgiftdelikte oder Eigentums- und Vermögensstraftaten. 30 Autos wurden vom Landesamt für Verfassungsschutz mit Peilsendern ausgerüstet, 73 Personen waren davon betroffen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Auf welcher Rechtsgrundlage werden in Sachsen-Anhalt technische Mit- teln zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender etc.) durch Sicherheitsbehörden eingesetzt? Für den Einsatz technischer Mittel zur Positionsbestimmung kommen in Sachsen -Anhalt folgende Rechtsgrundlagen in Betracht: - §§ 100a, b, g, h und i Strafprozessordnung (StPO), §§ 17, 17a und 23b Abs. 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA), § 96 Telekommunikationsgesetz (TKG) sowie 2 § 7 Abs. 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land SachsenAnhalt (VerfSchG-LSA). 2. Welche Techniken, Übertragungsformate oder Frequenzbereiche nutzen die Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt nach Kenntnissen der Landesregierung beim Einsatz technischer Mittel zur Positionsbestimmung, z. B. bei der Standortüberwachung der KFZ von verdächtigen Personen? Beim Einsatz technischer Mittel zur Positionsbestimmung nutzen die Polizeibehörden und die Verfassungsschutzbehörde in Sachsen-Anhalt die GSM-Ortung mit Peilsystem, die GPS-Ortung und die Funkpeilung. Dabei erfolgt die Übertragung modular, über paketorientierte Datendienste (GPRS, UMTS) und per SMS/CSD (Circuit Switched Data) in den üblichen Mobilfunkfrequenzbereichen. 3. Welche Reichweite haben die unter Frage 2 genannten Technologien nach Kenntnissen der Landesregierung jeweils zum Empfangsmodul und bis auf wie viele Meter ist eine exakte Positionsbestimmung des Ziels möglich ? Bitte Einzelauflistung. Die Leistungsparameter der eingesetzten Technik sind vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Dabei wird die Reichweite u.a. beeinflusst von der Topografie, der Sendeleistung, der Sendefrequenz, der Antennenhöhe über Grund. Die Genauigkeit der Positionsbestimmung entspricht der GPS-Genauigkeit der für die kommerzielle Nutzung vorgesehenen handelsüblichen Geräte. Sie ist unter anderem von der Anzahl der jeweils örtlich „sichtbaren“ Satelliten abhängig. Die Reichweiten liegen bei der Fahrzeugfunkpeilung zwischen etwa 500 Metern und 12 Kilometern, bei der Hubschrauberfunkpeilung zwischen etwa 5 und 80 Kilometern . 4. Welche Hardware von welchen Herstellern wird nach Kenntnissen der Landesregierung durch Sicherheitsbehörden zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender etc.) in Sachsen-Anhalt eingesetzt? Bitte Einzelauflistung nach Produkt und Anzahl. Diese Frage betrifft konkrete Fragestellungen zu polizeilichen und nachrichtendienstlichen Angelegenheiten. Es können in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Antworten keine Informationen zu den von den Sicherheitsbehörden des Landes Sachsen-Anhalt in Anspruch genommenen Hardware-Herstellern von technischen Mitteln zur Positionsbestimmung mitgeteilt werden. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Darauf wies auch das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt in seinem am 17. September 2013 verkündeten Urteil hin. Aufgrund der detaillierten Auflistung der entsprechenden Hersteller können jedoch Auswirkungen auf die künftigen Geschäftsbeziehungen mit diesen Anbietern nicht abschließend abgeschätzt und beurteilt werden sowie Probleme bei zukünftigen Techniknachbeschaffungen nicht ausgeschlossen werden. Die Beschaffung entsprechender Komponenten ist überwiegend system- und herstellerabhängig. Auch wenn die entsprechenden Firmen teilweise in der Öffentlichkeit von sich aus die Zusammenarbeit mit Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) darstellen, können o. g. 3 Nachteile nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Nicht zuletzt dient diese Verfahrensweise auch dem Schutz der entsprechenden Hersteller vor nicht auszuschließenden Angriffen. Die Antwort der Landesregierung auf diese Fragen muss insoweit als „Verschlusssache - Vertraulich“ eingestuft werden. Hierbei wird der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gefolgt, nach der bei der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Parlament unter Geheimhaltungsaspekten wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen mit einbezogen werden können (vgl. BVerfGE 124, S. 161 [193]). Hierzu zählt auch die Geheimschutzordnung des Landtages (GSO-LT). Die Einstufung als Verschlusssache ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Wohl des Landes Sachsen-Anhalt und die schutzwürdigen Interessen Dritter geeignet, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Landesregierung zu befriedigen (Artikel 53 Absatz 3 und 4 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt). Mit der GSO-LT ist ein Instrument geschaffen, das es den Abgeordneten des Landtages ermöglicht, die entsprechend eingestuften Informationen einzusehen . Dem parlamentarischen Kontrollrecht wird damit Rechnung getragen. Die als „Verschlusssache - Vertraulich" eingestufte Antwort der Landesregierung auf die Frage 4 steht den Abgeordneten des Landtages deshalb in der Geheimschutzstelle des Landtages von Sachsen-Anhalt zur Einsichtnahme zur Verfügung. 5. Welche Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt setzen nach Kenntnissen der Landesregierung technische Mittel zur Positionsbestimmung (Peilsender , GSM- oder GPS-Sender etc.) ein und wie viele Sendegeräte sind in den Dienststellen jeweils im Einsatz bzw. vorrätig? Bitte Auflistung nach Behörde, Dienststelle, Anzahl der Geräte. In der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt obliegt der Einsatz technischer Mittel zur Positionsbestimmung grundsätzlich dem Landeskriminalamt. Dort sind 58 Systeme zur Positionsbestimmung vorhanden. Darüber hinaus besitzt die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost sechs Systeme. Die Verfassungsschutzabteilung des Ministeriums für Inneres und Sport verfügt derzeit über drei Geräte zur Positionsbestimmung. 6. Wie viele Einsätze von technischen Mitteln zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender etc.) fanden in Sachsen-Anhalt nach Kenntnissen der Landesregierung in den Jahren 2005 bis 2013 statt und in welchen Deliktbereichen kamen diese zur Anwendung? Bitte Auflistung nach Jahren und Deliktfeldern. Die Polizeibehörden und die Verfassungsschutzbehörde des Landes SachsenAnhalt setzten in den Jahren 2007 bis 2013 in 135 Fällen technische Mittel zur Positionsbestimmung ein. Für den Zeitraum der Jahre 2005 bis 2006 liegen beim Landeskriminalamt keine Nachweise mehr vor. Die Verfassungsschutzbehörde hat im Zeitraum 2005 bis 2006 keine technischen Mittel zur Positionsbestimmung eingesetzt. 4 2007: 1 Einsatz, Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt (VerfSch) 2008: 5 Einsätze, Politisch motivierte Kriminalität (PMK), VerfSch 2009: 4 Einsätze, PMK, VerfSch 2010: 8 Einsätze, PMK, Eigentumskriminalität, VerfSch 2011: 27 Einsätze, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), Eigentumskriminalität, Organisierte Kriminalität, PMK, Erpressung 2012: 49 Einsätze, Verstoß gegen das BtMG/Arzneimittelgesetz, Eigentums-/Vermögensdelikte, PMK, Organisierte Kriminalität, Rocker- kriminalität, Branddelikte, Erpressung, Eigensicherung 2013: 41 Einsätze, Verstoß gegen das BtMG, PMK, Organisierte Kriminalität, Eigentums-/Vermögensdelikte (Stand 30.09.2013). GPS-Technik zur Positionsbestimmung wird in dem im Landeskriminalamt (LKA) angebundenen Mobilen Einsatzkommando (MEK) - Staatsschutz seit 2001 verwendet. Die ebenfalls im LKA eingerichteten MEK 1 und 2 (Einsatz insbesondere im Falle von Entführungen/Geiselnahmen/Erpressungen, der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität) nutzen die Technik jedoch erst seit dem Jahr 2010. Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost erwarb entsprechende Technik im Jahr 2011. Im Organisationsbereich der Technischen Einsatzgruppe innerhalb des Cybercrime Competence Centers im LKA Sachsen-Anhalt (4C) liegen Daten über entsprechende Einsätze nur für die Jahre 2012 und 2013 vor. Diese Hinweise sollten bei der Interpretation der Einsatzzahlen berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind ausschließlich die Fälle des Einsatzes technischer Mittel zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender) aufgeführt . Angaben zur Häufigkeit im Zusammenhang mit dem Einsatz eines IMSICatchers , von „Stillen SMS“ sowie mit der Erhebung von Verkehrsdaten zur Positionsbestimmung werden nicht erfasst. 7. Wie viele Einsätze von technischen Mitteln zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender etc.) fanden in Sachsen-Anhalt nach Kenntnissen der Landesregierung in den Jahren 2005 bis 2013 im Bereich der politisch motivierten Kriminalität statt und in welchen Phänomenbereichen kamen diese zur Anwendung? Bitte Auflistung nach Jahren und Phänomenbereichen. Von 2007 bis einschließlich 30. September 2013 setzten die Polizeibehörden und die Verfassungsschutzbehörde in Sachsen-Anhalt technische Mittel zur Positionsbestimmung im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität in 21 Fällen ein. Davon in 8 Fällen im Phänomenbereich PMK-Ausländer, in 8 Fällen im Bereich PMK-Rechts und in 3 Fällen im Bereich PMK-Links. Im Einzelnen: 2008: 4 Fälle PMK-Ausländer (3), PMK-Rechts (1) 2009: 3 Fälle PMK-Ausländer (2), PMK-Rechts (1) 2010: 5 Fälle PMK-Ausländer (4), PMK-Rechts (1) 2011: 2 Fälle PMK-Ausländer (1), PMK-Rechts (1) 2012: 5 Fälle PMK-Links (3), PMK-Rechts (2) 2013: 2 Fälle PMK-Rechts (2). 5 8. Wie viele Fahrzeuge wurden nach Kenntnissen der Landesregierung in den Jahren 2005 bis 2013 durch den Einsatz von technischen Mitteln zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender etc.) präpariert ? Bitte Auflistung nach Jahren. In den Jahren 2007 bis 2013 waren 192 Fahrzeuge betroffen. Im Einzelnen: 2007: 1 Fahrzeug 2008: 7 Fahrzeuge 2009: 10 Fahrzeuge 2010: 8 Fahrzeuge 2011: 41 Fahrzeuge 2012: 63 Fahrzeuge 2013: 63 Fahrzeuge (Stand: 30.09.2013). Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 6 verwiesen. 9. Wie viele Personen waren nach Kenntnissen der Landesregierung in den Jahren 2005 bis 2013 durch den Einsatz von technischen Mitteln zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender etc.) durch Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt betroffen? Statistiken zur Anzahl der von technischen Mitteln zur Positionsbestimmung betroffenen Personen werden bei den Polizeibehörden und der Verfassungsschutzbehörde in Sachsen-Anhalt nicht geführt. 10. An welcher Position in/an Fahrzeugen werden nach Kenntnissen der Lan- desregierung technische Mittel zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender etc.) installiert, mit welchen Mitteln erfolgt eine Fixierung für den sicheren Halt und welchen Zeitaufwand erfordert die Montage am KFZ grundsätzlich? Die Position der technischen Mittel zur Positionsbestimmung an Fahrzeugen sowie der zur Installation erforderliche Zeitaufwand kann pauschal nicht dargestellt werden, da sie jeweils vom Fahrzeugtyp und der Einbausituation vor Ort abhängig sind. 11. Wie lange ist nach Kenntnissen der Landesregierung die durchschnitt- liche Einsatzdauer von technischen Mitteln zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPS-Sender etc.) von Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt und wie lange ist die längste? Die Einsatzdauer ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Die Zeitspanne bisheriger Einsätze lag zwischen wenigen Stunden und längstens 250 Tagen. 6 12. Welche Betriebsdauer besitzen nach Kenntnissen der Landesregierung technische Mittel zur Positionsbestimmung (Peilsender, GSM- oder GPSSender etc.), die durch Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt an Fahrzeugen zum Einsatz kommen bzw. wie viele Stunden oder Tage können diese pro Akkuladung genutzt werden? Bitte Angaben jeweils für reine Nutzungsdauer sowie zur Stand-By-Zeit. Die Leistungsparameter der eingesetzten Technik sind vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Die Betriebsdauer der eingesetzten Geräte wird bestimmt vom Nutzungsgrad und der Batterie-/Akkukapazität. Auf Letztere haben die Faktoren Temperatur, Netztopologie, Einbauort und Bewegungsgrad einen starken Einfluss . Die Betriebsdauer kann unter diesen Aspekten ein bis zwei Wochen betragen . Eine Stand-by-Zeit von bis zu vier Wochen ist möglich. Die Betriebsdauer fest installierter Geräte ist unbegrenzt. Das gilt hier ebenso für die Stand-by-Zeiten.