Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/2539 30.10.2013 (Ausgegeben am 4.11.2013) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Neonazistisches Konzert am 28. September 2013 in Tangerhütte Kleine Anfrage - KA 6/8071 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am Samstag, dem 28. September 2013 fand in den Bismarckstuben Tangerhütte ein konspirativ organisiertes Konzert der rechten Szene mit mehreren Bands statt. Zum Veranstaltungsort gelangten Teilnehmerinnen und Teilnehmer über mehrere Schleusungspunkte . Ausweislich von Presseberichten wurde das Konzert durch die Polizei aufgelöst. Die beteiligten Bands sowie rechte Konzertbesucherinnen und -besucher bewerten das Konzert als erfolgreiche Veranstaltung. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Zu welchem Zeitpunkt erfuhren Sachsen-Anhalts Behörden von dem ge- planten Konzert? Ab welcher Uhrzeit lagen am Veranstaltungstag bei den sachsen-anhaltischen Behörden Informationen zu Schleusungspunkten sowie zum Veranstaltungsort vor? Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt hatte im Rahmen eigener Internetrecherchen am 12. September 2013 einen Flyer bekannt gemacht, der allgemein auf ein Konzert im Raum Mitteldeutschland hinwies, ohne das ggf. betroffene Bundesland oder gar eine noch näher konkretisierbare Region zu benennen . Diese Information steuerte das Landeskriminalamt mit der Bitte, in eigener Zuständigkeit geeignete Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen, über den dafür vorgesehen Meldeweg „Informationsaustausch Staatsschutz“ an die zuständigen Behörden und Einrichtungen. Das Ministerium für Inneres und Sport beauftragte die Polizeidirektionen am 27. September 2013 noch einmal mit dem Hin- 2 weis, dass möglicherweise auch Sachsen-Anhalt als Veranstaltungsort in Betracht käme, anlassbezogen die Aufklärungsmaßnahmen zu intensivieren. Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord hat daraufhin das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt gebeten, die Sicherheitsbehörden entsprechend zu sensibilisieren und relevante Informationen unverzüglich an die jeweils zuständigen Polizeireviere zu übermitteln. Aufgrund der intensiven polizeilichen Aufklärung konnte der erste Sammelort potenzieller Teilnehmer (BAB 2, Autobahnraststätte Buckautal) am 28. September 2013 gegen 12.30 Uhr bekannt gemacht werden. Durch weitere Aufklärungsmaßnahmen, insbesondere an weiteren erkannten Sammelorten, gelang es der Polizei schließlich gegen 20.10 Uhr, den Veranstaltungsort „Bismarckstuben“ in Tangerhütte selbst zu lokalisieren. Verwaltungsvollzugsbeamte der Sicherheitsbehörde (Stadt Tangerhütte) trafen gegen 22.00 Uhr am Veranstaltungsort ein. 2. Wann erfolgte aufgrund welcher Einschätzung die Entscheidung, das Konzert aufzulösen und polizeilich zu beenden? Wann wurde das Konzert tatsächlich polizeilich beendet? Das Konzert wurde nicht aufgrund allgemeiner oder besonderer gefahrenabwehrrechtlicher Eingriffsnormen aufgelöst bzw. beendet. Trotz intensiver Prüfung der eingesetzten Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde und der Polizei konnten vor Ort die tatbestandlichen Voraussetzungen, die eine solche Eingriffsmaßnahme gerechtfertigt hätten, unter keinem rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkt als erfüllt angesehen werden. Sowohl Sicherheitsbehörde als auch die Polizei hatten zunächst lediglich Veranlassung, den Mieter und mutmaßlichen Veranstalter des Konzertes darauf hinzuweisen, dass die Fortführung der Veranstaltung bei strafrechtlichen oder ordnungsrechtlichen Verstößen sofort untersagt werden und diese Untersagung gegebenenfalls sofort vollzogen würde. Nach mehreren Ansprachen an die Inhaberin der „Bismarckstube“ durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden und der Polizeibeamten traf diese schließlich gegen 23.00 Uhr die Entscheidung, vom mit dem Mieter der Räumlichkeiten ursprünglich bis 03.00 Uhr geschlossenen Mietvertrag zurückzutreten und von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen. Der Mieter hatte insoweit die Veranstaltung bis 24.00 Uhr zu beenden und dafür Sorge zu tragen, dass der Veranstaltungssaal bis 0.30 Uhr von allen Besuchern verlassen wird. Der Mieter akzeptierte die Entscheidung, entsprechend verließen die Veranstaltungsteilnehmer ab 24.00 Uhr die Räumlichkeiten und reisten sukzessive ab. 3. Welche rechten Bands waren für das Konzert angekündigt? Welche dieser Bands spielten am Veranstaltungstag? Für das Konzert waren die Musikgruppen „Two Minutes Warning“, „Second Class Citizen“, „Fight Tonight“ und „Mortuary“ angekündigt und nach Angaben des Mieters auch vor Ort. Von den genannten Musikgruppen trat nach Erkenntnissen der Landesregierung zumindest die Gruppe „Second Class Citizen“ jedoch nicht auf. 3 4. Wie viele Personen aus welchen Landkreisen/kreisfreien Städten Sachsen -Anhalts und aus anderen Bundesländern waren am Veranstaltungsabend vor Ort? Von den eingesetzten Kräften der Polizei konnten 83 Personen beim Verlassen des Veranstaltungsobjektes gezählt werden. Eine konkrete zahlenmäßige Zuordnung der teilnehmenden Personen nach Landkreisen bzw. Bundesländern kann nicht vorgenommen werden. Festgestellt wurde, dass im unmittelbaren Umfeld des Veranstaltungsortes Fahrzeuge mit amtlichen Kennzeichen aus Österreich sowie den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen , Sachsen, Niedersachsen, Hamburg und Thüringen abgestellt waren. Aus Sachsen-Anhalt wurden geparkte Fahrzeuge den Landkreisen Bördekreis, Dessau -Roßlau, Jerichower Land, Mansfeld-Südharz, Altmarkkreis Salzwedel, Stendal sowie der Landeshauptstadt Magdeburg zugeordnet. Ob die Insassen dieser Fahrzeuge tatsächlich an der Veranstaltung teilgenommen haben, kann retrograd im Einzelnen nicht nachvollzogen werden. 5. Wegen welcher Straftaten wurden gegen wie viele Personen durch die Behörden des Landes Ermittlungsverfahren eingeleitet? Gab es Beschlagnahmungen ? Falls ja, was wurde beschlagnahmt? Ein Ermittlungsverfahren gem. § 86 a StGB wurde gegen eine namentlich bekannte Person eingeleitet. Beschlagnahmungen gab es nicht. Sichergestellt wurden fünf Kartons mit 313 Bekleidungsgegenständen (T-Shirts, Pullover, Hosen mit diversen Aufdrucken ) und 506 Musik - CDs sowie 3 Musik - DVDs. Aufgrund der Sichtung der Gegenstände vor Ort wurde das bereits benannte Ermittlungsverfahren eingeleitet . Die Auswertung der Ton- und Bildträger dauert an. 6. Fanden am Veranstaltungsort nach Wissen der Behörden bereits in der Vergangenheit Zusammenkünfte der rechten Szene statt? Rechnet die Landesregierung damit, dass auch in Zukunft am Veranstaltungsort rechte Veranstaltungen, u. a. Konzerte stattfinden? Nach Kenntnis der Landesregierung fanden in der Vergangenheit bereits Veranstaltungen mit Personen der rechten Szene am Veranstaltungsort statt. Eine Prognose, ob dort in Zukunft rechtsextremistische Veranstaltungen, u. a. Konzerte, stattfinden werden, kann nicht verlässlich getroffen werden. Die Polizei und die kommunalen Sicherheitsbehörden sind mit der Lokalinhaberin mit dem Ziel in Kontakt, zukünftige Veranstaltungen der rechten Szene an diesem Veranstaltungsort nicht zuzulassen.